Tierhaltung:Es stinkt zum Himmel

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Dicke Luft: In einigen Bundesländern müssen große Schweineställe mit Filtern ausgestattet sein. (Foto: Matthias Hiekel/ZB)

Die Schweinemast bedient die große Nachfrage nach Fleisch, hat aber auch negative Folgen für Umwelt und Gesundheit durch gefährliche Abgase. Filter könnten Abhilfe schaffen, aber um sie gibt es heftigen Streit.

Von Tanja Busse

Eine Rotte Wildschweine im Wald mag ja noch würzig riechen. Zweitausend Schweine auf engstem Raum tun es nicht. Sie stinken. Für Landwirte, Anwohner und Spaziergänger ist die Abluft aus den Schweineställen aber nicht nur unangenehm, sondern vermutlich auch gesundheitsschädlich. Die grün regierten Landwirtschaftsministerien von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein schreiben deshalb vor, dass Ställe mit mehr als 2000 Schweinen ihre Abluft filtern und reinigen müssen. Allein die Anschaffung dieser Filteranlagen kostet mehrere Zehntausend Euro - eine Investition, die Schweinemast in Zeiten schlechter Preise unrentabel macht. Doch Messungen zeigen auch: Viele dieser Filter arbeiten nicht richtig.

"Eine Geruchsbelästigung für 24 Stunden am Tag ist keine Kleinigkeit", sagt Dennis Nowak, der als Professor am Institut für Arbeits- und Umweltmedizin in München forscht. "Andauernder Gestank wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus." Und die Luft, die aus den großen Mastanlagen strömt, trägt Ammoniak, Staub und Bioaerosole mit sich. Das sind durch die Luft fliegende Mikroorganismen, etwa Schimmelpilze, Bakterien oder ihre Zerfallsprodukte, zu denen die gefürchteten Endotoxine gehören, die Asthma auslösen oder verschlimmern können.

Im Rahmen der niedersächsischen Lungenstudie unter der Leitung von Professorin Katja Radon hat Dennis Nowak im Jahr 2011 Anwohner von Intensivtierhaltungsanlagen untersucht und festgestellt, "dass Leute, die näher an solchen Ställen wohnten, eine eingeschränkte Lungenfunktion hatten." Für die Mitarbeiter in den Mastanlagen ist es noch bedrohlicher: "Wer jahrelang in schlecht gelüfteten Ställen arbeitet, bekommt gehäuft eine chronische Bronchitis und Atemwegsverengungen."

Die hohen Ammoniak-Emissionen der großen Mastställe sind auch aus ökologischer Sicht ein Problem: Ein Maststall mit tausend Schweinen bläst Jahr für Jahr dreieinhalb Tonnen des giftigen Gases in die Luft - eine erhebliche Luftverschmutzung, denn Ammoniak lässt Öko-Systeme versauern und Feinstaub entstehen. In der sogenannten NEC-Richtlinie hat die EU genaue Grenzwerte für Ammoniak festgelegt. Danach darf Deutschland nicht mehr als 550 000 Tonnen Ammoniak pro Jahr emittieren, ein Ziel, das um etwa 120 000 Tonnen verfehlt wird. In den nächsten Jahren sollen die Emissionen sogar noch weiter sinken, wie viel, darüber wird gerade in Brüssel verhandelt. 95 Prozent des Ammoniaks in der Luft stammt aus der Landwirtschaft, etwa ein Fünftel davon aus der Schweinehaltung. Gut arbeitende Filter wären deshalb wichtig.

"Grundsätzlich funktionieren die Filter ja", sagt Lars Broer, der Laborleiter für Immissionsmessungen bei der Lufa Nord-West in Oldenburg. Die Lufa, das Dienstleistungslabor der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, kontrolliert die Abluft aus Schweineställen. Dabei hat sich herausgestellt, dass viele Filter nicht halten, was sie versprechen: Bei Prüfungen im vergangenen Frühjahr lief nur jede fünfte Filteranlage ohne Beanstandung.

Viele Betreiber installierten teure Systeme. Und stellten fest, dass sie nicht funktionieren

Das Problem besteht schon seit zwanzig Jahren: Damals häuften sich in den Hochburgen der Schweinefleischproduktion, in den niedersächsischen Landkreisen Vechta und Cloppenburg, die Beschwerden: Zu viel Gestank! Viele Betreiber der Anlagen installierten deshalb teure Filtersysteme. "Dann stellte sich heraus, die funktionieren überhaupt nicht", erzählt Lars Broer. Daraufhin erarbeiteten Fachleute und Behörden einen Leitfaden, später übernahm die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft DLG die Zertifizierung der Filter. Seitdem haben die Hersteller, der große Stallanlagenbauer Big Dutchman und viele kleinere Unternehmen, bessere Systeme entwickelt, die Staub, Geruch und Ammoniak aus der Stall-Luft herausfiltern. Theoretisch zumindest.

