Thermomix TM6:Ich dreh' durch

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Nicht angekündigt und plötzlich da: Der neue Thermomix TM6. (Foto: dpa)
  • Vorwerk hat ein neues Modell des beliebten Allzweck-Küchengeräts Thermomix herausgebracht.
  • Sowohl Kunden als auch Verkäufer wurden davon überrascht - nun sind viele sauer, weil sie gerade noch ein altes Modell für mehr als 1000 Euro gekauft haben.
  • Einige wollen sogar mit einer Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen vorgehen, doch Verbraucherschützer halten das für unwahrscheinlich.

Von Felicitas Wilke, München

Was sind die Menschen glücklich im Werbevideo zum neuen Thermomix: Ein Mann serviert seiner Herzdame sous-vide-gegarten Lachs, dazu gibt's Weißwein. Zwei Kinder mit verschmierten Mündern naschen vom selbst gemachten Karamell. Und mittendrin: der Thermomix. Die Edelküchenmaschine von Vorwerk steht wie kein zweites Produkt für den Spagat zwischen Vollzeitjob und Heimeligkeit. Wer mehr als 1000 Euro für ein Küchengerät ausgeben kann und will, dem bereitet die Maschine gekochtes und künftig auch gebratenes, karamellisiertes oder vakuumgegartes Essen zu. Das alles kann der neue TM6, den Vorwerk seit Freitag über seine selbständigen Verkäufer vertreibt.

Doch viele Kunden sind in diesen Tagen ganz und gar nicht erfreut. Auf der Facebookseite von Vorwerk sprechen sie von "Betrug", "Kundenfeindlichkeit" und drohen mit Boykott. Die Nutzer fühlen sich getäuscht, weil sie in den vergangenen Wochen und Monaten nicht darüber informiert worden waren, dass bald ein neues Modell auf den Markt kommt - und weil sie, wie sie sagen, sogar auf Nachfrage eine falsche Antwort bekamen.

Auch Sven Müller, der eigentlich anders heißt, ist sauer. Der Vater von zwei Kindern kocht gerne, aber hat wie viele andere Berufstätige nach Feierabend nicht viel Zeit. Darum habe er schon länger darüber nachgedacht, sich eine Küchenmaschine zu kaufen, die nicht nur zerkleinern und mixen, sondern auch kochen kann. "Eilig hatte ich es nicht", sagt Müller, "deshalb habe ich die Verkäuferin extra gefragt, wann ein Update geplant ist." Bei einem Auto erfahre man ja auch, wann die nächste Generation auf den Markt komme. In den nächsten zwei Jahren sei nichts zu erwarten, habe die Verkäuferin geantwortet. Daraufhin kaufte Müller Ende Oktober das Modell TM5, 1350 Euro zahlte er dafür inklusive Back-Zubehör.

Jetzt vertreibt Vorwerk den Nachfolger TM6 - nicht zwei Jahre später, sondern nur wenige Monate, nachdem Müller viel Geld ausgegeben hat. "Ich ärgere mich, weil ich falsch informiert wurde und weil einige der neuen Funktionen für mich interessant gewesen wären", sagt er. Doch so rapide wie der TM5 jetzt im Wert sinke, brauche er gar nicht darüber nachdenken, sein Gerät zu verkaufen und sich ein neues zuzulegen. Tatsächlich wird das alte Modell auf Plattformen wie Ebay teils für 650 Euro angeboten, nicht viel mehr als die Hälfte des Originalpreises.

Den Kunden, die zwischen dem 20. Februar und dem 8. März ein altes Modell bestellt haben, mache Vorwerk "ein individuelles Wechselangebot", teilt das Unternehmen mit. Für einen Aufpreis bekommen die Kunden dann statt des TM5 den TM6 geliefert, der in der Basisversion gut 150 Euro mehr kostet. Wer das Gerät zuvor gekauft habe, nenne zwar eine "langlebige und innovative Küchenmaschine" sein Eigen, wie Vorwerk betont. Doch neuerdings ist sie eben nicht mehr ganz so innovativ wie von den Kunden erhofft.

In den sozialen Netzwerken berichten auch andere Kunden davon, dass ihre Verkäufer sie falsch informiert hätten. Ein Verbraucher schreibt, die Beraterin hätte ihm versichert, dass zwischen zwei Modellen zehn Jahre liegen - so war es beim letzten Mal. Da der TM5 im Jahr 2014 präsentiert wurde, wäre das nächste Modell dann erst 2024 lanciert worden. Vorwerk erklärt, dass die selbständigen Vertriebler genau wie die Öffentlichkeit erst am 8. März von dem neuen Modell erfahren hätten. Es spricht also einiges dafür, dass manche Verkäufer eine persönliche Einschätzung abgaben, ohne Genaueres zu wissen. Da sie auf Provisionsbasis arbeiten, haben sie ein Interesse daran, möglichst viele Geräte zu verkaufen. Auf die Nachfrage, ob es eine konkrete Vereinbarung bei Vorwerk gab, was die Verkäufer auf Fragen nach einem neuen Modell antworten sollen, geht das Unternehmen nicht ein.

Wütende Kunden erwägen sogar, gegen Vorwerk vor Gericht zu ziehen

Die meisten Kunden, auch Sven Müller, ärgern sich allerdings weniger über die Verkäufer als über Vorwerk. Auf Facebook haben sich bereits rund 2000 Kunden zusammengeschlossen, die erwägen, gegen das Unternehmen zu klagen. Zunächst dachten sie über eine Musterfeststellungsklage nach: Dabei können viele Verbraucher seit Kurzem mit nur einer Klage Ansprüche gegenüber Unternehmen geltend machen. Nachdem Verbraucherschützer darauf hingewiesen haben, dass dies wegen der unterschiedlichen Aussagen verschiedener Verkäufer nicht funktionieren würde, möchten einige Kunden jetzt einzeln klagen und den Kauf wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Dafür müssen sie allerdings beweisen, bewusst falsch informiert worden zu sein. Kein Unternehmen muss seinen Kunden mitteilen, wann es ein neues Produkt auf den Markt bringen will. Doch der Thermomix sei keine Küchenmaschine wie jede andere, sagt Klaus-Dieter Koch, Gründer der Managementberatung Brandtrust: Vorwerk habe es geschafft, aus dem Gerät eine Marke mit Fangemeinde und euphorischen Hashtags in sozialen Medien zu machen. "Mit dieser emotionalen Bindung geht für die Unternehmen eine große Verantwortung einher", sagt Koch. Der Experte sagt, Vorwerk hätte zum Beispiel eine letzte Edition des alten Modells in einer Sonderfarbe herausgeben und damit den Wechsel einläuten können. Diese Chance habe das Unternehmen verpasst. Auch vor viereinhalb Jahren, als Vorwerk den TM5 herausbrachte, kam das für Vertriebler und Kunden überraschend. Schon damals ärgerten sich viele. "Eine flache Lernkurve", urteilt Koch.

Kunde Sven Müller hätte sich gewünscht, dass Vorwerk den Termin ein Jahr im Voraus bekannt gibt. "Dann hätte ich das neue Modell abgewartet", sagt er. Jetzt kocht er mit dem TM5 - seinem ersten und letzten Thermomix, wie er sagt. "Die Konkurrenz verkauft ja inzwischen ähnliche Geräte."

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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