Top-50-Unternehmen der Welt:Neuer Kurs Nüchternheit

Umsatzeinbrüche, Kursverluste und Entlassungen: Das lange Warten auf den Konjunkturaufschwung in Amerika, Europa, und Asien.

Von Marc Beise

(SZ vom 31.07.2003) — Das Jahr haken wir ab, heißt es heute in vielen Unternehmen. Nachdem noch im Jahr 2002 von Quartal zu Quartal mit besseren Zeiten gerechnet worden war, ist für die meisten Firmen mittlerweile klar, dass im laufenden Jahr keine großen Sprünge mehr möglich sind. Mutige erwarten für die zweite Jahreshälfte eine leichte Belebung, aber realistischerweise kann erst für 2004 mit einem deutlichen Wachstumsschub gerechnet werden. Mit Prognosen halten sich die Unternehmen auffällig zurück, schwer wiegt der Vertrauensverlust durch manche großsprecherische Ankündigung in den Vorjahren, die 2002 dann bitter konterkariert wurden.

Missmut nur teilweise berechtigt

Der allgemeine Missmut ist nur noch teilweise berechtigt. Denn bei Lichte besehen geht es vielen Unternehmen heute bereits wieder deutlich besser als 2002 - dem Jahr der verhagelten Bilanzen. Nachdem nun alle Daten des vergangenen Jahres vorliegen und ausgewertet sind, präsentiert die Süddeutsche Zeitung wie jeden Sommer die Firmenrangliste für Deutschland und die Welt. In der Summe handelt es sich um eine Bilanz des Schreckens.

Jahr der Rückschläge: Dramatisch anzusehen ist der Niedergang des Börsenwertes, der nach 2001 erneut fast allen gelisteten Unternehmen ein dickes Minus beschert hat; für die großen und kleinen Anleger war es eine (Buch-)Geldvernichtung gigantischen Ausmaßes. Aber auch der Umsatz, eine für die Bewertung der Qualität des Unternehmens handfestere Größe, ging vielfach zurück. Beim Ergebnis sieht das Bild mitunter günstiger aus. Doch darf der Beobachter sich von den entsprechenden Zahlen nicht täuschen lassen. Ergebnis und Überschuss lassen sich - in voller Übereinstimmung mit den Regeln - vielfältig gestalten, und manche Finanzvorstände haben diese Kunst zu großer Perfektion entwickelt.

Geschminkte Bilanzen

Dass Bilanzen immer schwerer zu lesen und zu durchschauen sind, ist die Folge auch der im Wandel befindlichen Buchführung. Immer komplizierter sind in den vergangenen Jahren im Zeichen von Globalisierung und moderner Bilanzierungstheorien die international verhandelten Methoden zur Berechnung des Gewinns geworden. Weit vorangeschritten ist die Umstellung vom guten alten Handelsgesetzbuch (HGB) zu den internationalen Standards. Viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeiten offensiv.

Dass beispielsweise DaimlerChrysler in den Listen als das deutsche Unternehmen mit den höchsten Jahresüberschüssen verzeichnet ist, obwohl der einzige globale Konzern mit Sitz in Deutschland bekanntermaßen schwer zu kämpfen hat, erklärt sich auch durch eine geschickte Buchführung. Das ausgewiesene Konzernergebnis von 4,7 Milliarden Euro ist untypisch aufgeblasen durch den Verkauf von 49,9 Prozent an T-Systems (früher Debis Systemhaus) sowie der 40-Prozent-Beteiligung an Temic. Diese Verkäufe brachten 2,6 Milliarden Euro. Immerhin sind die Sanierungskosten für den amerikanischen Chrysler-Konzernteil einbezogen.

