Süddeutsche Zeitung

Themenfonds:Wette auf Wasser

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Börsennotierte Wasserfirmen locken Sparer mit schlichter Logik. Dabei ist die Branche ein Beispiel dafür, wie gefährlich vermeintlich einfache Strategien sein können.

Von Lukas Zdrzalek, München

In einer ganz gewöhnlichen Stadt im Ruhrpott sitzt eine der ungewöhnlichsten Aktiengesellschaften der Republik. Der Konzern logiert im Norden Gelsenkirchens, Willy-Brandt-Allee 26, gegenüber des Schalke-Fußballstadions, und betreibt von dort ein Geschäft, an dem sich Anleger selten beteiligen können. Ein Geschäft, das hierzulande vor allem reine Staatsunternehmen wie Stadtwerke stemmen: die Trinkwasserversorgung.

Hier, bei der Gelsenwasser AG, ist jedoch alles ein wenig anders. Nur 93 Prozent der Aktien sind im Behördenbesitz, die übrigen sieben Prozent können Sparer kaufen. Wer diese Papiere zum Beispiel vor fünf Jahren erwarb, hat bis heute ein Kursplus von circa 75 Prozent erzielt - und sich nebenbei an einem der Modethemen in Sachen Geldanlage beteiligt: Wasser.

Die Kalkulation hinter der Euphorie für die Branche und alles was damit zusammenhängt, ist relativ einfach: Menschen können nur einen kleinen Teil der globalen Wasservorräte nutzen, Meerwasser ist ungenießbar. Künftig wächst die Weltbevölkerung, steigt also die Nachfrage nach dem flüssigen Rohstoff, dürften die Gewinne der Wasserfirmen sprudeln - und die Aktienkurse steigen. Tatsächlich hat der Standard&Poor's-Global-Water-Index, eine Wasseraktien-Komposition aus internationalen Branchentiteln, binnen fünf Jahren fast 70 Prozent an Wert gewonnen.

Wenig Angebot, überbordende Nachfrage - so einleuchtend kann Geldanlage also auch mal sein? Wenn es doch bloß so wäre. Vielmehr sind Wasser-Aktien ein Musterbeispiel dafür, wie sich vermeintlich einfache Anlagestrategien als besonders komplex, besonders riskant - und manchmal sogar als moralisch fragwürdig entpuppen können.

Das erste Thema ist: Der Begriff Wasser-Aktien täuscht. Einige Konzerne, die als Vorzeige-Unternehmen gelten, haben nur indirekt mit dem flüssigen Rohstoff zu tun. Sie bauen beispielsweise Brunnen und Staudämme, sind also klassische Industriekonzerne. Andere Unternehmen machen nur teilweise in Wasser, bei der Gelsenwasser etwa macht das Trinkwasserfach nur etwas mehr als 50 Prozent des Ergebnisses aus. Der Rest stammt aus dem Energiebereich, der Konzern beliefert seine Kunden auch mit Gas. Wasser-Investitionen werden dadurch komplexer: "Ein weiterer Geschäftsbereich beispielsweise bringt neue Chancen und Risiken mit sich, die Anleger erst einmal verstehen müssen", mahnt Frank Wieser, Chef der Düsseldorfer PMP Vermögensmanagement. Das Wohl und Wehe eines Staudammbauers kann an der Politik hängen. Und während das Wassergeschäft eines Versorgers gut läuft, kann das Energiemetier kriseln - und eine Firma in Schieflage bringen.

Die zweite Schwierigkeit: "Viele Wasserunternehmen sind kleinere und mittlere Firmen, deren Aktien stärker schwanken können", warnt Natalia Wolfstetter vom Analysehaus Morningstar. Ein Grund: Die Wasserwerte sind nicht sonderlich liquide, wie Experten sagen, das bedeutet, es handeln nicht so viele Anleger mit den Papieren. Kriselt eines dieser kleineren Unternehmen, kann der Kurs tiefer fallen als bei größeren Unternehmen. Es gibt schlicht weniger Anleger, die dann die günstigeren Papiere kaufen und somit einen Kurssturz bremsen könnten.

