Thomas Middelhoff:Ein Mann und seine Verfolger

Fortsetzung im Middelhoff Prozess

Jetzt sagt er nichts mehr. Thomas Middelhof bei der Ankunft am Montag beim Landgericht Essen.

(Foto: dpa)

Ehemalige Geschäftspartner, Banken und Insolvenzverwalter: Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff sagt zwar, er sei nicht pleite - und ist von Gläubigern umstellt. Doch wer will eigentlich was von ihm?

Von Uwe Ritzer

Auf dem Höhepunkt der Internetblase gelang Thomas Middelhoff, 61, sein spektakulärstes Geschäft. Im Sommer 2000 verkaufte er als Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns Bertelsmann Anteile am Onlinedienst AOL mit Milliardengewinn. Sein Arbeitgeber dankte es ihm mit einem Sonderbonus von 40 Millionen Euro. Später war Middelhoff als Partner beim Finanzunternehmen Investcorp nach eigenem Bekunden "einer der bestbezahlten Manager Europas".

Auch als Arcandor-Chef, Teilhaber und Manager diverser Beteiligungsunternehmen verdiente der gebürtige Düsseldorfer viele Jahre sehr ordentlich. Middelhoff gibt sein Vermögen mit 110 Millionen Euro an, plus wertvolle Unternehmensbeteiligungen. Inzwischen aber ist er von Gläubigern umstellt. Wie kam es dazu? Und wer will wofür wie viel Geld von Thomas Middelhoff?

Roland Berger

Auf waghalsige Weise entging Thomas Middelhoff am Freitag einem größeren Medienaufgebot, das vor dem Landgericht Essen wartete. Er sprang aus dem Fenster. Er habe nicht in die "Medienfalle" tappen wollen, die ihm sein früherer Geschäftspartner Roland Berger, 76, gestellt habe, sagt er. Berger äußert sich dazu nicht; sein Umfeld weist den Vorwurf jedoch als falsch zurück.

Berger fordert 7,5 Millionen Euro von Middelhoff, die er ihm aus seinen Privatmitteln geliehen hat. Nämlich für ein gemeinsames Unternehmen: Die beiden waren ab 2009 Geschäftspartner beim Finanzinvestor Berger Lahnstein Middelhoff & Partner (BLM) mit Sitz in London, der sich später in zwei Gesellschaften aufspaltete. Nachdem Middelhoff das Darlehen nicht zurückzahlte, startete Berger ein Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahren.

Weil er trotzdem nicht zu seinem Geld kam, zwang er Middelhoff nun zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (Offenbarungseid). Middelhoff bot Berger nach eigenem Bekunden Sachleistungen als Sicherheiten an, da er momentan nicht liquide sei. Berger lehnt ab. Er will Geld sehen.

Josef Esch

Der Immobilienunternehmer Josef Esch war jahrelang der diskrete Vermögensverwalter und Vertraute von Milliardären und Multimillionären. Esch vermietete seinen Klienten auf Wunsch auch Privatflugzeuge, organisierte Golfplatz- oder Zahnarzttermine. Zu seinen Klienten zählten unter anderem Quelle-Versandhauserbin Madeleine Schickedanz und Thomas Middelhoff.

Der sagt, er habe Esch voll und ganz vertraut und ihm deshalb sein komplettes Vermögen anvertraut. Das sei der Fehler seines Lebens gewesen. Im Nachhinein fühlt sich Middelhoff von Esch falsch beraten und getäuscht. Esch weist dies zurück. Er und Middelhoff streiten unter anderem um ausstehende Charter- und Unterhaltskosten für eine 33-Meter-Yacht namens Medici, die in Saint-Tropez vor Anker lag, Middelhoffs Wohnsitz.

Die laufenden Kosten für das Schiff betrugen monatlich 72 000 Euro. Nach längerem Hin und Her erkannte Middelhoff im August 2012 an, dass er Esch dafür noch 2,5 Millionen Euro schuldet. Er zahlte sie allerdings nicht wie vereinbart bis zum 30. September 2013. Josef Esch zog daraufhin vor Gericht und schickte Middelhoff den Gerichtsvollzieher. Middelhoff argumentiert, seine Forderungen an Esch seien noch viel höher, und er wolle beides miteinander verrechnen. Er fordert im Gegenzug 33 Millionen Euro von Esch.

Die Sparkasse Köln-Bonn

Sie sind Steuersparmodelle für die Superreichen: Immobilienfonds, die Josef Esch zusammen mit der Privatbank Sal. Oppenheim auflegte. Zu den Projekten dieser Oppenheim-Esch-Fonds zählen unter anderem die Kölner Messehallen und diverse Karstadt-Warenhäuser in Bestlagen. Thomas Middelhoff und seine Frau Cornelie zeichneten insgesamt acht solcher Fonds und stiegen mit 155 Millionen Euro ein. Der Großteil dieser Einlagen sind über Kredite finanziert, welche das Paar bei Sal. Oppenheim und der Sparkasse Köln-Bonn aufnahmen.