Jahr der Abschiede: Vergleichsweise wenig Spielraum zur Kosmetik bietet die Zahl der Beschäftigten. Sie ist in vielen Konzernen massiv zurückgegangen: Massenentlassungen bei den Konzernen, kontinuierlicher Personalabbau bei den kleineren Unternehmen. Auch im Management gab es Veränderungen. Die meisten der Gefeuerten fielen dank großzügigster Abfindungsregelungen weich. Gestürzt wurden Medienstars wie Ron Sommer (Telekom) und Thomas Middelhoff (Bertelsmann). Weniger schillernd, aber um so mächtiger war Allianz-Chef Schulte-Noelle, der überraschend und freiwillig den Abschied ankündigte, um dem gebeutelten Unternehmen mit verjüngter Spitze einen Neuanfang zu erleichtern. Wieder andere konnten ihren Abgang planmäßig inszenieren: In der Strombranche wurde im Jahr 2002 ein beispielloser Wechsel vorbereitet. Top-Manager wie Eon-Chef Ulrich Hartmann, RWE-Chef Dietmar Kuhnt, und Gerhard Goll, Vorstandsvorsitzender EnBW, verabschiedeten sich, neue Gesichter sollen die Konzerne in den kommenden Jahren prägen.

Neuer Führungsstil

Insgesamt ist in den Chefetagen eine neue Nüchternheit auszumachen, für die exemplarisch der Chef des immer noch mit Abstand größten deutschen Konzerns, die Telekom AG in Bonn, steht: Kai-Uwe Ricke hat dem Unternehmen einen neuen Führungsstil beschert. Eine alte Regel findet neue Beachtung: Medienstars taugen nur in erfolgreichen Zeiten, in schlechten Jahren zählt allein die Leistung - die besser im Verborgenen und mit einer gewissen Bescheidenheit erbracht wird.

Mit Jürgen Schrempp hält sich einer der letzten exponierten Wachstumsprediger vergangener Boomjahre im Amt. Erfolgreicher sind die stillen Macher beim Konkurrenten BMW, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind und auch nicht sein wollen. Die bayerische Premiummarke liegt vom Umsatz her noch immer weit hinter DaimlerChrysler, hat es jetzt aber mit einem Umsatzsprung von knapp 30 Prozent (in Dollar gerechnet) unter die 50 größten Unternehmen der Welt geschafft.

Jahr der Neuausrichtung: In Ermangelung großer Zuwachspotentiale konzentrierten sich die Unternehmen auf die Restrukturierung. Einfallslose Manager verstanden darunter nur Personalabbau. Weitsichtigere Köpfe widmeten sich der qualifizierten Neuorganisation. Obwohl der Merger & Acquisitions-Markt, also das große Fusionsspiel, gesamtwirtschaftlich stark an Bedeutung verloren hat, wurde in einigen Branchen massiv umgebaut.

Anderes Profil

Beispiel Eon: In der Hitliste 2002 ist der Energieriese als Verlierer verzeichnet: In Deutschland von Platz 4 auf Platz 10, weltweit ist er gar aus der Liste der 50 Größten herausgefallen (Vorjahr: Platz 24). Grund: Nach der Fusion von Veba und Viag und im Vorfeld des Kaufs von Ruhrgas hat sich Eon von zahlreichen Beteiligungen getrennt: Veba Oel ging an Aral, die Spedition Stinnes an die Bahn, der Verpackungshersteller Schmalbach-Lubeca wurde zu Bell Packaging Europe. Zugleich hat Eon im Kerngebiet zugekauft - und sich ein neues Profil geschaffen, das sich in den kommenden Jahren auszahlen soll.

Bei den Banken und Versicherungen (die in einer eigenen Folge 2 der SZ-Serie in der kommenden Woche behandelt werden) fällt ein neuer Name auf: Eurohypo, der Zusammenschluss der Hypothekenbanken der drei Frankfurter Privatbanken Deutsche, Dresdner und Commerzbank. Ein Beispiel für die wachsende Zusammenarbeit in einer Branche, die das schlechteste Jahr der Nachkriegsgeschichte zu verzeichnen hat. Die HypoVereinsbank beziehungsweise ihre Vorgängerin, die Vereinsbank, hat zum ersten Mal seit Kriegsende einen Verlust ausgewiesen.

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