Der dritte Aspekt, den Anleger beachten sollten, ist die Herkunft vieler Unternehmen aus der Branche: "Die Firmen sitzen oft außerhalb der Eurozone, es gibt also ein Währungsrisiko", sagt der Düsseldorfer Vermögensverwalter Wieser. Währungsrisiko meint: Eine Aktie notiert in einer ausländischen Währung, etwa in Dollar, wenn das Unternehmen beispielsweise in den USA sitzt. Ob ein Anleger Gewinn oder Verlust mit einer solchen Aktie macht, hängt also nicht nur davon ab, wie gut das Unternehmen wirtschaftet. Entscheidend ist auch, wie sich der Euro-Dollar-Kurs entwickelt, weil ein Sparer Dollar gegen Euro tauschen muss, wenn er die Aktie verkauft. Gewinnt etwa eine US-Aktie zehn Prozent an Wert, während der Dollar zum Euro zwanzig Prozent verliert, macht ein Sparer aus Euroland Verlust.

Wenige reine Wasserfirmen, Kursschwankungen, Währungsgefahren: Sparer wagen viel, wenn sie einzelne Aktien kaufen. "Es ist klüger, einen Fonds zu erwerben", sagt Andreas Görler vom Berliner Vermögensverwalter Pruschke und Kalm. Ein Fonds investiert in zahlreiche Papiere - und streut die Risiken, mindert sie also, weil er sich nicht einer Firma ausliefert.

Ethische Aspekte lassen sich mit aktiven Fonds besser abbilden. Passive Produkte sind günstiger

Anleger können in zwei Fondsarten investieren. Zum einen gibt es aktive Fonds, bei denen ein Manager überlegt, welche Aktien er kauft. Zum anderen können Investoren einen passiven Fonds erwerben, die Finanzhäuser unter dem Kürzel ETF vertreiben. Ein passiver Fonds bildet automatisiert einen Wertpapierindex wie den S&P Global Water nach - ohne extra Fondsmanager. Ein ETF ist daher recht günstig im Erwerb, die Kosten betragen circa 0,5 Prozent des investierten Geldes. Wer also 100 Euro anlegt, bezahlt 50 Cent Gebühren. Für aktive Fonds dagegen zahlen Anleger gut zwei Prozent. Sparer sollten aber einen Fehler vermeiden: Einen passiven Fonds nur deshalb zu kaufen, weil er billig ist.

Wasser-ETF können zweierlei Schwierigkeiten machen. Erstens bleibt bei passiven Fonds das Währungsrisiko in der Regel erhalten, schlicht, weil er nur einen Index nachbildet. Manager aktiver Fonds dagegen können spezielle Finanzinstrumente einsetzen, um die Währungsrisiken bei Bedarf zu reduzieren. Zweitens vernachlässigen ETF meist, wie nachhaltig Unternehmen arbeiten, wie ökologisch und sozial ein Konzern agiert. Das kann Anleger in ein moralisches Dilemma bringen; in einem passiven Fonds können beispielsweise Wasserversorger enthalten sein, die unanständig hohe Preise verlangen.

Mancher aktive Fonds wirbt damit, solche Unternehmen auszuschließen und nur in verantwortungsvolle Firmen zu investieren. Was sich hinter einer solchen Worthülse verbirgt, sollten Anleger prüfen. Denn das Verständnis dafür, welche Geschäftspraktiken noch ethisch sind und welche nicht, kann je nach Betrachter variieren. Investoren müssen sich also erst mal wie der Berliner Finanzkenner Andreas Görler überlegen, was sie vertreten können. Er meint: "Ich finde Wasserinvestitionen akzeptabel, wenn Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe leisten." Wenn Firmen Brunnen bauen, damit Menschen elementare Bedürfnisse stillen können. Ob der Brunnen nun in Afrika oder Gelsenkirchen steht, ist ja nebensächlich.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2017
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