Thomas Strothotte:"Logistik ist kompliziert"

Thomas Strothotte: Thomas Strothotte, Präsident der KLU, ist gebürtiger Kanadier. Er studierte Physik und Informatik. Seit 1985 lebt er in Deutschland, wo er 1989 an der Universität Stuttgart habilitiert wurde.

Thomas Strothotte, Präsident der KLU, ist gebürtiger Kanadier. Er studierte Physik und Informatik. Seit 1985 lebt er in Deutschland, wo er 1989 an der Universität Stuttgart habilitiert wurde.

(Foto: Christin Schwarzer/Klu)

Kisten zählen reicht nicht mehr, wenn man Waren in alle Welt verschickt. Dieser Überzeugung ist der Präsident der Kühne Logistics University in der Hamburger Hafen-City. Auf dem Lehrplan stehen also viel Mathematik und das Thema Leadership.

Interview von Viola Schenz

Wer im Management von globaler Logistik und Supply Chain Management arbeiten will, kann das an der Kühne Logistics University (KLU) erlernen. Die KLU ist eine private, staatlich anerkannte Hochschule mit Sitz in der Hamburger Hafen-City. Gegründet wurde sie 2010, seit 2013 ist Thomas Strothotte ihr Präsident. Ein Gespräch über Logistik, Mathematik und Finanzen.

SZ: Herr Professor Strothotte, warum müssen angehende Logistiker eine Hochschule besuchen?

Thomas Strothotte: Die Logistik ist mittlerweile so kompliziert, dass man mathematische Modelle beherrschen muss und tief greifende Kenntnisse vom Finanzwesen braucht, um solche Prozesse zu managen. Wer sich mit der Gestaltung und Steuerung internationaler Logistiknetzwerke beschäftigt, wird konfrontiert mit komplexen Aufgaben, die mathematisch modelliert sein müssen, damit sie zusammenpassen. Dafür ist ein Studium notwendig.

Es gibt den Ausbildungsberuf Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung. Warum reicht der nicht aus?

Natürlich sind die Aufgaben des Spediteurs geblieben. Aber darüber hinaus müssen die Warenströme koordiniert werden. Globale Lieferketten zu managen und unterschiedlichste Warenströme zusammenzuführen, ist komplizierter als das, was ein Spediteur heute gemeinhin leistet.

Was lernen Ihre Studenten zusätzlich, was unterscheidet sie vom Speditionskaufmann?

Nehmen wir ein Beispiel: Man hat eine Lagerhalle und möchte herausfinden, was der ideale Zeitraum für den Verbleib der Gegenstände dort ist im Vergleich zu Just-in-time-Produktionen. Wir lehren, wie man solche Fragestellungen mathematisch löst. Leadership ist ein weiteres wichtiges Thema, das sich unsere Studenten erarbeiten. Es reicht ja nicht, in einem Unternehmen eine gute Idee zu haben. Man muss auch andere davon überzeugen, und sie will ja auch umgesetzt sein. Das Umsetzen erfordert die Bereitschaft, Führung zu übernehmen. Das alles geht weit darüber hinaus, was ein Spediteur macht.

Wo kommen Ihre Absolventen später unter?

Einige in Unternehmen, die sich der Logistik bedienen, und das macht ja fast jedes heutzutage. Eine Absolventin ist bei einem führenden Modemacher für die Gestaltung des weltweiten Logistiknetzwerks zuständig. Andere landen bei Logistikdienstleistern. Da gibt es immer mehr Akademiker im Top-Management.

Die Unterrichtssprache ist Englisch, die Hälfte der Studenten kommt aus dem Ausland. Weil es dort keine vergleichbare Ausbildung gibt?

So ist es. Die KLU wurde mit dem Ziel gegründet, das Bildungsniveau in der Branche zu heben. Die Möglichkeit, Logistik zu studieren in der Kombination mit Management, die gibt es nur an ganz wenigen Orten weltweit.

Welche Nationen sind hauptsächlich vertreten?

Relativ viele aus Mittelamerika, Mexiko und kleineren Karibikländern, viele aus Russland und Osteuropa, der Rest verteilt sich über die Welt.

Warum ausgerechnet Mittelamerika?

Zumindest Mexiko hat ein spezielles Stipendien-Programm, um gute Leute ins Ausland zu schicken. Die Logistik ist ein besonders förderungswürdiges Thema.

Ist der Ausländeranteil auch deshalb so hoch, weil Deutsche Studiengebühren nicht gewohnt sind und Kühne Logistics ihnen zu teuer ist?

Nein, es ist gewollt, dass wir so international sind. Es mangelt uns nicht an deutschen Bewerbern. Die Hälfte der Studenten sind Deutsche, und die sind nicht alle aus wohlhabenden Verhältnissen. Es gibt auch die Möglichkeit, nachgelagerte Studiengebühren zu entrichten. Unser Vorteil sind sehr kleine Klassen mit kaum mehr als 30 Teilnehmern. Dagegen kann es bei staatlichen Unis schon mal passieren, dass man im ersten Semester BWL mit tausend Leuten zusammensitzt. Wir achten außerdem darauf, dass unsere Studenten alle in der Regelstudienzeit durchkommen. Wer eine Prüfung nicht besteht, dem stellen wir eine Einzelbetreuung zur Seite.

Ich stelle es mir schwierig vor, für eine solch spezielle Disziplin Personal zu finden, das auch noch auf Englisch doziert.

Viele unserer Professoren wurden im angelsächsischen Hochschulsystem sozialisiert und sagen uns ganz offen, sie würden sich im staatlichen deutschen Uni-System nicht wohlfühlen. Eine Möglichkeit, sie nach Deutschland zurückzuholen, ist eine Stelle an einer Einrichtung wie unserer, die dem angelsächsischen System folgt.

Sie waren zuvor Rektor der Universitäten Rostock und Regensburg. Was ist an einer privaten Hochschule anders?

An einer privaten ist der Gestaltungsspielraum größer. Wir müssen uns beispielsweise nicht an die Regularien einer Landeshaushaltsverordnung halten. Außerdem ist die hochschulinterne Zusammenarbeit besonders effektiv, da wir am gemeinsamen Erfolg gemessen werden. Allerdings müssen wir durch dieselben Akkreditierungen wie die staatlichen Hochschulen. Und da müssen wir eben schlucken, was der Staat auch seinen eigenen Einrichtungen vorschreibt.

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