Thomas Middelhoff:Die 23-Millionen-Villa des Thomas Middelhoff

Middelhoff-Prozess

Die Gläubiger von Thomas Middelhoff werden wohl leer ausgehen.

(Foto: dpa)
  • Die Villa von Thomas Middelhoff, ganz in der Nähe des Jachthafens von Saint-Tropez, ist für knapp 23 Millionen Euro verkauft worden.
  • Der Kaufvertrag und andere Unterlagen lassen jedoch darauf schließen, dass die Gläubiger von diesem Geld nichts sehen werden.

Von Leo Klimm und Uwe Ritzer

Es ist der 30. September 2015, ein Mittwoch. In einem Notariat an der Traverse du Marbrier, ganz in der Nähe des Jachthafens von Saint-Tropez, wechselt eine luxuriöse Immobilie in bester Lage den Eigentümer. 36 Seiten umfasst der Kaufvertrag, vieles ist darin geregelt. Zum Beispiel, wer nötigenfalls für die Schwarzbauten auf dem Grundstück haftet. Oder wer den Hausmeister und die Hausdame bezahlt, deren Arbeitsverträge noch bis Jahresende laufen. Und wer für die notwendige Sanierung der Klärgruben aufkommt. Natürlich wird auch der Kaufpreis festgelegt: 22 987 370 Euro, zahlbar sofort.

In welche Kanäle das Geld fließen soll, wird ebenfalls notariell beurkundet. Als alle Beteiligten den Vertrag unterschreiben ist ziemlich klar: Die Gläubiger von Thomas Middelhoff werden leer ausgehen. Darauf lassen der Kaufvertrag und andere Unterlagen schließen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Es ist die Villa Aldea, die an diesem Spätsommertag 2015 verkauft wird. Jenes 28 000 Quadratmeter große Anwesen am Pierre Plantée, dem "bepflanzten Stein" hoch über der Bucht von Saint-Tropez. Middelhoff residierte hier jahrelang. Sogar den Hauptwohnsitz hatten er und seine Frau Cornelie zeitweise aus Bielefeld hierher verlegt. An der Côte d'Azur verbrachten sie ihre Sommerferien; gleich unterhalb lag einmal die Privatyacht Medici samt Crew vor Anker. Hier feierte Middelhoff mit Freunden und Managern von Karstadt-Quelle, als er dort Vorstandschef war. Und hier erholte er sich von den zehrenden Tagen auf der Anklagebank im Landgericht Essen.

50 Gläubigern schuldet der einstige Top-Manager einen dreistelligen Millionenbetrag

Noch im Sommer 2014 behauptete Thomas Middelhoff im Gespräch mit der SZ, die Villa Aldea sei sein hundertprozentiges, schuldenfreies Eigentum. Das erwies sich im Nachhinein als falsch. Wenig später wurde Middelhoff im Essener Prozess wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt; das Urteil ist seit wenigen Tagen rechtskräftig. Er selbst ist krank und anscheinend pleite, es läuft ein Privatinsolvenzverfahren. Etwa 50 Gläubigern schuldet der einstige Bertelsmann- und Karstadt-Quelle-Chef einen dreistelligen Millionenbetrag.

Im Zuge all dessen stellt sich auch die Frage, wie viel von der Villa Aldea ihm jemals wirklich gehört hat. Ob ihr Verkauf nun beiträgt, Middelhoffs exorbitante Schulden zu begleichen. Oder ob sie nur Blendwerk war, wie so vieles im Leben dieses einstigen Superstars unter den deutschen Managern. Ob er das mondäne Anwesen ebenso wie anderes Millionenvermögen im Angesicht des drohenden Insolvenzverfahrens mit Hilfe eines raffinierten Konstruktes rechtzeitig vor seinen Gläubigern in Sicherheit gebracht hat, wie Kritiker ihm vorwerfen.

