Transnet: Tarifrunde bei der Bahn:"Bis hierhin und nicht weiter"

Streit ums Geld: Am Mittwoch beginnen bei der Bahn Tarifverhandlungen. Transnet-Chef Alexander Kirchner droht mit Streiks - womöglich noch im Januar.

Michael Bauchmüller

Vor einem Jahr hat der Tarifstreit bei der Bahn ganz Deutschland in Atem gehalten, weil die Lokführer-Gewerkschaft GDL deutlich mehr Gehalt forderte. An diesem Mittwoch beginnen neue Verhandlungen, mit anderer Rollenverteilung. Diesmal fordert die größte Bahngewerkschaft, Transnet, wesentlich mehr als die GDL. Und ihr neuer Vorsitzender Alexander Kirchner droht mit Streiks noch in diesem Monat.

Transnet: Tarifrunde bei der Bahn, Transnet-Chef Kirchner: "Bis hierhin und nicht weiter"

Noch bis Ende Januar in der Friedenspflicht, aber schon streikbereit: Transnet-Chef Kirchner.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Kirchner, an diesem Mittwoch beginnen Tarifverhandlungen bei der Bahn. Gibt es bald wieder Streiks?

Kirchner: Nicht ausgeschlossen. Womöglich rufen wir noch in diesem Monat zu Warnstreiks und Protestaktionen auf.

SZ: Aber Sie sind doch noch bis Ende des Monats in der Friedenspflicht.

Kirchner: Nur teilweise. Wir verhandeln einerseits über das Gehalt, da läuft die Friedenspflicht tatsächlich erst Ende des Monats aus. Aber seit Monaten sprechen wir auch schon über Regelungen zur Arbeitszeit, der Tarifvertrag ist Ende Dezember ausgelaufen. Da befinden wir uns schon außerhalb der Friedenspflicht.

SZ: Und was ist Ihnen wichtiger?

Kirchner: Das kann man so nicht sagen, beides ist wichtig. Die Bahn hat in den vergangenen Jahren die Arbeitszeitbedingungen immer weiter verschlechtert, um die Produktivität zu steigern. In vielen Bereichen sind die Dienstpläne teilweise inhuman geworden. Da geht es um Dienstbeginn und -ende mitten in der Nacht, die Häufigkeit von Schichten, um kurzfristige Dienständerungen. Viele Kollegen haben kaum noch wirklich freie Wochenenden. Die Belastung ist für viele so stark, dass sie sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Das Thema wird seit 2005 immer wieder vertagt. Jetzt ist Schluss. Diesen Mittwoch muss die Bahn ein Angebot vorlegen.

SZ: Ihre Lohnforderung ist allerdings auch nicht ohne: Transnet will zehn Prozent mehr Geld. Ist das mitten in einer Wirtschaftskrise vertretbar?

Kirchner: Man darf diese Forderung nicht im Verhältnis zur Situation in anderen Wirtschaftszweigen sehen. Wenn man sie mal betrachtet für den Bereich, in dem sie gestellt worden ist, für die Bahn AG, sieht das anders aus. Die Bahn hat 2008 sicher ein sehr gutes Ergebnis gemacht. Und die Krise trifft die Bahn nicht so sehr wie andere.

SZ: Die Bahn selbst spricht immerhin von einem Einbruch im Güterverkehr.

Kirchner: Im Güterverkehr gibt es Auswirkungen, ja. Wie stark die sein werden, kann man heute noch nicht einschätzen. Aber im Schienenpersonenverkehr spielt das kaum eine Rolle. Wir halten es mit dem, was Herr Mehdorn angekündigt hat: Solange es der Bahn schlecht geht, müssen auch die Mitarbeiter verzichten, und wenn es ihr gut geht, sollen die Beschäftigten ein Stück davon zurückbekommen. Wir haben jahrelang, eigentlich schon seit der Bahnreform, weniger bekommen, als draußen in der Industrie gezahlt wurde. Das holen wir nur nach.

