Schweinefleisch:Tierwohllabel kommt, aber in abgespeckter Form

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Das neue staatliche Label soll verpflichtend werden für unverarbeitetes Fleisch von Mastschweinen in Deutschland. (Foto: Harald Tittel/dpa)

Wer im Supermarkt Schweinefleisch kauft, soll künftig auf den ersten Blick erkennen können, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden - und zwar per Aufkleber. Doch viele Details sind noch offen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sieben Jahre lang gab es Zank, zwei Bundesregierungen sind daran gescheitert. Jetzt soll ein staatliches Siegel für Schweinefleisch kommen, das darüber informiert, wie die Tiere gehalten wurden. Agrarpolitiker der Koalition haben sich nach langer Blockade im Bundestag auf einen Kompromiss verständigt. Das sogenannte Tierwohllabel kommt voran, wenn auch in etwas abgespeckter Form.

"Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Interesse an einer verlässlichen und nachvollziehbaren Kennzeichnung", heißt es in einem Papier der Koalitionsparteien, das der SZ vorliegt. Wer im Supermarkt unverarbeitetes Schweinefleisch kauft, soll künftig auf den ersten Blick erkennen können, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Und zwar per Aufkleber.

Wurden beispielsweise nur die gesetzlichen Mindestanforderungen eingehalten, gilt die unterste Kategorie: "Stall". Stufe zwei, "Stall + Platz" setzt eine gewisse Abwechslung für die Tiere voraus und etwas mehr Platz. Stufe drei, der "Frischluftstall", soll es den Tieren zudem möglich machen, einen Temperatur- oder Wetterwechsel zu erleben. Stufe vier, die künftig "Auslauf/Weide" heißen soll, setzt eine erreichbare Außenfläche voraus. Als tierfreundlichste und oberste Kategorie gilt die Kennzeichnung "Bio".

Was nach einem simplen Stufenplan klingt, hat wütende Proteste provoziert. Wer Tieren mehr Raum gebe, erleide erhebliche Gewinneinbußen, warnte der Deutsche Bauernverband. Es gebe auch schon ein Fleischsiegel der privatwirtschaftlichen Initiative Tierwohl, protestierten Fleischhersteller. Die bisherige Kennzeichnung allerdings war freiwillig. Das neue staatliche Label soll verpflichtend werden für unverarbeitetes Fleisch von Mastschweinen in Deutschland. Eine Regelung für Zuchteber, Muttersauen und Ferkel soll folgen.

Eine Milliarde Euro für vier Jahre hat der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Betrieben zugesagt, die ihren Schweinen mehr Platz geben. Ein Anfang sei das nur, aber immerhin. Wer umbaut oder weniger Tiere besser hält, soll künftig finanzielle Unterstützung bekommen. Auch für höhere Betriebskosten. Wofür genau wie viel gezahlt wird, lässt der jüngste Kompromiss offen. Gebastelt wird auch noch an der Änderung des Baugesetzes. Anders als bisher soll es möglich werden, beim tierfreundlichen Umbau von Ställen die Grundfläche zu vergrößern. Die Tierzahl müsste sich dann nicht zwingend reduzieren.

"Das Gesetz schafft Transparenz", sagt die frühere Verbraucherschutzministerin

Gestritten haben SPD, Grüne und FDP bis zuletzt über die Haltungsstufe zwei des Siegels: "Stall + Platz". Die Grünen wollten ursprünglich, dass Schweine in dieser Kategorie 20 Prozent mehr Platz haben müssen als vorgeschrieben. Die FDP hielt dagegen. "Wenn die Hürden zu hoch wären, würden in einer unsicheren Gesamtlage nicht genug Betriebe in einen Umbau ihrer Ställe investieren", sagte der landwirtschaftliche Sprecher der FDP, Gero Hocker. Am Ende haben sie sich auf 12,5 Prozent mehr Platz geeinigt.

Der Entwurf des neuen Tierwohllabels. (Foto: Entwurf Bundesregierung)

"Stall+Platz", das sei wohl eher "Stall+Placebo", spottete die Deutsche Umwelthilfe. Begrüßt wurde hier aber, dass die Kategorie "Auslauf/Freiland" künftig "Auslauf/Weide" heißen soll, also etwas konkreter. Grüne und SPD verbuchen auch als Erfolg, dass es in der Kategorie "Frischluftstall" künftig mehr Spielmöglichkeiten, Stroh und Raufutter geben muss. Die oberste Kategorie "Bio" bleibt demnach erhalten. Das war umstritten. Kritiker hatten eingewandt, mehr Platz sorgen nicht notwendig für gesündere Tiere. Der Begriff "Bio" sei hier irreführend.

Die frühere Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) begrüßte die Ergebnisse. "Das Gesetz schafft Transparenz und fairen Wettbewerb für Bäuerinnen und Bauern, die ihren Tieren schon jetzt mehr Platz geben." Deutschland werde damit zum "Flaggschiff" in Europa. Zurückhaltender äußerte sich Gero Hocker von der FDP. Die Tierhaltungskennzeichnung sei gut, aber nur "ein erster von mehreren Bausteinen". Auch im Baurecht müssten noch "Hausaufgaben" gemacht werden. Betriebe, die zu Investitionen bereits seien, müssten "eine Zusicherung erhalten, dass die Anforderungen nicht in sechs Monaten erneut verschärft werden". Ende der Debatte? Eher nicht.

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