"Unsere Ermittlungen diesbezüglich dauern noch an", sagt Insolvenzverwalter Thorsten Fuest. Seit zehn Monaten versucht er, sich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation von Thomas Middelhoff zu verschaffen und herauszufinden, wo noch Geld ist. Und wohin es wann und warum abgeflossen ist.

Der Preis purzelte

Fuest kommt nur langsam voran. Middelhoffs Verhältnisse sind, gelinde gesagt, verworren. Das gilt auch für die Villa Aldea. Ob er glaube, etwas von den knapp 23 Millionen Euro Verkaufserlös für die Gläubiger herauszuschlagen? "Das lässt sich derzeit nicht seriös einschätzen", sagt Fuest vorsichtig. "Aber vordergründig ist da nichts zu erwarten".

Thomas Middelhoff war zuletzt nicht mehr an jener französischen Immobiliengesellschaft SCI Aldea beteiligt, die bis zum Verkauf am 30. September als Eigentümerin des Anwesens firmierte. Lange schon hatte er seinen Anteil, den er über eine andere, zwischengeschaltete Firma gehalten hatte, abgetreten. Er sei nun "zugunsten einer Bank verpfändet", sagt Thorsten Fuest. Wer kassiert dann aber die 23 Millionen Euro, die das neue Eigentümerpaar - der Londoner Investment-Manager und frühere Goldman-Sachs-Banker Edward Eisler und seine Frau Maryam - umgehend am 30. September bezahlten?

Ursprünglich waren für das einstige Middelhoff-Anwesen mit dem sandfarbenen Haupthaus, den Nebengebäuden und Pools sowie Tennis- und Hubschrauberlandeplatz 35 Millionen Euro Kaufpreis aufgerufen. Doch die Suche nach Käufern geriet zäh, gleich zwei Makler mühten sich. Der Preis purzelte. 35 Millionen, 30, bald war von "mindestens 25 Millionen Euro" die Rede. Middelhoffs einstige Hausbank Sal. Oppenheim hatte den Wert der Villa 2010 auf 26 Millionen Euro taxiert.

Wohin floss das Geld?

Dem Kaufvertrag zufolge übernehmen die Eislers das Anwesen über eine neue Immobiliengesellschaft, die SCI Tropilex. Von den knapp 23 Millionen Euro Verkaufserlös fließen gut 13 Millionen Euro an die inzwischen zur CA Indosuez umfirmierten Crédit Agricole Suisse nach Genf. Damit wird eine Hypothek abgelöst. Weitere 6,2 Millionen Euro gehen dem Notarvertrag zufolge an eine Firma namens Pyrite Holding BV mit Sitz in Amsterdam.

Spätestens hier kommt wieder einmal ein Mann ins Spiel, der Thomas Middelhoff nicht nur als Rechtsanwalt, sondern offenkundig auch als Freund, Vertrauter und Ratgeber seit Jahren eng verbunden ist: Hartmut Fromm.

Fromm, immer wieder Fromm. Er war es, der im Frühjahr 2015 mühsam jene 895 000 Euro Kaution zusammenbettelte, ohne die Thomas Middelhoff nicht aus der mehrmonatigen Untersuchungshaft entlassen worden wäre. Vor allem aber ist Fromm das Gehirn hinter einem verschachtelten Firmenkonstrukt um Thomas Middelhoff. Der Name des Berliner Anwalts taucht dabei häufig auf und nicht immer wird trennscharf klar, in wessen Auftrag und Interesse er gerade handelt: Als Middelhoffs Freund, als sein Anwalt oder aber für sich selbst. So verschwimmen die Interessenlagen, auch was die Luxusimmobilie in Saint-Tropez angeht: "Einen kleinen Teil" seiner Anwaltshonorare habe er darüber abgesichert, sagte Fromm einmal zur SZ.

