Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Thomas Cook will Airlines verkaufen - Lufthansa hat Interesse

  • Thomas Cook will seine profitablen Fluggesellschaften verkaufen, zu denen auch die deutsche Condor gehört.
  • Die Lufthansa ist Branchenkreisen zufolge am Langstreckengeschäft der Condor interessiert.
  • Das Europageschäft könnte für Easyjet oder Ryanair interessant sein.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Der Reisekonzern Thomas Cook stellt seine Fluggesellschaften zum Verkauf. Das Unternehmen bestätigte am Donnerstag "eine strategische Überprüfung der Group Airline", zu der auch die deutsche Condor gehört. Der Prozess stehe noch ganz am Anfang und werde voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen. Nach SZ-Informationen ist die Lufthansa am Condor-Langstreckengeschäft in Frankfurt interessiert. Dem Vernehmen nach hat es erste informelle Gespräche gegeben. Weder Lufthansa noch Thomas Cook wollten dies kommentieren.

Der mögliche Verkauf der Airline-Sparte ist das Ergebnis eines Strategieschwenks, den Thomas-Cook-Chef Peter Fankhauser einleiten will: Der Reisekonzern will künftig viel Geld in neue eigene Hotels investieren und sich dafür von seiner derzeit profitabelsten Sparte trennen. Das Unternehmen hat ein äußerst schwieriges Jahr 2018 hinter sich, in dem es mehrere Gewinnwarnungen aussprechen musste. Auch die Buchungen für den Sommer 2019 geben wenig Anlass zu Optimismus, unter anderem buchen britische Kunden wegen des bevorstehenden Brexit nur sehr vorsichtig.

Neben der deutschen Condor, die derzeit gut 50 Flugzeuge betreibt, besteht die Airline-Sparte noch aus Thomas Cook Airlines UK und einem skandinavischen Ablege, die auf die gleiche Größe kommen. Thomas Cook hat die drei Flugbetriebe zuletzt in der Thomas Cook Airline Holding zusammengefasst - mit gut 100 Flugzeugen gehört sie zu den größten europäischen Anbietern im Ferienfluggeschäft. 2018 beförderte die Einheit 20 Millionen Passagiere und machte einen Umsatz von 3,5 Milliarden Pfund (etwa vier Milliarden Euro). Der Gewinn lag bei 129 Millionen Pfund.

Ein Verkauf wäre ein weiterer Schritt in der Konsolidierung des europäischen Flugmarktes, der derzeit an Fahrt aufnimmt. In Deutschland hat erst in dieser Woche Germania Insolvenz angemeldet und den Betrieb eingestellt, Alitalia steht wieder einmal zum Verkauf, und Norwegian kämpft ums Überleben. Es dürften allerdings lediglich eine Handvoll großer Konzerne Interesse an dem Thomas-Cook-Geschäft haben. Der Prozess ist zudem voraussichtlich komplex, denn ein Verkauf der Sparte als Ganzes gilt als kaum möglich. "Der Verwaltungsrat zieht den Verkauf als Ganzes vor", sagt indes Thomas-Cook-Airline-Chef Christoph Debus. "Wir haben sehr viele Synergien geschaffen, diese aufzulösen, würde Mehrkosten bedeuten."

Ein weiteres Problem: Die Boeing-767-Langstreckenflotte der Condor ist veraltet und muss dringend ersetzt werden. Die derzeit 16 Flugzeuge sind im Durchschnitt weit über 20 Jahre alt, die Wartungskosten sind daher sehr hoch. Immer wieder sorgen die Maschinen auch operativ für Ärger, weil ungeplante Reparaturen den Flugplan durcheinanderwirbeln. Demnach stünden große Investitionen an - es sei denn, die neue Flotte würde geleast. "Wir treiben die Flottenpläne voran und machen weiter wie geplant," so Debus.

Das Europageschäft ist womöglich für Easyjet oder Ryanair interessant

Branchenkreisen zufolge hat Lufthansa durchaus Interesse am Frankfurter Langstreckengeschäft der Condor. Der Konzern ist tendenziell unglücklich mit der bisherigen Expansion der Zweitmarke Eurowings auf touristischen Fernstrecken und sieht bessere Chancen dafür an den großen Drehkreuzen. Er könnte Maschinen aus eigenen Bestellungen bei Condor einsetzen. Hingegen gilt ein Kauf des Europageschäftes als kartellrechtlich nicht vermittelbar, da Eurowings schon einen großen Teil der ehemaligen Air Berlin übernommen hatte.

Das Condor- und Thomas-Cook-Europageschäft wäre aber womöglich für Easyjet oder Ryanair interessant. Ryanair hat soeben den Umbau in eine Holdingstruktur namens Ryanair Group beschlossen, auch um Zukäufe zu erleichtern. Die British-Airways-Muttergesellschaft International Airlines Group (IAG) dürfte sich die Langstrecken ebenfalls genau anschauen: IAG baut gerade eine neue Marke für die Billig-Langstrecken auf und hat bekannt gegeben, die Übernahme von Norwegian nicht mehr weiterzuverfolgen.

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SZ vom 08.02.2019/vit
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