Mode-Industrie:Textilbündnis verliert wichtiges Mitglied

Mode-Industrie: Dem "Bündnis für nachhaltige Textilien" ist es nach Ansicht der Kampagne für Saubere Kleidung nicht gelungen, die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken wie hier in Bangladesch zu verbessern.

Dem "Bündnis für nachhaltige Textilien" ist es nach Ansicht der Kampagne für Saubere Kleidung nicht gelungen, die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken wie hier in Bangladesch zu verbessern.

(Foto: MUNIR UZ ZAMAN/AFP)

Die Kampagne für Saubere Kleidung verlässt das Textilbündnis, das seit 2014 die Arbeitsbedingungen in Kleiderfabriken verbessern will - und attackiert die Mode-Industrie. Hat das Bündnis noch eine Zukunft?

Von Caspar Dohmen, Berlin

Ein Jahr nach dem Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch, bei dem 2013 mehr als 1130 Menschen starben, hoben in Deutschland Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft das Textilbündnis aus der Taufe. Ihr Ziel: Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken des globalen Südens verbessern. Dort, wo unsere Bekleidung genäht wird. Doch nun verlässt die Kampagne für Saubere Kleidung das Textilbündnis und stellt ihm ein schlechtes Zeugnis aus: Es "kann keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den globalen Bekleidungslieferketten nachweisen".

Für das Bündnis ist dies ein harter Schlag, denn mit der Kampagne geht der zivilgesellschaftliche Pionier für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. 30 zivilgesellschaftliche, kirchliche und gewerkschaftliche Akteure tragen die Kampagne in Deutschland, die wiederum Teil der internationalen Clean Cloth Campaign ist.

Bereits Ende 2021 hatten sich zwei kirchliche Entwicklungsorganisationen mit Verweis auf mangelnde Erfolge aus dem Textilbündnis verabschiedet. Aber es gingen zuletzt auch einige Unternehmen, darunter Trigema. Dem freiwilligen Zusammenschluss gehören noch 124 Mitglieder an, darunter 70 Unternehmen wie Adidas, Aldi, H&M oder KiK, 15 Verbände und 20 zivilgesellschaftliche Organisationen. Hat das Textilbündnis überhaupt noch eine Zukunft? Einiges dürfte von der Klausurtagung Anfang April abhängen, bei der Weichen neu gestellt werden sollen.

An einer Initiative zu Löhnen beteiligten sich nur zwölf Unternehmen

Der Knackpunkt für die Kampagne für ihren Austritt sind die "viel zu niedrigen Löhne" in den Nähfabriken. Notwendig seien andere Einkaufspraktiken der Unternehmen - sie müssten den Produzenten höhere Preise bezahlen, damit diese ihren Beschäftigten existenzsichernde Löhne zahlen könnten. Das Bündnis widme sich zwar seit Jahren dem Thema, aber "ohne messbare Ergebnisse". "Zu viele Mitgliedsunternehmen nutzen jede erdenkliche Ausrede, um sich aus der Verantwortung zu stehlen, sagt Waltraud Waidelich, Vorstandsmitglied der Kampagne. An einer Bündnis-Initiative zu besseren Löhnen beteiligten sich nur zwölf von 70 Unternehmen.

Jürgen Janssen, Leiter des Sekretariats des Textilbündnisses, verteidigt den eingeschlagenen Kurs: Die Mitglieder und das Textilbündnis als Ganzes setzten weiter einen Schwerpunkt auf höhere Löhne und "nähern sich diesem sehr komplexen Thema mit konkreten Schritten an".

Unterschiedliche Interessen gibt es aber auch zwischen beteiligten Unternehmen. Die einen haben schon lange vor der Gründung des Textilbündnisses auf eigene Faust versucht, Arbeitsbedingungen in Fabriken zu verbessern. Sie verfügen über Erfahrungen und haben höhere Ziele als Unternehmen, die sich erst seit ihrem Beitritt zum Textilbündnis damit beschäftigen. Beide Gruppen unter einen Hut zu bringen, sei nahezu unmöglich, heißt es bei einem Unternehmen. Geeignet sei das Bündnis eigentlich nur für "Neulinge", erklärt ein anderes Unternehmen. Solche Schwierigkeiten sieht auch Gisela Burkhardt von der Organisation Femnet, die den Steuerungskreis der 20 verbliebenen Nichtregierungsorganisationen leitet: "Im Textilbündnis gibt es einige Unternehmen, die konstruktiv mitarbeiten und auch selber etwas bewegen wollen - sie sind aber in der Minderheit." Nach außen würden die unterschiedlichen "Ambitionsniveaus der Unternehmen" aber nicht sichtbar, weil dem Textilbündnis auch in seinem Überprüfungsprozess der Unternehmen ein Bewertungsschema fehle. Man könne nicht auf den ersten Blick "Vorreiter und Nachzügler" erkennen.

Derartige Transparenz aber würde engagierte Unternehmen auszeichnen und gleichzeitig ein Ansporn für die anderen sein. Deshalb fordert diese Organisationen im Textilbündnis ein Bewertungsraster anhand von Leitplanken und Zielmarken, um Ambitionsniveau und Fortschritte bei den Unternehmen zu jedem der elf Risikothemen im Textilsektor deutlich zu machen, etwa existenzsichernden Löhnen. Auf eine Veränderung des Review-Prozess drängen auch Unternehmensverbände, aber aus anderen Gründen. Er bedeute "in seiner jetzigen Ausgestaltung für die Unternehmen einen enormen Kapazitätsaufwand und liefert einen kaum messbaren Mehrwert", heißt es beim Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie.

Die Kampagne für Saubere Kleidung befürchtet dagegen eine weitere Verwässerung der Anforderungen für die Mitglieder. "Uns fehlt das Vertrauen in ein Bündnis, bei dem die Unternehmenslobby kontinuierlich bremst, während sich die Lebenssituation der Menschen in den Lieferketten gerade in der Corona-Pandemie nochmal dramatisch verschlechtert hat," sagt die Kampagnen-Koordinatorin Isabell Ullrich. Allerdings haben sich auch die Rahmenbedingungen seit der Gründung des Textilbündnisses verändert. Ab dem kommenden Jahr gilt in Deutschland ein Lieferkettengesetz und in der EU wird über ein solches Gesetz verhandelt. Damit müssen Unternehmen verbindlich Verantwortung für die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten übernehmen und es stellt sich die Frage, welchen Mehrwert darüber hinaus freiwillige Initiativen wie das Textilbündnis leisten können.

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