Auch Strafen für Schwarzbauten mussten noch bezahlt werden

In Sachen Villa Aldea mischt der umtriebige Jurist spätestens seit Frühjahr 2014 kräftig mit. Unter Zuhilfenahme eines komplizierten Geflechtes an Gesellschaften gewann er die Kontrolle über die Firma Centurion. 2003 gegründet, fungierte sie als Haupteigentümerin der Villeneigentümerin SCI Aldea. Middelhoff war jahrelang wichtigster Gesellschafter und Geschäftsführer der Centurion und über sie de facto Besitzer der Villa - bis er sich nach und nach aus der Gesellschaft verabschiedete und Fromm das Kommando übernahm. Die Centurion hält 5999 der 6000 Anteile an der SCI Aldea, als es am 4. August 2014 zu einem kleinen Deal kommt: Der Privatmann Hartmut Fromm kauft Cornelie Middelhoff den einen, letzten Aldea-Anteil ab, für 900 Euro.

Am Silvestertag 2014 kommt es in den Räumen der Kanzlei ZGS in Nizza zu einer Gesellschafterversammlung der SCI Aldea. Es ist die Kanzlei des deutschen Anwalts Gerd Ziegenfeuter - im Nebenjob deutscher Honorarkonsul an der Côte d'Azur. Er und Fromm kennen sich gut, beide sind Mitglieder im exklusiven Monaco Yacht-Club. Wenige Stunden also bevor das Jahr 2014 endet, beschließen Fromm und ein ihm nahestehender Anwalt bei der Gesellschafterversammlung eine Kapitalerhöhung bei der SCI Aldea um zwei Millionen Euro. Ausweislich des bei französischen Behörden hinterlegten Protokolls übernimmt dabei der Privatmann Fromm zwei der sechs Millionen Euro Schulden der SCI Aldea bei besagter Pyrite. Damit hält er die Mehrheit an der SCI Aldea - und startet den Verkaufsprozess.

Was mit den Möbeln aus der Villa wurde, ist unklar

Die Pyrite ist ihrerseits ebenfalls dem Einflussbereich Fromms zuzuordnen; eine Anwältin aus seiner Kanzlei fungierte als Geschäftsführerin. Anfang 2014 wurde im Grundbuch von Saint-Tropez eine Hypothek auf die Villa Aldea zugunsten der Pyrite über sechs Millionen Euro eingetragen. Entsprechend kassiert die niederländische Gesellschaft mit, als die Villa Aldea am 30. September verkauft wird. Neben den 6,2 Millionen für Pyrite und den 13 Millionen Euro für die Ansprüche der Genfer Bank müssen vom Verkaufserlös noch Steuern und Abgaben in Höhe von schätzungsweise gut 2,1 Millionen Euro bezahlt werden, außerdem kleinere Rückstellungen unter anderem für etwaige Strafen für kleinere Schwarzbauten und die Sanierung der Klärgruben. Am Ende dürfte von den 23 Millionen Euro dann etwa eine Million übrig bleiben.

Hartmut Fromm hält es für "möglich", dass seinem Mandanten davon ein sechsstelliger Betrag zustünde; erst müssten sich aber die französischen Steuerbehörden die Akten anschauen. Doch selbst wenn, wäre der Anspruch bereits verpfändet. Unklar ist, was aus den Möbeln in der Villa wurde. 700 000 Euro soll ihr Verkauf zusätzlich eingebracht haben, was Fromm auf Anfrage als zu hoch dementiert. Genauso wie das Gerücht, das Geld stünde ausschließlich Cornelie Middelhoff zu. Wem dann, das sagt er nicht.

Derweil bereiten andere Hinterlassenschaften der Ära Middelhoff in der Villa Probleme: Als Gutachter das Anwesen auf einen etwaigen Termitenbefall untersuchen sollten, konnten sie das nicht überall. Mehrere Räume im Untergeschoss und im Poolhaus seien "très encombrés" gewesen, schrieben sie: vollgerümpelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: