Toyota in der Krise:Nichts ist unmöglich

Tiefer Fall eines Musterschülers: Toyota bleibt von der Absatzkrise in der Autobranche nicht verschont. Der Konzern leidet an der eigenen Größe - und an der Abhängigkeit vom Verkauf spritfressender Autos.

Tobias Dorfer

Eine Gelegenheit zum Sparen hat Katsuaki Watanabe nie ausgelassen. Sein erster Auftritt führte den frischgebackenen Toyota-Chef im Jahr 2005 in die Kantine des Autokonzerns. Als er dort die Essensreste sah, griff Watanabe durch, optimierte die Ausgabe - und senkte so den Reisverbrauch bei Toyota drastisch. "Es gab in der Kantine so viele Möglichkeiten für Verbesserungen", sagte hinterher ein stolzer Konzernchef.

Toyota in der Krise: Toyota schreibt zum ersten Mal in der Firmengeschichte Verluste.

Toyota schreibt zum ersten Mal in der Firmengeschichte Verluste.

(Foto: Foto: AFP)

Was Watanabe vor knapp vier Jahren im Betriebsrestaurant begann, hat er konsequent durch alle Hierarchien und Ebenen des Konzerns weitergeführt. Unter Watanabes Ägide reifte Toyota zu einem scheinbar krisenresistenten Megakonzern: erfolgreich, bescheiden, sparsam. "Nichts ist unmöglich", der Werbeslogan spiegelte immer das Denken im Konzern, den "Toyota-Way", wieder.

Nun ist das Unmögliche doch geschehen: Weltweit brechen die Absatzzahlen ein und Toyota zeigt Schwächen. Auf einen Schlag befindet sich das Unternehmen in der schärfsten Krise seiner Geschichte. Erstmals wird der Konzern im laufenden Geschäftsjahr rote Zahlen schreiben. Watanabe selbst rechnet mit einem Gesamtverlust von 1,22 Milliarden Euro. Und das Schlimmste dabei ist: Ein Ende der Krise ist nicht abzusehen. "Ich kann nicht sehen, wo die Talsohle ist", sagte Watanabe.

Schattenseiten des Erfolgs

Die Zahlen sind ein Desaster für die erfolgsverwöhnten Japaner. In einem für japanische Verhältnisse fast schon hysterischen Akt wird reagiert. Im April, so schreiben übereinstimmend mehrere japanische Zeitungen, wird Konzernchef Watanabe abgelöst. An seine Stelle könnte dann der bisheriger Stellvertreter Akio Toyoda rücken, ein Urenkel des legendären Firmengründers Kiichiro Toyoda.

Die Familie übernimmt einen Autogiganten auf dem Krankenbett. Einen Konzern, dem seine Erfolge der Vergangenheit heute zur schweren Bürde werden. In den letzten Jahren ist Toyota rasant gewachsen. Seit 2002 hat das Unternehmen seinen Jahresumsatz von damals 120 Milliarden Dollar nahezu verdoppelt. Der Gewinn stieg im selben Zeitraum von 4,9 Milliarden Dollar sogar auf 15 Milliarden - Toyota war ein Konzern auf der Überholspur.

Im Sommer 2008 überrundete der Hersteller sogar den bisherigen Absatz-Spitzenreiter General Motors. Inzwischen leidet die gesamte Branche unter einem Absatzeinbruch von über zehn Prozent - und auch der Marktführer hat Probleme, seine Fabriken auszulasten.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum die spritsparenden Hybridautos besser fürs Prestige als für die Konzernbilanz sind - und wie der starke Yen den Toyota-Konzern belastet.

Nichts ist unmöglich

Dazu hat auch der Ruf, Autos mit hoher Qualität zu produzieren, gelitten. Verschiedene Rückrufaktionen - mal funktionierte die Lenkung nicht, mal waren die Abdeckungen der Rücklichter defekt - kratzten in den vergangenen Jahren am Ruf des Qualitätsführers. "Bei der Qualität hat die Konkurrenz inzwischen aufgeholt", sagt Jürgen Pieper, Analyst des Frankfurter Bankhauses Metzler.

Der scheinbar krisensichere Konzern ist bequem geworden. Das wichtige Nordamerika-Geschäft lief auch ohne großes Zutun, denn die dortige Konkurrenz hatte zuletzt vor allem mit eigenen Schwächen zu kämpfen. General Motors, Ford und Chrysler waren keine starken Kontrahenten für die Japaner, sagt Analyst Pieper. "Das hat zu einer gewissen Überheblichkeit geführt."

Nicht einmal die spritsparenden Hybridautos, für die der Konzern in der Branche neidisch beäugt wird, helfen Toyota. Denn davon werden einfach zu wenige verkauft. So sind die umweltfreundlichen Wagen allenfalls gut fürs Prestige, nicht jedoch für die Konzernbilanz. Vom Vorzeigeauto Prius, im Jahr 2005 von europäischen Auto-Journalisten zum Auto des Jahres gewählt, wurden zwischen Januar und Dezember 2008 weltweit gerade einmal 269.000 Stück verkauft - bei einem Gesamtabsatz von 8,96 Millionen Fahrzeugen macht das einen geradezu mickrigen Anteil von drei Prozent. "Mehr Schein als Sein", sagt der Frankfurter Analyst Pieper zu dem Phänomen. Toyota habe sich geschickt als Hersteller umweltfreundlicher Kleinwagen verkauft - in Wirklichkeit hat der Konzern immer auch auf Spritfresser gesetzt.

Etwa auf den Supertruck Tundra, einen sperrigen, bulligen Pick-up, angetrieben von einem durstigen V8-Motor. Oder den kleineren Bruder Tacoma, der in den Vereinigten Staaten bereits für 15.000 Dollar verkauft wird - zum gleichen Preis gibt es auch den Kompaktwagen Corolla.

Hoffen auf iQ

Auch der erstarkte Yen macht den exportabhängigen Japanern zu schaffen. Während vor einem Jahr ein Dollar noch 113 Yen ergab, sind es heute nur noch 90. Experten gehen davon aus, dass jede Festigung der japanischen Währung zum Dollar um nur einen Yen Toyotas Betriebsgewinn um rund 40 Milliarden Yen (317 Millionen Euro) sinken lässt.

Mit dem Mini-Auto iQ hofft Toyota nun auf ein Erfolgsmodell. Der als "kleinster Viersitzer der Welt" gepriesene Kleinwagen soll von Ende Januar an in Deutschland dem Smart Konkurrenz bieten. Auch ein Kostensenkungsprogramm wird aufgesetzt. Die Investitionsausgaben sollen im nächsten Geschäftsjahr um rund 30 Prozent gedrückt werden, zudem wollen die Japaner ihre Fixkosten um zehn Prozent senken und die Bonus-Zahlungen für das Management für das aktuelle Geschäftsjahr streichen.

Doch Toyota wäre nicht Toyota, wenn das Untenehmen nicht auch beim Sparen auf kleinste Details achten würde: Zur Senkung der Kosten wurden im Büro in Nagoya kurzerhand die elektrischen Händetrockner stillgelegt.

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