Letztere zog nun die Daumenschrauben an, nachdem die Middelhoffs ihr Zinsen und Tilgung im Volumen von drei Millionen Euro schuldig sind. Konkret geht es um drei Fonds, betreffend die Karstadt-Warenhäuser in Leipzig und München, sowie das Kölner Messegelände. Die Sparkasse droht dem Vernehmen nach sogar mit Zwangsversteigerung, sollten die Middelhoffs ihre Schulden nicht zahlen. Die Bank pocht auf eine Lösung bis spätestens Ende August und droht schlimmstenfalls mit Zwangsversteigerungen.

40 Millionäre, die einspringen sollen

Dazu wird es vermutlich nicht kommen, weil nach Lage der Dinge die anderen Fondsgesellschafter einspringen werden. Insgesamt handelt es sich um 40 Millionäre, darunter Namen wie von Finck oder Oetker. Sie alle sollen einspringen. Und zwar dergestalt, dass es so lange keine Ausschüttungen mehr an die Gesellschafter gibt, bis die Schulden der Middelhoffs beglichen sind.

Oder aber, dass Forderungen aus den liquiden Mitteln der Fonds beglichen werden. Als Konsequenz könnten sich die Fondsgesellschaften das Geld wieder von den Middelhoffs holen und schlimmstenfalls auf Schadensersatz klagen.

Dass diese ihre Schulden derzeit nicht an die Sparkasse zurückzahlen, begründet ihr Anwalt Winfried Holtermüller damit, dass Middelhoffs "gesamtes Vermögen beim Bankhaus Sal. Oppenheim gesperrt ist". Außerdem seien die Fonds-Beitritte nach seiner Auffassung unwirksam, weshalb Middelhoff ihre Rückabwicklung fordert. Damit seien aber auch die Sparkassen-Kredite an seinen Mandanten unwirksam, argumentiert Holtermüller.

Sal. Oppenheim

Als Thomas Middelhoff Kunde des Bankhauses Sal. Oppenheim wurde, sagte dessen damaliges Oberhaupt Alfred "Alfi" von Oppenheim zu ihm feierlich: "Willkommen in der Familie." Damals war Middelhoff noch Vorstandschef bei Bertelsmann und hatte gerade seinen 40-Millionen-Euro-Bonus kassiert.

Alfred von Oppenheim ist inzwischen verstorben; das Bankhaus entging im Sog des Unterganges von Arcandor selbst nur knapp dem Ruin und gehört heute der Deutschen Bank. Das Familiengefühl ist längst dahin, zumindest bei Thomas Middelhoff. Er hat Sal. Oppenheim auf 101 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Middelhoff fordert die Rückabwicklung der Oppenheim-Esch-Fonds. Ferner sollen bereits bezahlte 76 Millionen Euro rückerstattet werden, zuzüglich Zinsen.

Sein Mandant sei "in krimineller Art und Weise betrogen worden", sagt sein Anwalt Holtermüller. Umgekehrt hat die Bank die Middelhoffs auf Zahlung von 78 Millionen Euro verklagt, weil das Paar seine Kredite bei Sal. Oppenheim nicht mehr bediene.

Was den Manager und seine Familie aktuell am härtesten trifft: Sal. Oppenheim hat das Vermögen der Middelhoffs eingefroren: etwa 23 Millionen Euro in Festgeld und Wertpapieren. Anfang 2012 scheiterte Middelhoff vor dem OLG Köln bei dem Versuch, die Freigabe seines Geldes per einstweiliger Verfügung zu erreichen.

Arcandor-Insolvenzverwalter

Gemessen an den Summen, um die es im Streit mit dem Bankhaus Sal. Oppenheim und Josef Esch geht, machen sich die 3,4 Millionen Euro fast mickrig aus, die Hans-Gerd Jauch von Thomas Middelhoff fordert. Jauch ist der Insolvenzverwalter von Arcandor (vormals Karstadt-Quelle), dessen vorletzter Vorstandsvorsitzender Middelhoff war.

Das Landgericht Essen entschied, dass Middelhoff 3,4 Millionen Euro unrechtmäßig kassierte Boni zurückbezahlen und Kosten für bei Arcandor abgerechnete Flüge mit Privatflugzeugen bezahlen muss. Wie in anderen Fällen auch macht Middelhoff die Gegenrechnung auf. Beim Landgericht Hagen beantragte er Ende vergangenen Jahres einen Mahnbescheid gegen die Insolvenzverwaltung über 120 Millionen Euro. Middelhoff fühlt sich von ihr kriminalisiert und in seinem Ruf geschädigt. Jauch wiederum hat gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt.

Ungeachtet all dessen will er die 3,4 Millionen Euro schnell eintreiben. Weil Middelhoff unter Hinweis auf seine Gegenforderung nicht bezahlt, schickte der Insolvenzverwalter den Gerichtsvollzieher. Der tat sich schwer, den Pfändungsbeschluss zuzustellen. Die Middelhoffs haben ihren Hauptwohnsitz von Bielefeld nach Saint-Tropez verlegt. Die Zustellung gelang dann bei einem Termin im Landgericht Essen.

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