Süddeutsche Zeitung

Thyssenkrupp:"Leider unvermeidbar"

Führende Aufsichtsräte stützen den Umbau des Konzerns, der betriebsbedingte Kündigungen verhindern will.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Den etwa 160 000 Beschäftigten brachte das Wochenende zumindest eine gute Nachricht: Wenn Thyssenkrupp bald 6000 Arbeitsplätze abbaut, dann sollen betriebsbedingte Kündigungen nur die "Ultima Ratio" sein, das letzte Mittel also. Doch dass der Konzern herbe Einschnitte plant, etwa einen Börsengang der profitablen Aufzugssparte, scheint unausweichlich: Der Strategieausschuss des Aufsichtsrates hat sich am Samstag einstimmig - also auch mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter - hinter die Pläne des Vorstands gestellt. Das Präsidium des Gremiums empfiehlt nun, dass die Aufsichtsräte dem Umbau am 21. Mai zustimmen sollen.

Thyssenkrupp, dieser letzte große Weltkonzern aus dem Ruhrgebiet, hatte am Freitag die Fusion seiner Stahlwerke mit dem Konkurrenten Tata Steel Europe abgesagt, da die EU-Kommission den Zusammenschluss nicht genehmigen werde. Auch die geplante Zweiteilung von Thyssenkrupp in einen Stahl- und einen Technologiekonzern ist seither vom Tisch.

Stattdessen soll aus dem Mischkonzern nun eine schlanke Dachgesellschaft werden, wie es kritische Investoren schon vor Jahren forderten. Allein in Deutschland sollen in den nächsten drei Jahren 4000 Stellen wegfallen. An den Stahlwerken und dem Stahlhandel will Thyssenkrupp noch langfristig und mehrheitlich beteiligt bleiben; diese Sparten leiden immer wieder an schwankenden Weltmarktpreisen und Billigimporten aus Asien. Aber: "Es sind Geschäfte, die wir gut verstehen, in denen wir führende Marktpositionen haben", sagt Vorstandschef Guido Kerkhoff. Den Industriesparten um Autoteile und Anlagen will der Konzern hingegen mehr Freiheit geben. "Manche Geschäfte werden sich außerhalb von Thyssenkrupp besser entwickeln können", kündigt Kerkhoff an. Der erste Schritt, der Teilbörsengang der Aufzugssparte, dürfte dem verschuldeten Konzern Milliardeneinnahmen bescheren.

"Der Umbau von Thyssenkrupp ist leider unvermeidbar", sagt Markus Grolms, IG-Metall-Sekretär und stellvertretender Aufsichtsratschef. Die Gewerkschaft hat in der Nacht zu Samstag eine Grundlagenvereinbarung ausgehandelt. Demnach sei die betriebliche Mitbestimmung in allen Sparten gesichert, sagt Grolms. Wenn Thyssenkrupp künftig Firmenteile verkaufe oder verselbständige, brauche es zunächst eine Vereinbarung mit der IG Metall. "Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir vermeiden", kündigt Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard per Twitter an, diese seien nur in Ausnahmen möglich.

Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet kam am Samstag in die Konzernzentrale in Essen. Das Konzept des Vorstands sei überzeugend, sagt der CDU-Politiker, "es bietet Zukunftschancen für Thyssenkrupp und für Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen." Zugleich fordert Laschet, dass die Erlöse aus einem Börsengang der Aufzugssparte "in die Zukunftsfähigkeit" des Konzerns investiert werden müssten, "damit der überwiegende Teil der Arbeitsplätze gesichert werden kann." Auch die IG Metall pocht darauf, dass Thyssenkrupp die Einnahmen aus dem Teilverkauf des Aufzugsgeschäftes nicht an die Aktionäre ausschüttet. Laschet gehört dem Kuratorium der Krupp-Stiftung an, die etwa 21 Prozent der Aktien besitzt, mithin größte Aktionärin ist.

Thyssenkrupp hatte sich vor einem Jahrzehnt mit einer Expansion nach Brasilien und in die USA verhoben, die acht Milliarden Euro kostete. Seitdem ist der Konzern hoch verschuldet. In den vergangenen Jahren hat er nicht genug Geld verdient, um in die Zukunft all seiner Geschäfte investieren zu können. Auch für dieses Geschäftsjahr erwartet Thyssenkrupp einen Verlust.

Die vorgeschlagene Kehrtwende sei da "eine verantwortungsvolle Entscheidung", sagt Aufsichtsratschefin Martina Merz. Nach der Absage der Stahlfusion habe der Konzern seinen Weg neu bewerten müssen. "In dieser schwierigen Situation wird es so möglich, die Interessen von Mitarbeitern, Kunden und Aktionären gleichermaßen zu berücksichtigen", sagt Merz. Sie spricht von einer "schwierigen Zeit" für Thyssenkrupp.

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SZ vom 13.05.2019
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