Trading:Die Welt des Geldes

Global Markets Continue Last Week's Steep Decline

Sie wecken das Interesse an Tradingbüchern und liefern den Stoff für Romane. Händler an der New Yorker Börse.

(Foto: Spencer Platt/AFP)

Sich wie ein Trader fühlen, mit riskanten Zertifikaten und Optionen viel Profit machen. Manche Anleger suchen diesen Nervenkitzel. Und die Börse ist ein Ort, der ihnen schnellen Reichtum verspricht.

Von Markus Zydra

Es gibt Berufe, mit denen man eine gewisse Leichtigkeit assoziiert, und zwar im doppelten Sinne. So dürfen etwa Schriftsteller und Schauspieler sehr privilegiert mit gutem Gewissen ihrer Passion frönen, was ja wirklich nicht jedem Berufstätigen gegönnt ist. Darüber hinaus, so kommt es einem manchmal vor, verdienen diese Menschen auch noch gutes Geld mit ihrer Passion. Die Realität vieler Künstler sieht natürlich ganz anders aus, vor allem was die Sache mit dem Geldverdienen angeht. Börsenhändler sehen sich ähnlichen Missverständnissen ausgesetzt. Wenn man einmal einen dieser selbstbewussten Typen trifft, der verrät, er würde hauptberuflich an der Börse spekulieren, dann kommt neben einer ersten Entrüstung auch das Gefühl auf, hier einen zu sprechen, der es geschafft hat: zumindest finanziell. Die Börse hat viele Menschen in den Ruin getrieben. Sie gilt aber auch als ein Ort, der schnellen Reichtum verspricht.

Jeder Händler hofft auf den Jackpot

Vielleicht ist das auch der Grund für die vielen Bücher, die zuletzt zu diesem Thema veröffentlicht wurden. Da ist alles dabei: Vom Kultautor Jack Schwager, der in Interviews mit den erfolgreichsten Geldverwaltern dem Geheimnis des Börsenerfolgs auf den Grund gehen will, bis hin zu Romanen aus der Welt der Finanzmärkte. Ihnen gemeinsam ist der pädagogische Tenor. Die Autoren möchten ihren Lesern helfen, erfolgreich an der Börse zu investieren. Offenbar gibt es da ein gesteigertes Leserinteresse.

Eine kleine und agile Gruppe deutscher Anleger liebt diesen Nervenkitzel. Warnungen der Verbraucher- und Anlegerschützer lassen sie kalt. Bestimmte Privatanleger sind dabei, wenn es um Wetten geht, die viel Profit versprechen und wo hohe Verluste drohen. Sie kaufen komplizierte Zertifikate und Optionsscheine, um an einem Tag genug für den nächsten zu gewinnen.

Der Ausbruch der Finanzkrise ist nun rund acht Jahre her. Das ist eine lange Zeit. Mittlerweile gilt der Handel mit Wertpapieren aller Art in weiten Kreisen wieder als hoffähig. Man fühlt sich sicherer als früher, denn die Politik hat neue gesetzliche Leitplanken gesetzt. Eine neue Generation von Profi-und Freizeit-Händlern strömt auf den Markt. Sie glauben, dass sie alte Fehler nicht wiederholen werden. Sie machen sich deshalb schlau, in Büchern, Kursen und an der Universität. Es geht da weniger um die Frage, wie man die Wirtschaftskraft und die Zukunft eines Unternehmens analysiert. Die meisten Trader wollen ihre Aktien nicht lange besitzen. Sie möchten den schnellen Profit, deshalb kaufen und verkaufen manche Händler im Minuten- und Sekundentakt. Das ist keine lapidare Aufgabe. In den vielen Fachbüchern geht es daher um Themen wie Day-, CFD- oder Intraday-Trading , Elliott-Wellen und Trendfolgesysteme. Diese Themen sind so kompliziert wie sie sich anhören. Doch das schreckt einige nicht davon ab, auf diese Art mit Aktien, Gold und Rohstoffen zu spekulieren.

Jeder Händler hofft auf den Jackpot.

Bei vielen dieser Börsengeschäfte kommen Derivate zum Einsatz. Diese Wertpapiere haben seit der Finanzkrise einen schlechten Ruf. Man verbindet mit ihnen Intransparenz und hohe Risiken. Das liegt auch an der Aussage des amerikanischen Milliardärs und legendären Erfolgsinvestors Warren Buffett, der Derivate schon Anfang des Jahrtausends als "Massenvernichtungswaffen" bezeichnet hat. Historisch waren Derivate nichts anderes als Versicherungen. Ein Landwirt kann den Preis seiner Ernte frühzeitig absichern, eine Luftfahrtgesellschaft den Preis für Kerosin. In der Realwirtschaft erfüllen Derivate bis heute eine wichtige Funktion. Doch der Übergang vom Absicherungsgeschäft zur Spekulation ist fließend. Diese Wertpapiere können auch zum Zocken eingesetzt werden. Das kann gefährlich werden, besonders wenn auf Pump spekuliert wird und statt des erhofften Gewinns plötzlich das gesamte eingesetzte Kapital verloren ist.

Hochkomplex gestrickte Kreditderivate haben die globale Finanzkrise ab 2008 mit ausgelöst. Banken wussten gar nicht, welche Risiken sie sich da aufgehalst hatten. Betroffen waren auch Privatsparer, denn in dieser Zeit haben Bankberater unbedarften Kunden riskante Zertifikate ins Depot gelegt. Tausende Kunden verloren damals viel Geld mit angeblich sicheren Produkten. Die Öffentlichkeit merkte, wie riskant es sein kann, an den Börsen sein Geld anzulegen - allen Versprechungen der Finanzindustrie zum Trotz.

Oft waren Überschuldung und laxe Kreditvergabe ein Grund für die Finanzschmelze

Heute kann man sich kaum noch daran erinnern, wie kleinlaut sich die Branche damals in der Öffentlichkeit gab und auch geben musste. Doch das ist vorbei. Die Finanzindustrie wird wieder keck. Sie schaut nach vorne. Viele Kunden auch.

An den internationalen Finanzmärkten arbeiten häufig junge Leute. Gleichzeitig mussten viele, die in der Finanzkrise keine gute Figur machten, abtreten. Die kollektive Erinnerung an die vielen Fehler von damals wird dadurch immer bruchstückhafter. Der große Ökonom John Kenneth Galbraith hat in seinem Buch "Eine kurze Geschichte der Spekulation" festgestellt, dass es nur wenige Bereiche menschlichen Handelns gebe, in denen die Geschichte so wenig zähle wie in der Welt des Geldes. "Dann zieht eine neue Generation von Spekulanten ein, die sich nicht mehr an die vorherige Katastrophe erinnern kann."

Es gab schon viele Katastrophen an den Börsen: Die 1930er-Jahre mit der großen Rezession, 1987 an der Wall Street, 1998 in Asien, 2001 das Platzen der Internetblase und ab 2007 die globale Finanz- und Euro-Krise. Oft waren Überschuldung und laxe Kreditvergabe ein Grund für die Finanzschmelze. Oft gesellte sich auch ein Überschwang der Gefühle dazu. Die Händler an der Börse überschätzten sich und ignorierten die Risiken. Sie meinten immer, sie seien besser auf die Fallstricke an der Börse vorbereitet als ihre Vorgänger. Hoffentlich sind sie es dieses Mal wirklich.

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