Industrie:Angst um die grüne Zukunft

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Ein Stahlarbeiter prüft Roheisen am Hochofen 8 auf dem Werksgelände in Duisburg. Der deutschen Industrie sind im Juli deutlich mehr Aufträge weggebrochen als erwartet. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Thyssenkrupp will Europas größtes Stahlwerk klimafreundlicher machen. Doch nun ist offenbar unklar, ob die Subventionen in versprochener Höhe fließen. Die Arbeitnehmer sind alarmiert.

Von Björn Finke, Brüssel

Es ist eins der wichtigsten Projekte für den grünen Wandel der deutschen Industrie - aber Querelen bei den Subventionen bringen es in Gefahr. Dies schreiben zumindest Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp in einem Brandbrief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Der Konzern will in seinem Duisburger Stahlwerk eine sogenannte Direktreduktionsanlage bauen, die Eisen nicht mit Koks und Kohle, sondern mithilfe von Erdgas und später Wasserstoff herstellt.

Die Stahlsparte des Unternehmens steht für 2,5 Prozent der deutschen Kohlendioxid-Emissionen. Einen der vier Hochöfen im Duisburger Norden durch diese klimafreundliche Anlage zu ersetzen, würde den CO₂-Ausstoß um ein Fünftel senken. Allerdings verliefen die Gespräche über Fördermittel des Bundes zäh, und dies könnte die Pläne torpedieren, warnen die Gewerkschafter in dem zweiseitigen Schreiben, das der SZ vorliegt.

"In den Gesprächen zwischen Thyssenkrupp und Ihrem Haus wird deutlich, dass es massive Widerstände in Brüssel und/oder Berlin gibt, die zugesagte Fördersumme zu bewilligen", heißt es im Brief an Habeck. Zu den Unterzeichnern gehören die Betriebsratschefs des Konzerns und der Stahlsparte sowie Vize-Aufsichtsratschef Jürgen Kerner, der auch Vorstandsmitglied der IG Metall ist. Die Gewerkschafter fürchten, dass der Bund seine versprochenen Subventionen kürzt. Dies würde im Aufsichtsrat der Firma "eine massive Diskussion über eine Rücknahme der Investitionsentscheidung auslösen".

Die grüne Anlage kostet gut zwei Milliarden Euro. Nordrhein-Westfalens Regierung unterstützt das Vorhaben mit 700 Millionen Euro; die genaue Fördersumme aus Berlin ist nicht bekannt, soll jedoch höher liegen. Die EU-Kommission muss die Beihilfen noch genehmigen, aber das soll in den kommenden Wochen vollzogen sein. In der EU werden die Preise für CO₂-Zertifikate - also Verschmutzungsrechte - künftig kräftig steigen. Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen, wird also sehr teuer. Daher haben Hochöfen, die mit Koks und Kohle arbeiten, keine Zukunft mehr. Die Gewerkschafter befürchten deshalb, dass ohne die Direktreduktionsanlage das Duisburger Stahlwerk, das größte Europas, vor dem Aus stünde.

Die Querelen über die Subventionen kommen zu einem heiklen Zeitpunkt, denn Thyssenkrupp sucht gerade Investoren, Partner oder Käufer für die Stahlsparte mit ihren gut 26 000 Beschäftigten. Zudem berief der Aufsichtsrat erst diese Woche Miguel Ángel López Borrego zum neuen Konzernchef. Der frühere Siemens-Manager löst in zwei Wochen Martina Merz ab, die Ende April ihren Rückzug verkündete. Ein Grund dafür war Streit über die Zukunft der Stahlsparte.

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