SZ: Da vergessen Sie aber ein Jahr - 2008 haben Sie doch mit elf Prozent ganz ordentlich abgeschlossen.

Kirchner: Nur bedingt. Wir haben mit 4,5 Prozent einen guten Abschluss gemacht, oberhalb der IG Metall. Aber die restlichen 6,5 Prozent sind keine Lohnerhöhung, sie sollen interne Verwerfungen des Tarifsystems beseitigen. Nicht jeder hat von diesen 6,5 Prozent etwas bekommen. Außerdem hatten wir schon 2007 vereinbart, dass jeder Beschäftigte bis Ende 2010 zehn Prozent mehr Lohn hat. Da steht noch einiges aus.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Transnet in der anstehenden Tarifrunde auf das Verständnis der Bevölkerung hofft.

"Bis hierhin und nicht weiter"

SZ: Ob Bahnkunden es verstehen werden, wenn Sie in diesen Zeiten für zehn Prozent mehr Geld streiken?

Transnet: Tarifrunde bei der Bahn: Lohnrunde bei der Bahn: Transnet pocht auf ein  deutliches Plus.

Lohnrunde bei der Bahn: Transnet pocht auf ein deutliches Plus.

(Foto: Foto: ddp)

Kirchner: Wenn es um reale Zahlen geht, wenn man mal zeigt, was ein Facharbeiter bei der Bahn im Verhältnis zu einem Facharbeiter draußen verdient, dann sieht das schon ganz anders aus. Dann glaube ich, wird es in der Öffentlichkeit auch Verständnis geben. Man muss außerdem auch mal fragen, wie wir aus der Krise wieder rauskommen. Und das gelingt bestimmt nicht mit Lohnzurückhaltung, sondern nur mit Arbeitnehmern, die auch konsumieren können.

SZ: Kollegen bei der IG Metall sehen das anders, die verzichten jetzt teilweise auf ihr Lohnplus.

Kirchner: Aber aus einer anderen Situation heraus. Bei der Bahn haben wir keine Krise. Da schreiben wir weiter dicke schwarze Zahlen. Übrigens haben wir vor Jahren auch auf Lohnerhöhungen verzichtet, während es in der Metall- und Elektroindustrie geboomt hat.

SZ: Dafür haben Sie aber einen Vertrag mit der Bahn, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2010 ausschließt. . .

Kirchner: . . . und für den die Beschäftigten große Opfer gebracht haben. Ob dieser Vertrag dauerhaft Sinn macht, müssen wir ohnehin neu bewerten.

SZ: Warum?

Kirchner: Es kann nicht sein, dass einerseits die Beschäftigten auf Lohn verzichten, um Jobs zu halten, die Bahn aber gleichzeitig im Nahverkehr neue Gesellschaften gründet, um sich aus der Tarifbindung zu stehlen. Jetzt erleben wir sogar, dass die Bahn Subunternehmer beschäftigt. Die fahren in Mecklenburg zu Dumpingpreisen. Da sehe ich für die jetzige Form des Beschäftigungssicherungstarifvertrages kaum eine Zukunft.

SZ: Beim letzten Tarifstreit war Ihr schärfster Widersacher nicht die Bahn, sondern die Lokführer-Gewerkschaft GDL. Danach wollten Sie wieder stärker miteinander kooperieren. Klappt das?

Kirchner: Leider nein. Die GDL versucht weiter, auf Dauer für Lokführer ihre Sonderkonditionen herauszuholen. Sie will mit uns keine verbindlichen Verhandlungen führen. Wir wären dazu bereit gewesen. Aber jetzt verhandeln wir wieder getrennt.

SZ: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass Sie bis Ende Januar fertig werden?

Kirchner: Schwer zu sagen. Wenn die Bahn tatsächlich nur eine Nullrunde anbieten wird oder eine Einmalzahlung, dann sind die Chancen gleich null.

SZ: Und dann geht gleich am 1. Februar der Arbeitskampf los?

Kirchner (lacht): Der 1. Februar ist ein Sonntag. Alles weitere hängt von der Bahn ab. Aber es wird schwierig.

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