Thyssenkrupp:Neun Jahre Job-Sicherheit

Die IG Metall und das Essener Unternehmen erzielen eine weitgehende Einigung über die umstrittene Stahlfusion mit Tata. Den Arbeitnehmern der Sparte wurden Beschäftigungsgarantien zugesagt. Nun müssen die Beschäftigten abstimmen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Im Streit um die geplante Stahlfusion von Thyssenkrupp und Tata haben der Konzern und die Arbeitnehmer-Vertreter erste Kompromisse erzielt. Das Management und die IG Metall haben sich am Donnerstagabend auf einen Tarifvertrag verständigt, der in dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen zumindest bis zum Jahr 2026 gelten soll. "Wir haben diese Lösung gemeinsam mit der Arbeitnehmerseite erarbeitet", sagt Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard. "Das entspricht unserer Unternehmenskultur."

Thyssenkrupp plant, seine traditionellen Stahlwerke vom Konzern abzuspalten und in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem britisch-indischen Konzern Tata Steel Europe auszulagern. Eine entsprechende Absichtserklärung hatten die Partner im September unterzeichnet. Sie wollen gemeinsam Europas zweitgrößten Stahlhersteller schmieden.

Thyssenkrupp verpflichtet sich nun, mindestens sechs Jahre lang an einem solchen Gemeinschaftsunternehmen beteiligt zu bleiben. Der Essener Konzern will sich aber fortan auf zukunftsträchtigere Sparten wie Aufzüge und Rolltreppen, Autoteile und Anlagenbau konzentrieren.

Ursprünglich hatten die Arbeitnehmer-Vertreter gedroht, im Aufsichtsrat gegen die Fusionspläne zu stimmen. Sie kritisierten, dass Thyssenkrupp und Tata bis zu 4000 Stellen in Produktion und Verwaltung streichen wollen, die Hälfte davon in Deutschland. Da der Aufsichtsrat zur Hälfte mit Arbeitnehmer-Vertretern besetzt ist, hätte Aufsichtsrat-Chef Ulrich Lehner die Stahlfusion bei einem Patt höchstens mit seiner Doppelstimme durchboxen können. Dies wäre aber einem Traditionsbruch bei dem mitbestimmten Konzern gleichgekommen. Die IG Metall hatte dem Management ein Ultimatum bis zu diesem Freitag gestellt.

Man gebe den Mitarbeitern "eine gute Zukunftsperspektive", sagt Konzernchef Hiesinger

Nun verbucht die IG Metall Zugeständnisse für sich. So will das Gemeinschaftsunternehmen betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland zumindest bis Herbst 2026 ausschließen. Zudem wollen Thyssenkrupp und Tata mindestens bis Ende 2021 keine Stahl-Standorte in Deutschland schließen. Nur einzelne Betriebsteile in Bochum, Eichen und Hüttenheim will Thyssenkrupp in drei Jahren einer Prüfung unterziehen. "Die Einigung entspricht unserem Verständnis von unternehmerischer Verantwortung", sagt Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger. Der Konzern gebe den Stahlwerkern "eine gute Zukunftsperspektive" und sichere Arbeitsplätze.

Die IG Metall empfiehlt ihren Mitgliedern nun, dem Verhandlungsergebnis zuzustimmen. Im Januar sollen die Stahlwerker an den einzelnen Standorten über den Kompromiss abstimmen. Diese weitere Hürde hatte man im Management zuvor kritisch gesehen.

Gleichwohl haben Konzern und Arbeitnehmer-Vertreter in anderen Streitpunkten keinen Kompromiss erzielt. So hatten Thyssenkrupp und Tata festgelegt, dass ihr Gemeinschaftsunternehmen in der Region Amsterdam seinen Sitz haben soll. Politiker von SPD und Grünen haben dem Konzern daher den Versuch einer Steuerflucht vorgeworfen. Zudem dürften in den Niederlanden keine Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat mitbestimmen.

Thyssenkrupp kündigt nun an, dass der Vorstand des Gemeinschaftsunternehmens dreimal jährlich in einem Komitee mit Arbeitnehmer-Vertretern "über strategische Themen beraten" wird. Zudem bleibe die Montanmitbestimmung in Deutschland erhalten, wenngleich die wichtigen Entscheidungen künftig am Firmensitz in den Niederlanden gefällt werden.

Hiesinger reagiert mit den Fusionsplänen auf die starken Schwankungen der Stahlpreise. Sowohl in Europa als auch weltweit übersteigt die Stahlherstellung, die sehr kapitalintensiv ist, seit Jahren die Nachfrage.

Der Thyssenkrupp-Chef will die Stahlfusion mit Tata Anfang 2018 besiegeln. Wenn die Kartellbehörden rechtzeitig zustimmen, könnten die Partner den Zusammenschluss, der etwa 48 000 Stahlwerker in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden betrifft, Ende kommenden Jahres vollziehen.

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