Tourismus:Keine Reisen, keine Jobs

Der größte Anbieter Tui leidet sehr unter der Krise und baut 8000 Jobs ab, mehr als jede zehnte Stelle. Auch das wird wohl nicht reichen.

Von Caspar Busse

Noch im vergangenen Herbst war Friedrich Joussen, 57, sehr zuversichtlich. Tui, der weltweit größte Reiseanbieter, werde weiter wachsen und dabei auch von der Insolvenz des Konkurrenten Thomas Cook profitieren. "Wenn ein großer Wettbewerber ausscheidet, ist das für die anderen immer eine Chance, da braucht man nicht drumherum zu reden", sagte Joussen, seit 2013 Vorstandsvorsitzender, im Oktober. Doch dann kam das neue Jahr und mit ihm die Corona-Epidemie, die vor allem die Reiseindustrie in ihre bisher größte Krise stürzte. An diesem Mittwoch nun musste Joussen den Abbau von rund 8000 Jobs weltweit verkünden. "Kein Geschäft, kein Umsatz" sei die Ausgangslage jetzt, sagte Joussen. Die Nachfrage nach Urlaub sei zwar sehr hoch, aber die Kunden zögerten wegen der Unsicherheit durch die Pandemie mit Buchungen. Vom Sommerprogramm seien erst 35 Prozent verkauft. Wie es weitergeht, ist völlig offen. "Wir brauchen jetzt die Öffnung der Grenzen", forderte der Tui-Chef.

Die Zahlen sind zumindest verheerend. Im ersten Halbjahr machte Tui einen operativen Verlust von knapp 829 Millionen Euro, 175 Prozent mehr als im Vorjahr, vor allem weil die Buchungen einbrachen und den Kunden Geld für stornierte Reisen erstattet wurde. Der Umsatz lag mit 6,4 Milliarden Euro nur knapp unter Vorjahr, dürfte aber im Verlauf des Jahres nach unten gehen. Die Lage ist ernst. Tui besorgte sich bereits als erstes deutsche Großunternehmen einen staatlich verbürgten KfW-Kredit, um durch die Krise zu kommen. Bedrohlich ist insbesondere der Abfluss von Liquidität, wenn die Kunden ihr Geld zurückerstattet bekommen. "Die gesamte Industrie läuft Gefahr zusammenzubrechen", warnte Joussen.

Insgesamt 70 000 Stellen hat Tui, nun soll mehr als jede zehnte wegfallen. Die Belegschaft an den Reisezielen werde dabei stärker betroffen sein als der Heimatstandort Deutschland. Noch stärker als die Personal- sollen die Verwaltungskosten sinken, nämlich um 30 Prozent. "Wir müssen Tui anders gestalten - schlanker, schneller und weniger kapitalintensiv." Tui hat derzeit mehr als 400 eigene Hotels und Ressorts, dazu Fluggesellschaften mit insgesamt 150 Flugzeugen und 18 Kreuzfahrtschiffe, der Konzern macht viel selbst, damit auch die Wertschöpfung im Unternehmen bleibt. Doch das könnte sich nun ändern. Alle Vermögenswerte sollen "ohne Denkverbote" auf den Prüfstand gestellt werden, hieß es jetzt. Das klingt nach Trennungen in großem Stil. Das Unternehmen werde die Infrastruktur künftig stärker leasen, statt sie zu besitzen. Von den Fluggesellschaften soll aber keine komplett verkauft werden.

Auch andere Touristikunternehmen leiden, FTI wurde bereits übernommen, die Ferienfluglinie Condor braucht einen neuen Staatskredit, um überhaupt weiter fliegen zu können. Die vielen kleinen und unabhängigen Reisebüros kämpfen ebenso. Am Mittwoch wurde demonstriert, die Industrie fordert einen Tourismusgipfel im Bundeskanzleramt. "Reisen verbindet Menschen und Völker, und das brauchen wir in diesen unruhigen Zeiten. Nur wenn Sie andere Kulturen kennenlernen, entdecken Sie Gemeinsamkeiten", sagte Joussen im Oktober. Aber das ist nicht möglich, vielleicht für längere Zeit.

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