Toxische Kreditpapiere der Bank Morgan Stanley:"Shitbag" im Angebot

Die Namenssuche für ein toxisches Kreditpaket trieb Mitarbeiter der US-Bank Morgan Stanley zu kreativen Höchstleistungen: Wie nun herauskommt, reichten die Vorschläge von Namen von Shakespeare-Mimen bis hin zu Fäkalausdrücken. Genau diese Papiere waren dann mitverantwortlich für die Finanzkrise. Heute findet die Bank das selbst nicht mehr lustig.

Von Benjamin Romberg und Jannis Brühl

"Ist hier irgendwer kreativ?", fragt ein Mitarbeiter von Morgan Stanley am 16. März 2007 seine Kollegen per Mail. Gesucht ist der Name für ein Paket mit toxischen Papieren, das die US-Großbank loswerden will, solange die Öffentlichkeit noch nichts von der Gefahr weiß. Wenige Monate später sollten genau diese Papiere eine zentrale Rolle im Chaos der Finanzkrise spielen.

Und dann geht es los. "Hitman" könne man das Ding doch taufen, schlägt einer vor. Nein, "Burbage", der Name eines Schauspielkollegen von Shakespeare, wäre doch netter, findet ein anderer, und hebt damit das Niveau der Diskussion für einen kurzen Moment, bevor es endgültig abstürzt.

Dann nämlich meldet sich Philip Blumberg zu Wort. Er ist zu dieser Zeit Anwalt bei Morgan Stanley und hat gleich mehrere Namensvorschläge auf Lager: "Wie wäre es mit Nuclear Holocaust?", fragt er. "Mike Tyson's Punchout" und "Subprime Meltdown" (etwa: "Kernschmelze der Ramschkredite") lauten weitere Ideen. Oder einfach nur "Shitbag"? Nachzulesen ist der Mailverkehr in internen Dokumenten, die der Journalist Jesse Eisinger im investigativen Recherche-Portal Pro Publica veröffentlicht hat.

Diese Dokumente sind im Rahmen eines Gerichtsprozesses öffentlich geworden. Dabei klagt eine taiwanesische Bank gegen Morgan Stanley, weil sie den Amerikanern einen Teil der giftigen Papiere abgekauft und nach eigenen Angaben dabei Geld verloren hat. Auch ein Institut aus China war damals beteiligt.

"Ein richtig beschissener Deal"

Die Kläger sind sauer, denn die Papiere sind tatsächlich extrem gefährlich. Kurz vor dem Ausbruch der US-Immobilienkrise, als klar wurde, dass viele Hausbesitzer ihre Kredite nicht zurückzahlen können, wussten einige Banken bereits um den Ernst der Lage. Sie versuchten, ihren Giftmüll noch unwissenden Kunden aufzuschwatzen. Der Giftmüll, das waren komplexe Finanzprodukte (CDOs), in denen die Konstrukteure der Investment-Abteilungen verbriefte Hypothekenkredite bündelten. Dank der guten Noten, mit denen Ratingagenturen die CDOs versehen hatten, glaubten Kunden an deren Stabilität. Doch als der Häusermarkt 2007 und 2008 zusammenbrach, wurden sie wertlos.

Unter denen, die darauf reinfielen, waren auch deutsche Landesbanken, damals in der Branche als "stupid Germans" verhöhnt. Die abfälligen Bemerkungen der Morgan-Stanley-Mitarbeiter erinnern an eine berüchtigte interne E-Mail des Goldman-Sachs-Bankers Thomas Montag. Er hatte den CDO "Timberwolf" als "richtig beschissenen Deal" bezeichnet.

Goldmans komplizierte Wette auf Hypotheken galt den Senatoren im US-Kongress bei einer Anhörung über Investmentbanken 2010 als Paradebeispiel für verbriefte Müll-Schulden, die Banken Kunden als Top-Anlage andrehten. Wegen dem "Timberwolf"-Deal wird gegen Goldman Sachs ermittelt.

"Klägliches Bemühen um Humor"

Morgan Stanley ist wegen seiner Rolle in der Finanzkrise berüchtigt. Der Händler Howard Hubler gilt als verantwortlich für den größten Handelsverlust, den eine Investmentbank je erlitten hat: neun Milliarden Dollar. Er wettete gegen den Immobilienmarkt und sicherte diese Wetten wiederum mit noch riskanteren Wetten ab - bis der Markt kollabierte und er die Kontrolle über die Geschäfte verlor. Der Autor Michael Lewis hat ihn in seinem Buch The Big Short verewigt - als einen der skrupellosesten Zocker, einen der Bösewichte der Krise.

Im aktuellen Fall kann Morgan Stanley den Ärger der Kläger eigenen Aussagen zufolge nicht verstehen. Die Käufer seien erfahrene Kunden, sie hätten wissen können, was tatsächlich auf dem sogenannten Subprime-Markt passierte.

Außerdem verteidigt sich die Bank mit dem Argument, dass sie schließlich selbst viel Geld mit ähnlichen Krediten verloren habe. Der Wertverlust traf am Ende praktisch alle, die mit den Papieren handelten. Wenn die Verantwortlichen bei Morgan Stanley gewusst hätten, wie wertlos die Papiere waren, die sie nach Taiwan verkauften, dann wäre so etwas doch nicht passiert.

Jason C. Davis, den Anwalt der taiwanesischen Bank, nerven diese Rechtfertigungen: "Während Investoren und Steuerzahler weltweit immer noch an den toxischen Subprime-Produkten der Wall Street ersticken, wurde bis heute kein einziges der hohen Tiere an der Wall Street für sein Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen", zitiert ihn Journalist Eisinger.

Blumberg und ein weiterer Morgan-Stanley-Mitarbeiter, der in den fragwürdigen Schriftverkehr verwickelt war, arbeiten inzwischen beim Konkurrenten JPMorgan. Sie wollten die Nachrichten nicht kommentieren. Morgan Stanley verurteilt den Mailverkehr in einem Statement als "unangemessene Sprache" und "klägliches Bemühen um Humor".

Von wenig Humor zeugt übrigens auch der Titel, den das giftige Kreditpaket am Ende tatsächlich erhielt. So kreativ die Banker bei der Namenssuche waren, so konservativ war das Ergebnis: Das 500 Millionen Dollar schwere Kreditbündel, um das es im aktuellen Gerichtsstreit geht, heißt: "Stack 2006-1" (Stapel 2006-1).

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