Thyssenkrupp:Rüstungsgeschäft zu verkaufen

Thyssenkrupp: Das U-Boot "Illustrious" in der Rüstungswerft von Thyssenkrupp 2022 in Kiel, das nach Singapur verkauft und zuvor getauft wird.

Das U-Boot "Illustrious" in der Rüstungswerft von Thyssenkrupp 2022 in Kiel, das nach Singapur verkauft und zuvor getauft wird.

(Foto: Gregor Fischer/AFP)

Der Industriekonzern Thyssenkrupp stellt auch U-Boote und Kriegsschiffe her - ein Geschäft, das er nun loswerden will. Der Plan ist politisch heikel.

Von Björn Finke, Brüssel

Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer für nicht-atomgetriebene U-Boote, es beschäftigt 6900 Menschen in Norddeutschland - und es könnte bald neue Eigentümer haben: Der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp will die Rüstungssparte Thyssenkrupp Marine Systems aus der Firmengruppe herauslösen, um Käufer, Partner oder Investoren zu finden. Der Aufsichtsrat unterstützte bei einer Sondersitzung am Freitag diese Pläne von Vorstandschefin Martina Merz. Dies geht aus einem Protokoll hervor, welches die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat an die Betriebsräte geschickt haben und das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Sparte fertigt auch Kriegsschiffe, der Verkauf könnte politisch heikel sein. Doch der Aufsichtsrat des M-Dax-Konzerns sieht hier offenbar keine großen Hindernisse: "Wir nehmen wahr, dass die Bundesregierung die Bildung eines starken nationalen Schiffbauunternehmens unterstützt", heißt es im Protokoll. Vorstandschefin Merz sagte schon auf der Hauptversammlung im Februar, sie sei bei dem Thema "im Dialog mit der Bundesregierung, um uns zum weiteren Vorgehen abzustimmen". Als möglicher Partner gilt etwa der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall. Merz verwarf solche Spekulationen aber kürzlich in einem Spiegel-Interview: "Wenn man sich anschaut, was die Firmen jeweils herstellen, liegt das eher nicht auf der Hand." Zu den Interessenten könnten auch Finanzinvestoren gehören.

Merz sucht gleich für mehrere Sparten Käufer oder Investoren. Der Konzern mit 96 000 Beschäftigten ist ein Gemischtwarenladen: Er ist Deutschlands größter Stahlhersteller, aber zugleich als Autozulieferer, Maschinenbauer, Rohstoffhändler und eben als Betreiber von Militärwerften tätig. Kurz nachdem Merz den Spitzenposten im Herbst 2019 angetreten hatte, verkaufte sie bereits das Aufzugsgeschäft für 17 Milliarden Euro, um die Schuldenlast des Unternehmens zu senken. Merz will noch weitere Bereiche abgeben oder zumindest Partner suchen, weil der Konzern alleine nicht ausreichend Geld hat, um überall genug in Wachstum investieren zu können. So möchte die Managerin einen Minderheitsanteil an der Tochter Nucera an die Börse bringen. Die Firma baut Elektrolyseure, also Anlagen, die mithilfe von Strom Wasserstoff produzieren - ein Zukunftsmarkt, denn klimafreundlicher Wasserstoff soll künftig in Industrie und Kraftwerken Erdgas ersetzen.

Doch wegen Covid-Krise und Krieg hat bisher das Börsenumfeld nicht gepasst. Ähnlich zäh geht es bei der Stahlsparte voran, für die Merz ebenfalls Käufer oder Partner sucht. Hier ist sie nicht die Erste: Schon zur Jahrtausendwende wollte der damalige Vorstandschef Gerhard Cromme das Geschäft an die Börse bringen, was aber nicht gelang. Später scheiterten Fusionen mit den Rivalen Tata und Liberty Steel. Beim jüngsten Versuch gelten Finanzinvestoren oder ausländische Konkurrenten wie CSN aus Brasilien als Interessenten. Merz bringt auch die Möglichkeit ins Spiel, dass sich große Wasserstoffproduzenten, etwa aus dem arabischen Raum, beteiligen könnten. Schließlich werden die Duisburger Stahlwerke von Thyssenkrupp in wenigen Jahren riesige Mengen an Wasserstoff benötigen, um Stahl klimafreundlich und ohne Koks und Kohle herstellen zu können.

Der Konzern erhält enorme Subventionen

Erst im März vergab der Konzern den Auftrag für eine sogenannte Direktreduktionsanlage, die einen der vier Hochöfen ersetzen und Eisen mithilfe von Wasserstoff produzieren soll. Die Kosten liegen bei gut zwei Milliarden Euro. Die Landesregierung unterstützt das mit 700 Millionen Euro, was die höchste Subvention ist, die Nordrhein-Westfalen jemals gezahlt hat. Die Bundesregierung überweist dem Unternehmen mehr als das Doppelte obendrauf. Das soll nicht nur Teile der Baukosten abdecken, sondern auch in den Anfangsjahren den Betrieb subventionieren. Die EU-Kommission hat die dicken Schecks noch nicht gebilligt, doch das soll bis Sommer geschehen.

Allerdings lehnen offenbar Teile des Managements und der Arbeitnehmervertreter die Trennung vom Stahl ab. Sie würden es vorziehen, wenn die Stahlwerke - der Ursprung des Traditionskonzerns - im Gegenteil künftig das Zentrum von Thyssenkrupp bildeten und stattdessen andere Sparten verkauft würden. Im Protokoll zur Aufsichtsratssitzung schreiben die Gewerkschafter von der IG Metall, sie seien "immer noch bereit, eine mögliche Verselbstständigung zu prüfen". Wichtig sei jedoch eine "ausreichende finanzielle Ausstattung" der Sparte. Zudem müssten mit Blick auf die hohen Subventionen "Zukunftsentscheidungen mit der Politik im Land und in Berlin abgestimmt werden".

Die Gewerkschafter üben auch harsche Kritik an Vorstandschefin Merz, weil es nicht voran gehe mit dem Umbau des Konzerns. "Seit letzten Herbst hat sich nichts bewegt, und es ist wieder unnötig Zeit verloren gegangen. Das ist nicht akzeptabel!" Merz müsse "endlich" ein neues Gesamtkonzept vorlegen.

Kein Zweifel: Die Top-Managerin könnte eine Erfolgsmeldung bei der Rüstungssparte gerade gut gebrauchen.

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SZ PlusReden wir über Geld mit Thomas Munko
:",Nein' muss man aus seinem Vokabular komplett streichen."

Thomas Munko ist seit bald 20 Jahren Chef-Concierge im Luxushotel Ritz-Carlton. Ein Gespräch über unmoralische Wünsche, eine Begegnung mit Natalie Portman und die Kunst, den besonderen Moment zu kreieren.

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