„Wissen Sie, Ich habe einen Platz in meinem Herzen für Tiktok.“ Was bedeutet es, wenn Donald Trump das sagt? Kann das soziale Netzwerk, das sich in der Hand des chinesischen Unternehmens Bytedance befindet, nun damit rechnen, dem drohenden Bann in den USA doch noch zu entgehen? Wird sich der neue US-Präsident dafür einsetzen, dass die vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen genutzte Videoplattform, auf dem amerikanischen Markt weiter präsent sein kann? Oder ist, wie so oft wie Trump, sicher, dass gar nichts sicher ist?
Dem Satz mit dem Herzen sagte Trump Anfang dieser Woche, wenige Stunden bevor er Tiktok-Chef Shou Chew in seinem Anwesen in Mar-a-Lago in Florida empfing. Was die beiden Herren in Florida hinter verschlossenen Türen genau besprochen haben, ist unklar. Weder Trump noch Tiktok äußerten sich anschließend dazu.Die Lage für die Plattform ist eigentlich sehr prekär. Bis zum 19. Januar, dem letzten Tag der Amtszeit des bisherigen Präsidenten Joe Biden, muss Tiktok den Besitzer wechseln. Das sieht ein im April dieses Jahres erlassenes Gesetz vor. Erfolgt der Verkauf nicht, würde Tiktok in den USA gesperrt und die App aus sämtlichen Online-Stores verbannt.
Vergangene Woche war Tiktok vor einem Berufungsgericht mit einer Klage gegen das Gesetz gescheitert. Um ein drohendes Aus zu verhindern, zieht Tiktok nun vor das höchste Gericht der Vereinigten Staaten. Was die Betreiber der Video-App per Eilantrag am Supreme Court erreichen wollen, ist ein Aufschub. Denn: Biden kann die Frist noch um drei Monate verlängern – allerdings nur, wenn es bis dahin aussichtsreiche Verkaufsverhandlungen gibt.
Bisher gibt es jedoch keine Anzeichen, dass der Tiktok-Mutterkonzern Bytedance einen Eigentümerwechsel anstrebt. Fachleute rechnen damit, dass Bytedance Tiktok in den USA im Zweifel lieber abschalten als verkaufen würde. In der Klageschrift, die Bytedance beim Supreme Court eingereicht hat, heißt es, dass die Regierung in Peking insbesondere einen Verkauf der in China entwickelten Empfehlungssoftware verbieten wolle. Sie sei der Kern der App. Der Algorithmus entscheidet, welches Video den Nutzerinnen und Nutzern als Nächstes angezeigt wird.
Die bisherige US-Regierung begründet das Vorgehen gegen Tiktok mit Sicherheitsinteressen. Im Gesetz wird auf das Risiko verwiesen, dass die chinesische Regierung sich über die Plattform Zugriff auf die persönlichen Daten von Amerikanern verschaffen und etwa die öffentliche Meinung im Land beeinflussen könnte.
EU eröffnet Verfahren gegen Tiktok wegen Verdacht der Manipulation bei rumänischer Präsidentenwahl
Auch in vielen anderen Ländern steht Tiktok unter Spionageverdacht. Die Europäische Kommission hat am Dienstag ein Verfahren gegen Tiktok eröffnet. Es geht um den Verdacht der Manipulation der Präsidentenwahl in Rumänien. Diese fand am 24. Novermber statt, wurde jedoch knapp zwei Wochen später annuliert. Der Verdacht: Ein „aggressiver hybrider Angriff“ Russlands“, wie das rumänische Verfassungsgericht mitteilte. Die EU will in diesem Zusammenhang prüfen, ob Tiktok ausreichend gegen Akteure vorgeht, die gezielt politische Wahlen in einem bestimmten Staat zu manipulieren versuchen. Wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt, prüft die EU außerdem, wie Tiktok mit politischer Werbung und bezahlten politischen Inhalten umgeht.
Social-Media-Plattformen wie Tiktok, Instagram, X oder Google müssen nach sogenannten Digital Services Act der EU sorgfältiger und strenger als bisher gegen illegale Inhalte im Netz vorgehen. Andernfalls drohen ihnen hohe Strafen.
In den USA hat Tiktok nach eigenen Angaben 170 Millionen Nutzer, das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung. Der Tiktok-Mutterkonzern Bytedance wird in den USA sowohl von Demokraten als auch von Republikanern als chinesisches Unternehmen betrachtet. Tiktok kontert, Bytedance sei zu knapp 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren. Allerdings betonen US-Politiker, dass der chinesische Gründer dank höherer Stimmrechte bei einem Anteil von rund 20 Prozent die Kontrolle habe und das Hauptquartier von Bytedance in Peking sei, wo man sich dem Einfluss der chinesischen Behörden nicht entziehen könne.
Im US-Wahlkampf war Tiktok ein wichtiges Medium. Junge Menschen nutzen die Video-App nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch, um sich über Politik zu informieren. Im Vergleich zur Wahl 2020 konnte Trump in der jungen Altersgruppe deutlich zulegen – das erklärt womöglich auch, dass er seine Haltung zu Tiktok geändert hat. In seiner ersten Amtszeit wollte Trump, ähnlich wie Biden später, gerichtlich einen Verkauf der App erwirken. Schon im Wahlkampf schlug er andere Töne an und sprach sich gegen ein Tiktok-Verbot aus. Und jetzt empfing er den Tiktok-Chef in seiner Villa in Florida.
Trump selbst kann das Gesetz nicht außer Kraft setzen, noch ist er ja nicht im Amt. Allerdings würde es dem Justizministerium seiner neuen Regierung zufallen, die Ausführung des Gesetzes zu überwachen. Dass diese Überwachung nicht allzu streng verlaufen wird, darauf setzt die Plattform wohl.
Trump und die Republikaner sind indes nicht alleine mit ihrem Ansinnen, Tiktok möglichst milde zu behandeln. Eine Gruppe von Content-Creatorn, also jenen Influencern und Produzenten, die sich auf Tiktok präsentieren und ihre Videos einstellen, bittet ebenfalls darum, das neue Gesetz auszusetzen. Für sie ist es die Grundlage ihrer Existenz.
Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa