Eigentlich wollte die Bundesregierung den Einsatz von Antibiotika in Tierställen deutlich reduzieren. Gelungen ist ihr das jedoch nur zum Teil. Das geht aus einem internen Bericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor, der NDR und SZ vorliegt. Er zeigt: Am hohen Einsatz von Antibiotika in der Hühner- und Putenhaltung sowie in der Kälbermast hat sich in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert. Damit hat die Bundesregierung ihr Ziel verfehlt, das sie sich mit einer Reform des Arzneimittelgesetzes vor fünf Jahren gesetzt hatte.
Die neuen Gesetze haben dem Bewertungsbericht zufolge nicht bei allen Tierarten wie gewünscht gegriffen. Während bei Schweinen und Ferkeln der Einsatz innerhalb von drei Jahren deutlich sank - um mehr als 40 Prozent - verbesserte sich bei Hühnern, Puten und Kälbern kaum etwas. Die Verbrauchsmengen blieben hier "nahezu unverändert", stellt der Bericht fest. Beim Geflügel habe die beobachtete Entwicklung "nicht die an das Antibiotikaminimierungskonzept gestellte Erwartung" erfüllt, schreibt das Ministerium. Die Gründe hierfür ließen sich aus den vorliegenden Daten nicht ermitteln und bedürften weiterer Untersuchung.
Multiresistete Keime:Krankheitserreger am Badestrand
Biologen haben in deutschen Seen und Flüssen Keime entdeckt, die gegen Antibiotika resistent sind und dem Menschen gefährlich werden können. Möglicherweise gelangten sie aus Ställen in die Gewässer.
Auffällig ist, dass die Halter von Hühnern und Puten zwar weniger Antibiotika-Einsätze melden, die insgesamt verabreichte Menge der Medikamente jedoch nicht gesunken ist. Deshalb geht das Ministerium davon aus, dass ein Mittel neuerdings erheblich höher dosiert wird. Hierbei handelt es sich um Colistin, das sehr oft in der Hühner- und Putenmast verwendet wird. Ärzte kritisieren den Einsatz dieses Mittels bei Tieren grundsätzlich, da es immer häufiger als letzte verbleibende Reserve für lebensbedrohlich erkrankte Menschen gilt.
In dem Bericht des Landwirtschaftsministeriums heißt es nun, dass dieses Antibiotikum "insbesondere bei Masthühnern erheblich höher dosiert angewendet wird, als in den Zulassungsbedingungen vorgesehen". Insgesamt gehört nach wie vor knapp die Hälfte der beim Geflügel eingesetzten Mengen an Antibiotika - wie Colistin - zu den kritischen Wirkstoffen, auch als Reserve-Antibiotika bezeichnet. Sie wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO als besonders wichtig für die Behandlung von Menschen eingestuft. Das Problem dabei: je häufiger solche Medikamente in Ställen eingesetzt werden, desto mehr Keime entstehen, bei denen die Antibiotika nicht mehr wirken.
Grüne kritisieren Einsatz von Reserveantibiotika
Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen, kritisiert deshalb Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Sie müsse dafür sorgen, dass Reserveantibiotika "endlich raus aus der Mast" kämen. Sie dürften nicht in der Tiermast eingesetzt werden, "weil sie eine Bedrohung für die Humanmedizin, für uns Menschen sind, wenn wir im Krankheitsfall diese Stoffe benötigen", sagt er.
Das neue Arzneimittelgesetz sieht jedoch keine gesonderte Stellung dieser Reservemittel vor. Es sollte Masttierhalter insgesamt dazu bringen, weniger Antibiotika einzusetzen und gilt für Landwirte, die eine Mindestzahl an Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten halten - insgesamt betrifft es knapp 60 000 Betriebe in Deutschland. Sie müssen seit 2014 alle sechs Monate ihre Antibiotika-Einsätze melden. Auch in Betrieben, die Mastkälber und -rinder halten, hat das Gesetz laut Bericht "nicht den Effekt einer deutlichen Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes erbracht".
Im Agrarministerium hieß es zu dem Bericht: "Aus den Ergebnissen werden wir gegebenenfalls gesetzgeberische Schlussfolgerungen ziehen". Zu viel Antibiotika habe in Ställen nichts zu suchen. Das Ministerium arbeitet nach eigenen Angaben intensiv daran, den Einsatz in der Tierhaltung zu reduzieren.