Industrie:Das sind die Lehren aus dem Fall Thyssenkrupp

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Das Logo des Konzerns auf einem Helm. (Foto: dpa)

Der Traditionskonzern verkauft seine Aufzugsparte: Thyssenkrupp holt somit aus der Situation nun das Beste raus, doch es bleibt ein Trauerspiel.

Kommentar von Benedikt Müller

Die Kunst des Managements ist, aus schwierigen Lagen das Beste zu machen. Nicht umsonst heißt "to manage" übersetzt: etwas bewältigen. Immerhin das ist Thyssenkrupp nun gelungen. Der größte Industriekonzern des Ruhrgebiets hat einen stattlichen Kaufpreis für sein Aufzugsgeschäft ausgehandelt - und genauso beachtliche Sicherheiten für dessen Beschäftigte.

Und doch ist es ein Trauerspiel, dass dieser einst so stolze Stahlkonzern seine wertvollste Sparte verkaufen muss. Milliarden an Schulden und Pensionsverpflichtungen belasten die Bilanz. Und seitdem die Konjunktur etwa in der Autoindustrie stockt, häuft Thyssenkrupp Verluste an; das Kapital wird knapp.

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Das Grundproblem ist: Deutschlands größter Stahlhersteller wusste mit seiner Größe - von Hüttenwerken über Aufzüge bis zum Schiffbau - über Jahre viel zu wenig anzufangen. Erst baute er neue Stahlwerke in Brasilien und den USA, doch alles kostete Milliarden mehr als gedacht. Dann intervenierte der zwischenzeitliche Chef Heinrich Hiesinger, schrieb Milliarden ab und verkaufte die Werke, die heute übrigens gut verdienen.

Statt klimaschädlicher Montanindustrie wollte Hiesinger einen Technologiekonzern mit den Aufzügen als Kern. Diese Idee klingt bis heute gut. Doch der entscheidende Schritt dorthin, die hiesigen Stahlwerke samt Schulden in ein Gemeinschaftsunternehmen auszulagern, scheiterte am Veto der EU-Wettbewerbshüter. Der Konzern war derart überrascht, dass er die Aufzüge notverkaufen muss.

Das ist tragisch. Nicht nur, weil Thyssenkrupp die stabilen Gewinne der Sparte fehlen werden. Auch haben die Stahlwerke - plötzlich wieder Kerngeschäft - in der Zwischenzeit an Qualität eingebüßt. Wer jahrelang davon ausgeht, dass er ein Geschäft abspalten wird, investiert dort nicht in höherem Maße. Das rächt sich spätestens seit Ende 2019, als der Konzern "große Qualitätsprobleme" einräumte; einige Anlagen entsprächen "nicht mehr dem Stand der Technik".

Der Fall lehrt: Größe allein garantiert keinen Erfolg. Firmen sollten über Jahre wissen, wo sie strategisch hinwollen. Und falls ein wichtiger Schritt scheitert, brauchen Manager einen fertigen Plan B, den sie schnell umsetzen können.

Thyssenkrupp hat hier dazugelernt, das ist eine gute Nachricht dieser Woche. Bis zum Schluss hielt sich der Konzern als Alternative einen Börsengang der Aufzugssparte offen, falls die Kaufinteressenten nicht genug anbieten sollten.

Die zweite gute Nachricht: Die bei Thyssenkrupp traditionell einflussreiche IG Metall hat mit den Käufern sieben Jahre Kündigungsschutz und Standortgarantien ausgehandelt. Die Sparte wird demnach weiterhin in Deutschland sitzen und nicht zerschlagen. Hier hat auch die betriebliche Mitbestimmung in einer schwierigen Lage gezeigt, was sie kann.

Doch Grund zum Feiern ist das alles nicht, auch nicht für das Ruhrgebiet. Thyssenkrupp ist noch weit von einem Unternehmen entfernt, "das Geld verdient, Dividende zahlt, klimaneutral wirtschaftet und seinen Mitarbeitern damit eine langfristige Perspektive bietet", wie es die neue Chefin Martina Merz als Ziel ausgab. Sie kann die Milliarden aus dem Verkauf nur einmal nutzen, um Schulden abzubauen und zu investieren. Ein sprichwörtlich letzter Schuss, der sitzen muss.

Bis Mai will Thyssenkrupp entscheiden, welche Geschäfte nun noch im Konzern bleiben sollen. Langzeit-Verlustbringer wie etwa ein Blechwerk in Duisburg sind bereits angezählt. Und auch die Zentrale in Essen wird zusammen mit dem gesamten Konzern schrumpfen.

Der Traum vom starken Aufzugskonzern, er ist ausgeträumt. Und daran gibt es nichts zu beschönigen: So tief hätte Thyssenkrupp nie sinken dürfen.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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