Transparency-Chefin Sylvia Schenk:Mehr Tempo in Runde zwei

Ex-Leistungssportlerin, Anwältin und oberste Korruptionsbekämpferin: Sylvia Schenk will im Kampf gegen Bestechung viel erreichen. Kritiker werfen ihr Interessenkonflikte vor.

Markus Balser

Wenn Sylvia Schenk über Korruption spricht, fängt sie im Kleinen an. Mit der Reise nach Bali zum Beispiel und dem Reiseführer: "Unter nützliche Tipps stand dort sinngemäß: Wenn der Zöllner betont langsam den Pass durchsieht, kann ein kleines Trinkgeld sinnvoll sein", erklärt Schenk. "Das hat mich schockiert."

Korruptionsbekämpfung sei schließlich nicht nur ein Thema für Chefetagen und Staatsanwaltschaften. "Wir müssen Menschen ermuntern, einfach nein zu sagen und die Zivilcourage zu stärken", sagt Schenk der Süddeutschen Zeitung.

Die 55-jährige ehemalige Leistungssportlerin ist seit kurzem Deutschlands oberste Korruptionsbekämpferin. Erst Ende Oktober wurde Schenk von den Mitgliedern an die Spitze von Transparency International Deutschland gewählt und muss den Antikorruptionsverband in eine neue Ära führen. "Wir treten in eine weitere Phase der Korruptionsbekämpfung ein", sagt Schenk. Das Bewusstsein für die zerstörerische Wirkung sei national wie international gewachsen. "Jetzt geht es darum, die erkämpften Konventionen und Gesetze weltweit in die Praxis umzusetzen - und die Debatte über Ethik aktiv zu beeinflussen."

Probleme auch in Deutschland

Rohstoffreich und doch bettelarm? Korruption führe vor allem in der Dritten Welt zu großer Hoffnungslosigkeit und raube Ländern die Aussicht auf eine demokratische Basis, klagt Schenk. Die letzten Monate hätten klar gemacht, dass das Übel nicht erst weit weg in Schwellenländern beginne. "Auch wir in Deutschland haben da ein Problem." Bei dieser bitteren Erkenntnis habe Siemens sicher unfreiwillig geholfen. Jedem, der in Deutschland solche Zahlungen absegne, müsse klar sein, welche katastrophalen Folgen das habe, betont die Juristin. Was sollte ein Unternehmen tun, wenn sich in bestimmten Ländern ohne Bakschisch keine Geschäfte machen lassen? "Wenn wir solche Ausreden zulassen, zementieren wir die Situation in bestimmten Teilen der Welt. Sicher ist es ärgerlich, dass nicht alle Länder genau hinsehen. Aber wir dürfen kein Unrecht begehen, nur weil andere das auch tun."

Die Industrienationen müssten mehr gegen Korruption tun, fordert die neue Transparency-Chefin. So tut sich die Bundesregierung noch immer schwer, die bisher laxen Vorschriften gegen Bestechung oder Bestechlichkeit von Parlamentariern zu verschärfen und die UN-Konvention gegen Korruption zu verschärfen. "Von den G-8-Staaten fehlen nur noch Japan und wir. Hier muss endlich etwas passieren", mahnt Schenk und weiß, dass die Zeit drängt. Anfang des Jahres wolle die deutsche Transparency-Sektion Gespräche mit einzelnen Fraktionen des Bundestags führen. " Das muss im nächsten Jahr über die Bühne gehen", sagt Schenk.

Durchhaltevermögen hat Schenk lange trainiert. Als Leichtathletin war sie in den 70-er Jahren bekannt geworden. Sie gehörte 1971 zur deutschen 4x800-m-Weltrekord-Staffel und nahm ein Jahr später an den Olympischen Spielen in München teil. Eine Sportkarriere, die ihr nach einem Jahrzehnt als hauptamtliche Stadträtin in Frankfurt am Main (Ressorts: Sport, Recht, Frauen und Wohnen) eine Funktionärskarriere öffnen sollte. Schenk wurde 2001 Chefin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), eines Verbands, dem merkwürdige Machenschaften nicht fremd sind. Die Radsportpräsidentin Schenk staunte nicht über Dopingwirren und verließ den Verband 2004 wieder. Sie kehrte in ihr Metier zurück: die Juristerei. Als Rechtsanwältin ließ sie sich bei der internationalen Sozietät Ashurst nieder und begann, ehrenamtlich in der Transparency-Führung mitzuarbeiten - zunächst als Sportverantwortliche.

"Die Bibel alleine ist es nicht"

Dass ethische Fragen das gesellschaftliche Bewusstsein sehr stark verändert haben, bekam Schenk kürzlich selbst zu spüren. So monierte der Frankfurter Wirtschaftskriminologe und Transparency-Kritiker Hans See, dass die Anwältin, die den Transparency-Chefposten nur ehrenamtlich bekleidet, von Januar an in einer Frankfurter Kanzlei Mittelständler in der Korruptionsbekämpfung berate. Dies könne zu Interessenkonflikten führen, warnte See.

Doch Transparency winkt ab. Die Tätigkeit sei mit der Organisation und ihrem Ethikbeauftragten abgesprochen und vereinbar, hieß es am Donnerstag. Auch Schenk wies den Verdacht der Interessenkollision scharf zurück. "Ich arbeite bei Transparency ehrenamtlich, brauche also das berufliche Standbein als Anwältin." Sie sei in der Kanzlei zudem nicht im strafrechtlichen Bereich tätig, kümmere sich also nicht um Korruptionsfälle. Zu Interessenkonflikten könne es schon deshalb nicht kommen. Der Druck auch auf die Arbeit von Transparency wachse, weiß Schenk. Man stelle einfach heute andere Ansprüche an jede Art von Organisation, sagte sie kürzlich. "Selbst Kirchen machen sich inzwischen Gedanken über einen Ethikcode und sagen sich, die Bibel alleine ist es vielleicht doch nicht."

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