In den Schweineställen aber kommt es immer wieder zu Problemen, vor allem bei den sogenannten Rieselbettreaktoren. Bei diesem System wird die Luft aus den Stallabteilen in großen Sammelkanälen in einen Druckraum geblasen. Von dort gelangt die Luft in eine Kunststoffpackung, auf der eine Art biologischer Rasen aus Mikroorganismen wächst. Die verarbeiten das Ammoniak aus der Luft zu Nitrit und Nitrat. Diese werden ausgeschlemmt und mit der Gülle der Tiere auf den Acker gebracht. Doch das System ist sehr fehleranfällig: Sobald es draußen warm wird oder die Landwirte die Ställe mehr heizen, wachsen die Bakterien zu schnell, und der Filter arbeitet nicht mehr richtig.

Was die Berater den Landwirten zur Zeit empfehlen, ist wenig praktikabel. Sie müssten, um den ph-Wert im richtigen Bereich zu halten, mehrmals täglich zwanzig Kilo schwere Säcke mit dem Salz Natriumhydrogencarbonat in die Anlage füllen. Für einen Betrieb mit tausend Schweinen macht das mehr als dreitausend Euro Mehrkosten aus, und viele Stunden Arbeit. Das könnte die Betreiber der Mastanlagen dazu verleiten, das ganze Filtersystem einfach auszustellen. Um das zu verhindern, müssten die elektronischen Betriebstagebücher der Anlagen überprüfen werden - was lange nicht gemacht wurde. Erst seit 2015 ist die Kontrolle der Betriebstagebücher in Niedersachsen vorgeschrieben. "Vor allem vor dem Hintergrund der viel zu hohen Emissionen muss man sagen, dass Verbände, Behörden und Agrarunternehmen den Emissionsschutz lange Zeit nicht ernst genommen haben", meint Jochen Hahne vom Thünen-Institut in Braunschweig. "In den letzten zwanzig Jahren hat man zu wenig hingesehen." Zwar seien in erheblichem Umfang Abluftfilter gebaut, aber oft unzureichend überwacht worden. Deutschland habe einen erheblichen Handlungsbedarf bei Ammoniakemissionen. "Wenn wir die europäischen Emissionsziele erreichen wollen, müssen wir jetzt substanzielle Fortschritte machen - oder den Tierbestand reduzieren."

"Zum verbindlichen Stand der Technik kann nur gemacht werden, was wirtschaftlich ist."

Der Immissionsexperte Knut Haverkamp, der als freiberuflicher Sachverständiger im Auftrag von Behörden, Unternehmen, Naturschutzverbänden und Bürgern die Abluft aus vielen Ställen bewertet hat, geht noch weiter: Er vermutet, dass die Branche, die die seit zwanzig Jahren bekannten und noch immer ungelösten technischen Schwierigkeiten im Stall zu nutzen versucht, um die Filter-Pflicht zu kippen. "Ich frage mich, ob das ein Versuch ist, die Kosten dieser Anlagen so hoch zu treiben, dass man sie nicht als Stand der Technik definieren kann", vermutet Haverkamp. "Denn zum verbindlichen Stand der Technik kann nur gemacht werden, was auch wirtschaftlich ist. Und wenn jetzt mehrere Tausend Euro pro Jahr an zusätzlichen Kosten auf einen Schweinehalter zukommen, dann ist eine solche Anlage eben nicht wirtschaftlich."

Haverkamp hält es für falsch, den Landwirten die Verantwortung für die schlecht funktionierenden Filter aufzuhalsen. Das sei "eine Frechheit", denn sie hätten die Filter im Vertrauen auf die Siegel der DLG gekauft. "Ich halte die Agrarbranche für mindestens so korrupt wie die Automobilindustrie", fügt der Sachverständige Haverkamp etwas zynisch hinzu.

Tatsächlich haben die Bauernverbände die Verpflichtung zur Abluftreinigung hart bekämpft und als "Angriff auf die bäuerliche Tierhaltung" gegeißelt. Manche sehendie sogenannten Filter-Erlasse der Landesministerien nicht als notwendigen Weg, um die EU-Grenzwerte für Ammoniak zu erreichen, sondern als verschleiertes Instrument, um weitere große Stallbauten zu verhindern und die Branche am Wachstum zu hindern.

Kritikern der Großbetriebe käme genau das gelegen: "Seitdem Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Filterpflicht verordnet haben, sind kaum noch große Mastanlagen gebaut worden", sagt Eckehard Niemann, der Gründer des bundesweiten Netzwerks "Bauernhöfe statt Agrarfabriken". Die Filter-Erlasse seien ein "wirksames Mittel gegen Agrarindustrie" und sogar gut für die bäuerlichen Landwirte, weil "durch die teuren Filter endlich die externen Kosten von Agrarfabriken berücksichtigt würden".

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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