Und noch einmal ein Verlust: Der kriselnde Mischkonzern Thyssenkrupp wird im laufenden Geschäftsjahr einen Fehlbetrag ausweisen - eine niedrige dreistellige Millionensumme, wie das Essener MDax-Mitglied am Mittwoch verkündete. Wenigstens ist das eine Verbesserung zum Vorjahr, als unter dem Strich ein Minus von zwei Milliarden Euro stand. Bisher hatte Vorstandschef Miguel López allerdings ein ausgeglichenes Ergebnis vorhergesagt. Doch wegen der schwachen Konjunktur und der harten Konkurrenz im Stahlgeschäft senkte der Deutsch-Spanier die Jahresprognosen für Gewinn und Umsatz, schon zum zweiten Mal binnen weniger Monate.
Das Geschäftsjahr geht bei dem Unternehmen mit 100 000 Beschäftigten bis Ende September, jetzt präsentierte López die Zahlen für das Quartal bis März. Da fiel der Umsatz um ein Zehntel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, und unter dem Strich standen 78 Millionen Euro Verlust, vor allem wegen Abschreibungen in der Bilanz.
Um künftig bessere Ergebnisse einzufahren, hat López ein Spar- und Effizienzprogramm verordnet; zudem sucht der 59-Jährige Investoren oder Käufer für die Stahl- und Werftensparte. Der frühere Siemens-Manager, der das Unternehmen seit gut elf Monaten führt, betonte bei der Zahlenvorstellung die Fortschritte, die hier gemacht worden seien. So seien beim Effizienzprogramm, das seit Herbst läuft, mehr als 4600 Maßnahmen identifiziert worden, die nun nach und nach abgearbeitet würden, sagte der Chef. An den Werften, dem Weltmarktführer für nicht-atomgetriebene U-Boote, ist der US-Finanzinvestor Carlyle interessiert.
Hart umkämpft ist die Zukunft der Stahltochter Thyssenkrupp Steel Europe. Vor zwei Wochen nahmen Tausende Beschäftigte an einer von der IG Metall organisierten Protestkundgebung gegen López' Vorgehen teil, kommende Woche soll wieder demonstriert werden. Das Management entwirft gerade einen Plan, die Kapazität des zu wenig ausgelasteten Standorts Duisburg zu senken. Für die bislang mögliche Produktionsmenge finde der Konzern seit Jahren keine Abnehmer, auch weil die europäische Autoindustrie schwächele, sagte López am Mittwoch. Und das sei einer der Hauptgründe für die mauen Geschäftszahlen. Daneben leidet die Branche unter billigen Stahlimporten aus China. Der Vorstandschef sagte, EU-Strafzölle auf diese Einfuhren seien "ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen". Die US-Regierung hat gerade die Zölle für bestimmte Importe aus China erhöht.
Hochöfen sind zu schlecht für das Klima
In Duisburg betreibt das Unternehmen Europas größtes Stahlwerk mit vier Hochöfen, wo 13 000 der 27 000 Beschäftigten arbeiten. Außerdem stehen zwei Hochöfen bei HKM, einer Duisburger Gemeinschaftsfirma von Thyssenkrupp und zwei Partnern. Wird ein Hochofen abgeschaltet oder gar der komplette HKM-Standort dicht gemacht, würde das Tausende Jobs kosten. López sagte, der Konzern wolle "möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen" auskommen. Diese verbietet ein Tarifvertrag ohnehin noch zwei Jahre lang.
Auf lange Sicht werden sämtliche Hochöfen stillgelegt werden müssen, denn die Produktion mit Koks und Kohle ist zu klimaschädlich. Das Unternehmen errichtet bereits eine sogenannte Direktreduktionsanlage in Duisburg, die Roheisen stattdessen von 2029 an mithilfe klimafreundlich erzeugten Wasserstoffs herstellen wird. Diese Anlage kostet aber drei Milliarden Euro - und ersetzt nur einen Hochofen. Der mit Spannung erwartete Plan des Managements widmet sich deshalb auch der Frage, wann und wie viele Hochöfen durch weitere dieser Anlagen abgelöst werden.
Bau und Betrieb der ersten Direktreduktionsanlage unterstützen Bundes- und Landesregierung mit zwei Milliarden Euro Subventionen. López verteidigte den Geldsegen mit dem Argument, dass der Erhalt einer - dann klimafreundlichen - Stahlproduktion "extrem wichtig" sei, damit Deutschland nicht zu abhängig von ausländischen Lieferanten werde. Bei Thyssenkrupp und anderen deutschen Stahlfirmen sind jedoch noch einige weitere Hochöfen zu ersetzen. Auf die Frage, ob der Staat daher mehr Subventionen spendieren müsse, sagte der Manager, dies sei etwas, das "wir uns wünschen können".
Der reiche Tscheche könnte Energie liefern
Die IG Metall fordert, dass der Konzern bei der Stahltochter auf Kündigungen verzichtet und HKM erhält. Die Gewerkschafter sind gerade sauer auf López, weil sie sich schlecht informiert fühlen über den Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský. Der soll zunächst 20, später 50 Prozent der Anteile an Thyssenkrupp Steel Europe übernehmen.
Für die klimafreundliche Stahlproduktion werden künftig Riesenmengen an Ökostrom und grünem Wasserstoff nötig sein. Energie werde daher im Jahr 2035 bis zu 50 Prozent der Herstellungskosten ausmachen, sagte der Vorstandsvorsitzende. Jetzt sind es zehn Prozent. Praktischerweise betreibt Křetínskýs Firmengruppe Kraftwerke und investiert massiv in Ökostromprojekte. Deshalb bringe der Einstieg des Tschechen der Stahltochter wichtige Energie-Expertise, sagte López. Vielleicht könne sich die Tochter auch direkt von Křetínský beliefern lassen, aber das stehe noch nicht fest.