Berlin (dpa/bb) - Für Vögel in Berlin ist die Versiegelung von Flächen dem Ornithologen Frank Sieste zufolge derzeit die größte Bedrohung. „Wenn wir weiterhin alles zubauen, hat das mehr Einfluss auf die Tiere als der Klimawandel“, sagte der Experte der Deutschen Presse-Agentur. Sieste ist seit vielen Jahren ehrenamtlich beim Naturschutzbund (Nabu) Berlin tätig. Weil immer mehr Flächen zugebaut würden, werde der Lebensraum von Vögeln in der Stadt immer kleiner. Es fehle ihnen an Möglichkeiten, um ihre Nester zu bauen und sich auszuruhen. Doch ohne Brutgebiete sei die Existenz vieler Arten bedroht.
Sieste zufolge gibt es etwa immer weniger Brachpieper, Steinschmätzer und Flussregenpfeifer in Berlin, aber auch generell in Deutschland. Das seien Arten, die auf Flächen leben, die sich selbst überlassen werden; ohne großes Zutun von Menschen. „Deshalb ist es wichtig, die vielen Lebensräume, die großen Parkanlagen, aber auch die Waldgebiete und vor allen Dingen die Brachflächen in Berlin zumindest teilweise zu erhalten“, sagte der Ornithologe. Das können zum Beispiel Flächen am Straßenrand, an Bahnhöfen oder auf Baustellen sein. In Berlin zählten dazu auch Bereiche auf den ehemaligen Flughafen-Arealen in Tegel, Tempelhof, Johannisthal und Gatow.
Weniger Sorgen macht sich Sieste hingegen darum, dass die Vögel in Berlin nicht mehr genug Nahrung finden könnten. In der Hauptstadt gebe es relativ viele Blühpflanzen, die nicht mit Gift besprüht würden. „Deshalb haben wir in Berlin noch relativ viele Insekten“ - im Gegensatz zu vielen ländlichen Regionen, in denen deren Zahl durch die intensive Landwirtschaft stark zurückgehe. Aus der Sicht des Ornithologen ist es daher auch nicht notwendig, zusätzlich Vogelfutter für die Tiere auszulegen.
Für Berlin bekannte Vogelarten seien der Haussperling, allgemein als Spatz bekannt, und die Nachtigall. Durch den Klimawandel und steigende Temperaturen gebe es außerdem neue oder seltene Vogelarten, die in die Hauptstadt kämen. Zum Beispiel der Silberreiher oder der wärmeliebende Wiedehopf, dessen Kopffedern wie ein Irokese aussehen. „Das ist ein ganz seltener Brutvogel, der in Berlin eigentlich als ausgestorben galt.“
Wenn Menschen in der Stadt Wildvögeln etwas Gutes tun möchten, sind Sieste zufolge gute Niststätten entscheidend. Für höhlenbrütende Arten wie Mauersegler, Sperling oder Meise sei es daher bei Neubauten oder Sanierungen wichtig, Niststeine ins Mauerwerk einzubauen. Das sind Mauersteine, die an der Seite ein Loch haben, in das Vögel ihre Nester bauen können. „Das ist ein guter Weg, damit bestimmte Vogelarten nicht weiter abnehmen.“ Denn der Lebensraum Stadt sei weltweit der einzige, der weiterhin wachse - damit nehme auch seine Bedeutung für Vögel zu.
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