Die Fastfood-Kette McDonald’s gehört zu den Unternehmen, die verlässlich mit Regenbogenfahnen für sich werben, wenn mal wieder der Christopher-Street-Day ansteht. Queerfreundlich und weltläufig, so zeigt sich der Konzern am liebsten. Etwas weniger vorteilhaft allerdings war der Termin, der am Donnerstag im Landesarbeitsgerichts Berlin anstand. Eine Mitarbeiterin des Unternehmens saß da in blütenweißem Hosenanzug und ausgetretenen Turnschuhen in Saal 334 des Gerichts. Die trans Frau hatte McDonald’s wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verklagt. Am Ende sollte sie den Saal hochzufrieden verlassen, zumindest in finanzieller Hinsicht.
Kylie Divon, unter diesem Künstlernamen lebt die Klägerin in Berlin. 2017 ist sie aus Libyen nach Deutschland gekommen, erst um zu studieren, dann stellte sie einen Asylantrag. Heute ist sie 28 Jahre alt und eine Frau. Das war nicht immer so. Als Divon 2019 einen Job bei McDonald’s am Berliner Hauptbahnhof angetreten hatte, betrachteten die meisten Kollegen sie noch als Mann. Ihre geschlechtliche Transition begann zunächst heimlich, bei nächtlichen Drag-Shows, dann machte sie ihre Identität als Frau offen sichtbar und bekannt, auch bei der Arbeit. So stellt sie selbst es dar. Nur teilte eben nicht jeder ihre Sicht.
Kollegin E., als Co-Trainerin eine Art Anleiterin bei McDonald’s am Berliner Hauptbahnhof, betrachtete die Sache offenbar anders. Als Divon im Dezember 2023 die Frauen-Umkleide der Filiale betrat, fühlte E. sich gestört. Und wenn stimmt, was die Klägerin später vor dem Arbeitsgericht vortragen ließ, fragte sie Divon, ob sie sich wirklich hier umziehen wolle, bei den Frauen. In die Männerumkleide könne bei ihrem Aussehen ja wohl nicht gehen, habe Divon geantwortet. Kollegin E. aber habe das nicht hingenommen. Es sei ihr egal, wie sie „obenrum“ aussehe, denn untenrum, so habe sie zu verstehen gegeben, sehe es anders aus. Was dann folgte, war nach Darstellung der Klägerin eine Handbewegung, die einen Penis darstellte. Kollegin E. hat alle Vorwürfe später bestritten.
Divon jedenfalls hat sich damals beschwert, auch beim Leiter der McDonald’s Filiale. Zu hören bekam sie dort nach eigener Darstellung sinngemäß: Ein Mann bleibe eben ein Mann. Auch er selbst fühle sich einfach nicht wohl, wenn eine Person in die Männerumkleide gehe, „die sich als Mann fühle, aber eindeutig kein Mann sei“, habe der Filialleiter geantwortet. So jedenfalls zitiert die Vorsitzende Richterin Kerstin Miehe den beschuldigten Vorgesetzten am Dienstag in der Gerichtsverhandlung. Er habe diese Äußerung vor Gericht nicht bestritten – und sie sei „problematisch“.
„Trans Frauen sind Frauen“, sagte die Anwältin der Klägerin. Das habe auch der Europäische Gerichtshof klargestellt
„Wenn sich jemand tatsächlich als Frau identifiziert“, führt die Richterin aus, dann stelle es eine „diskriminierende Äußerung“ dar, der Person die Weiblichkeit abzusprechen. Das sei keine Frage. Die Vorfälle bei McDonald’s könnten als Beleidigung gewertet werden, auch als Belästigung oder als Würdeverletzung, mithin als Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das vor Diskriminierung schützt. Ob die Äußerungen allerdings einen Anspruch auf Schadenersatz begründen könnten, wie von der Klägerin gefordert, sei fraglich, so die Richterin. Dazu müsse dem Arbeitgeber nachgewiesen werden, dass am Arbeitsplatz „ein feindliches Umfeld“ für die trans Frau geschaffen worden sei. Das sei hier eher nicht zu erkennen. Diskriminierung ja, Schadenersatz nein, so war das zu verstehen. Vor Gericht wurde es dann etwas lauter.
Denn die Anwältin der Klägerin, Leonie Thum, sah die Sache naturgemäß anders. „Trans Frauen sind Frauen“, sagte sie. So zu tun, als seien sie Nicht-Frauen oder Ausnahmeerscheinungen, für die Sonderregelungen geschaffen werden müssten, sei unvereinbar mit Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. Ihrer Mandantin aber sei vorgeschlagen worden, sich in der Dusche hinter der Umkleide umzuziehen, weil sich andere gestört fühlten. In den Schreiben des Unternehmens sei wiederholt ihr sogenannter Deadname erwähnt worden, also der frühere, männliche Vorname. Das Unternehmen habe auch nichts unternommen, um wie vorgeschrieben die Diskriminierung im Haus abzubauen. Vielmehr habe man von der Klägerin ein verändertes Verhalten gefordert.
Die Rechtsvertreterin von McDonald’s wies den Vorwurf der Diskriminierung rundweg zurück, auch für die Filiale am Berliner Hauptbahnhof. Die Klägerin sei dort „durchgehend mit Kylie angeredet“ worden. „Es war niemandem bekannt, dass die Klägerin in die Damenumkleide möchte und sich als trans Frau betrachtet.“ Nach den Beschwerden sei vereinbart worden, dass dort angeklopft werde, und zwar von allen. Die Klägerin habe zufrieden gewirkt, habe „immer gesagt, dass sie sich wohlfühlt“. Dann allerdings habe sie 800000 Euro für eine Eigentumswohnung haben wollen, sei nach einigen Verhandlungen auf 200000 Euro „zurückgerudert“. Da habe man die Gespräche erstmal abgebrochen.
Es habe „keine ernsthaften Vergleichsgespräche“ gegeben, wirft die Anwältin der Klägerin nun ein. Stattdessen habe die PR-Abteilung von McDonald’s ihre Mandantin kontaktiert, um sie für ein Video-Projekt zu gewinnen. Der Inhalt: fröhliche Mitarbeiterinnen in der Umkleidekabine der Fastfoodkette, trans Frauen und Muslimas. Alle verstehen sich prächtig.
Kylie Divon hat dann handfestere Dinge vorgezogen. Am Ende der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin schlägt ihre Anwältin am Dienstag einen Vergleich und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, bei einer Abfindung von 16 500 Euro, plus gutem Zeugnis. Die Gegenseite stimmt zu, nach weniger als zwei Minuten. Man will die Sache wohl gern vom Tisch haben.