Textilrecycling:Was Altkleider aus Deutschland für Afrika bedeuten

Textilrecycling: Alte Hosen landen hier: ein "Mitumba"-Markt in Kenia

Alte Hosen landen hier: ein "Mitumba"-Markt in Kenia

(Foto: AFP)

Ab in den Container, verschifft in den Süden - und dann? Der Export von Altkleidern nach Afrika ist ein Millionengeschäft und setzt die Hersteller unter Druck, hilft aber den lokalen Händlern.

Von Caroline Ischinger

Für die aussortierten Kleider des reichen Mannes (oder der reichen Frau) aus dem Westen gibt es in Ostafrika einen eigenen Namen: "Mitumba" nennen die Menschen dort die Altkleider, die in Zigtausenden Containern auf verschlungenen Wegen aus den Industriestaaten auf ihre Märkte in Nairobi oder Kampala gelangen. Mitumba ist Kisuaheli und bedeutet Ballen, Kleiderballen, denn die Klamotten erreichen ihren Zielort sortiert, in etwa 50 Kilogramm schweren, zugeschnürten Plastikkugeln: T-Shirts, BHs, Hosen, Kleider getrennt, je nach Qualität und Sorte.

Wenn diese Kleiderballen in Afrika ankommen, dann sind sie schon lange keine Spende mehr. Die meisten Hilfsorganisationen, die sie in Europa oder den USA einsammeln, verkaufen die Textilien aus ihren Altkleidercontainern weiter an Textilrecycler, mit dem Erlös finanzieren sie ihre Projekte. Mitumba ist auf dem Weg Richtung Süden also zu einer Ware von Kleiderhändlern geworden - und sie ist heiß begehrt. Mitumba ist in Afrika alles andere als ein Schimpfwort.

Die Nachfrage ist gewaltig. Laut Zahlen des International Trade Center importierten die afrikanischen Länder insgesamt zuletzt pro Jahr gebrauchte Kleidung im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Allein in Uganda werden mit der Secondhand-Kleidung laut der Regierung jährlich 350 Millionen Dollar umgesetzt.

Die "Afrikaquote" wurde wieder abgeschafft

Ein riesiges Geschäft also, an dem viele verdienen, das aber auch viele Kritiker hat: Besonders in den Neunzigerjahren prangerten Entwicklungsorganisationen den Gebrauchtkleider-Handel mit der Dritten Welt an. Die heimische Textilindustrie kollabiere unter dem Druck der Containerladungen aus den Industriestaaten, warnten kritische Studien. Die Mitglieder des deutschen Dachverbandes gemeinnütziger Sammler, Fairwertung, einigten sich damals sogar auf eine "Afrikaquote", um den Export einzudämmen.

Der Import schafft Arbeitsplätze für Hunderttausende

Aber die Quote ist seit zehn Jahren wieder abgeschafft, inzwischen sehen viele Experten die Folgen für die heimischen Textil-Industrien differenzierter. Der Vorwurf, dass die gebrauchten Kleider die Märkte in Afrika kaputt machten, sei anfangs vielleicht richtig gewesen, sagt Saphir Robert, Referentin beim Bundesverband Verbraucher-Initiative. Doch inzwischen dominierten Billigexporte aus Südostasien den Markt, die Secondhand-Kleidung aus den Industriestaaten sei da nicht mehr das zentrale Argument. Andere Fachleute argumentieren auch, dass der Niedergang der Textilindustrie in Afrika nur zum Teil auf den Import zurückzuführen sei und verweisen auf heimische Probleme wie Missmanagement und Korruption.

Und so rücken zunehmend die positiven Folgen des Geschäfts mit den Kleiderballen in Afrika in den Vordergrund: "Über den Handel mit der getragenen Kleidung entstehen neue Märkte", sagt Saphir Robert von der Verbraucherinitiative. Das heißt: Arbeitsplätze. Die Großhändler verkaufen ihre Ware an viele kleine Händler weiter, die mit dem aussortierten T-Shirt aus Europa ihr Geld verdienen und sich eine eigene Existenz aufbauen können - oder an Schneiderinnen, die aus den Textilien Neues schaffen. Das mögen keine gut bezahlten Jobs sein, aber würde man die Containerladungen heute stoppen, hätten Hunderttausende keine Arbeit mehr.

Die Abhängigkeit von der alten Kleidung

Und es hat eben auch seine Gründe, warum "Mitumba" so begehrt ist in vielen afrikanischen Ländern. Es ist im Grunde nicht anders als in Europa: Der Preis ist niedrig und die Auswahl groß. Als Tansania vor einigen Jahren den Import gebrauchter Kleidung verbieten wollte, baute sich deshalb eine Protestwelle auf. Viele Menschen dort sind wegen ihrer mageren Löhne auf die gebrauchte Kleidung angewiesen, die auf den lokalen Märkten für wenige Euro über den Tisch geht. Und die Qualität ist dabei zum Teil sogar besser als die der Neuware aus Asien. Auch kaufkräftigere Afrikaner schwören auf die Secondhand-Ware, denn in den Kleiderballen verbergen sich auch immer wieder Luxusmarken.

Weil "Mitumba" so beliebt ist, trifft man in Afrika Menschen, auf deren T-Shirts der Name einer US-Universität prangt oder eines deutschen Sportvereins. Die Kritik derjenigen, die bedauern, dass diese Afrikaner eben keine bunt bedruckten folkloristischen Gewänder tragen, weist Robert von der Verbraucherinitiative zurück: Eine "paternalistische Haltung aus der Kolonialzeit" sei das. Wenn jemand umdenken müsse, meint sie, "dann wir", in den Industriestaaten: beim Umgang mit den Dingen, die wir kaufen - und gleich wieder loswerden wollen.

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