Thomas Enders wird neuer EADS-Chef:Rückkehr des Machtdenkens

Personalentscheidungen bei EADS sind hochpolitisch. Jetzt ist der Führungsstreit entschieden: Thomas Enders wird Chef und setzt auch gleich seine Personalvorstellungen durch. Sein Stil dürfte jedoch dem neuen Airbus-Chef Fabrice Brégier gegen den Strich gehen.

Jens Flottau

Zumindest der noch amtierende EADS-Chef Louis Gallois war sich bis zuletzt seiner Sache nicht sicher. Noch vor wenigen Tagen versuchte er, die Erwartungen für die Verwaltungsratssitzung am Donnerstag zu dämpfen. Um den neuen Vorstand zu besetzen, sei theoretisch auch noch Zeit bis zum April, beruhigte er. Und dass er selbst nach dem Rückzug als Chef weiterhin im Verwaltungsrat bleiben wolle, dem er als Vorstandschef bislang automatisch angehört, deutete der 68-Jährige auch an.

Fabrice Brégier

Thomas Enders(l.) rückt im Sommer an die Spitze der EADS, bei Airbus regiert dann der Franzose Fabrice Brégier(r.).

(Foto: dpa)

Nun ist es doch schneller gegangen, aber ein bisschen anders als geplant. Am Abend teilte der Luft- und Raumfahrtkonzern mit, dass Noch-Airbus-Chef Thomas Enders, 53, im Sommer Nachfolger von Louis Gallois an der Spitze der EADS wird und der Franzose Fabrice Brégier die wichtigste Tochtergesellschaft Airbus übernimmt. Einzige, allerdings große Überraschung: Gallois wird seinen Posten im Verwaltungsrat verlieren, stattdessen rückt Jean-Claude Trichet, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, als neues Mitglied in das Gremium.

Entschieden aber sind vor allem auch die strittigen Personalien in der zweiten Führungsebene. Der Deutsche Lutz Bertling behält seinen Posten an der Spitze des Hubschrauberherstellers Eurocopter und auch die Nachfolge von EADS-Finanzchef Hans-Peter Ring, der im Juni auf eigenen Wunsch ausscheidet, ist geklärt: Er soll von Harald Wilhelm abgelöst werden, der bislang die gleiche Funktion bei Airbus hatte. Günter Butschek wird operativer Chef bei Airbus, als solcher ist er auch Mitglied des EADS-Konzernvorstandes. Einziges Zugeständnis an die Franzosen: Neuer Personalvorstand wird Airbus-Personalchef Thierry Baril. Neu auch: Sowohl Wilhelm wie Baril werden zugleich ihre Positionen bei Airbus behalten.

So oder so ähnlich hätte man das auch schon im Dezember entscheiden können. Immer noch sind Entscheidungen bei der EADS eine hoch politische Angelegenheit, in der Franzosen und Deutsche peinlich genau darauf achten, dass sie gleich viel zu sagen haben. Aktuell hat offenbar die französische Seite versucht, den turnusgemäß anstehenden Führungswechsel zu nutzen, sich ein paar Pöstchen mehr zu sichern, wenn schon ein Deutscher Konzernchef wird. In Frankreich ist Präsidentschaftswahlkampf, und da kommt es gut an, wenn sich die Politik für französische Wirtschaftsinteressen einsetzt. Erschwerend für die Franzosen kommt noch hinzu, dass der neue Verwaltungsratschef Arnaud Lagardère auch im eigenen Land als unsicherer Kantonist gilt: Der Medienunternehmer will seine EADS-Anteile (7,5 Prozent) verkaufen. Schon jetzt zeigt seine häufige Abwesenheit bei den Sitzungen, dass seine Interessen anderen Dingen gelten.

Gallois selbst hatte sich angesichts der verworrenen Lage noch in der vergangenen Woche ins Gespräch gebracht. Auf die Frage, ob er denn auch künftig Mitglied des Verwaltungsrates bleiben wolle, antwortete er auffallend nebulös und hinterließ den Eindruck, als würde er gerne gefragt werden. Schließlich ist er seit der Gründung der EADS im Jahr 2000 mit von der Partie, und er wäre eine Besetzung gewesen, mit der sowohl Franzosen als auch Deutsche gut hätten leben können. Allerdings hätte es nicht den Regeln der guten Unternehmensführung entsprochen, dass ein Manager aus dem Vorstand direkt in das Aufsichtsgremium wechselt. Dies wurde nun durch die Lösung Trichet vermieden, der vom Vertreter der französischen Interessen, der Zweckgesellschaft Sogeade, vorgeschlagen wurde, aber der deutschen Seite ebenfalls sehr willkommen ist.

Sieg auf ganzer Linie für den Deutschen

Im Verwaltungsrat werden also künftig drei von der französischen Seite nominierte Mitglieder sitzen (inklusive Lagardère), dazu zwei Deutsche, ein Spanier und vier Unabhängige. Bisher stellten die Deutschen drei. Hinzu kommt aber noch Enders, der qua Vorstandsamt auch im Verwaltungsrat sitzt. Im Vorstand hingegen herrscht Gleichgewicht: Dort waren es bisher fünf Franzosen und vier Deutsche, künftig sollen es fünf Deutsche und fünf Franzosen sein.

Für den designierten EADS-Chef Thomas Enders ist es ein Sieg auf ganzer Linie. Er hat sich mit seinen Personalvorstellungen durchgesetzt. Über nicht ganz durchschaubare Kanäle drang Ende 2011 der Wunsch Frankreichs durch, den Posten des Eurocopter-Chefs und des EADS-Finanzvorstands mit Franzosen zu besetzen, um den als solchen wahrgenommenen Machtverlust auszugleichen. Dazu ist es nicht gekommen.

Diese Entscheidungen sind auch deshalb von großer Tragweite, weil mit der Amtszeit von Enders die bisherige Rotation ausläuft. 2007 hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy darauf geeinigt, dass bei EADS zunächst fünf Jahre ein Franzose das Sagen haben soll, bei Airbus ein Deutscher, und 2012 getauscht werde. Diesen Automatismus gibt es künftig nicht mehr. Der Vertrag von Enders könnte nach fünf Jahren noch einmal verlängert werden. Enders wäre dann 57 und noch nicht zu alt - Gallois hört jetzt mit 68 Jahren auf.

Auf den ersten Blick sieht es also so aus, als sei alles geklärt. Aber nur auf den ersten Blick, denn man darf guten Gewissens davon ausgehen, dass es auch künftig Kompetenzgerangel geben wird. Louis Gallois etwa hat einen sehr präsidialen Führungsstil gepflegt und wird intern und extern dafür gelobt, viel für das Überwinden des alten Machtdenkens im Konzern getan zu haben. Die Auseinandersetzungen der letzten Wochen haben allerdings die Frage aufgeworfen, wie erfolgreich er darin wirklich war.

Enders hingegen ist eher ein Freund klarer Ansagen. In seiner Umgebung heißt es, er werde versuchen, die EADS-Zentrale gegenüber den Tochtergesellschaften aufzuwerten und vor allem die Integration von Airbus zu verstärken. Erster Hinweis darauf: Die neuen EADS-Vorstände Wilhelm und Baril behalten ihre bisherigen Jobs bei Airbus. Dem selbstbewussten neuen Airbus-Chef Fabrice Brégier dürfte dies sehr gegen den Strich gehen, schließlich verliert er damit selbst an Macht.

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