Textilhandel:Fairtrade bei Kleidung

Textilarbeiter in Kambodscha

Textilarbeiterinnen in Kambodscha. Ihr Lohn reicht meist nicht, um die Grundbedürfnisse ihrer Familien zu decken. Das soll sich nun ändern.

(Foto: Mak Remissa/dpa)

Das billige T-Shirt, die günstige Hose: Viele kaufen sie ohne schlechtes Gewissen - bis die nächste Textilfabrik in Asien abbrennt. Nun will der faire Handel konkret etwas dagegen tun.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Um ein Oberhemd herzustellen, braucht es etwa 140 Arbeitsschritte, vom Anbau der Baumwolle bis zum Annähen des letzten Knopfes. Entsprechend viele Menschen sind an der Herstellung beteiligt, ob als Bauern, Färber, Spinner oder Näher. Viele arbeiten unter miesesten Bedingungen und werden auch noch erbärmlich entlohnt für ihre Arbeit. Das ist hinlänglich bekannt und wird jedes Mal Thema, wenn es irgendwo zu einem Unglück kommt oder besonders skandalöse Zustände aufgedeckt werden. Dass die Lieferkette so komplex sei, muss jedoch auch regelmäßig dafür herhalten, dass es bislang keine wesentlichen Verbesserungen für die Beschäftigten in den Textilbetrieben gibt, deren Notwendigkeit zumindest verbal Hersteller regelmäßig betonen.

Der faire Handel will es anders machen und die Menschen entlang der gesamten Lieferkette tatsächlich besser entlohnen. Bei der Ethical Fashion Show präsentierten sich die ersten drei Partnerfirmen, die den neu entwickelten textilen Standard verwirklichen wollen: 3Freunde, Shirts for Life und Melawear - allesamt sehr junge und kleine Firmen. Sie wollen die Löhne innerhalb von sechs Jahren auf ein Niveau anheben, das für ein existenzsicherndes Leben der Arbeiter ausreicht. Erstmals nannte der faire Handel dafür jetzt auch einen Lohnrahmen, zumindest für die beiden Länder Indien und Bangladesch, in denen die faire Produktion der Textilien zunächst komplett erledigt werden soll.

Der anvisierte faire Lohn soll zwischen dem von Gewerkschaften und der asiatischen Grundlohnkampagne geforderten liegen. In Indien wären es zwischen 195 Euro und 244 Euro monatlich und in Bangladesch zwischen 165 Euro und 283 Euro, sagte Dieter Overath, Geschäftsführer bei Transfair Deutschland. Die Organisation betreut das Projekt federführend für den gesamten fairen Handel. Der gesetzliche Mindestlohn für Textilarbeiter liegt in den wichtigen Produzentenländern heute durchweg unter dem existenzsichernden Lohn, oft um 70 bis 80 Prozent.

Der faire Handel hatte 2005 damit begonnen, faire Baumwolle zu zertifizieren, nun nimmt er die gesamte textile Wertschöpfungskette in den Blick. Von den beteiligten Unternehmen verlangt der faire Handel völlige Transparenz bei der Offenlegung der Lieferanten, auch von Sublieferanten. Das ist ein wesentlicher Punkt, denn Sublieferanten zu beauftragen ist eine beliebte Methode, um strenge Vorgaben in der Textilwirtschaft zu umgehen. Der Abnehmer präsentiert sich tadellos, die Hauptarbeit wird aber bei Zulieferern zu katastrophalen Bedingungen erledigt.

Große Unternehmen haben Interesse am fairen Handel, schauen aber erst mal nur zu

Eine zentrale Rolle spielt bei dem Ansatz die Zertifizierung. Flocert, die unabhängige Zertifizierungsorganisation von Fairtrade, soll beteiligte Betriebe angekündigt, aber auch überraschend kontrollieren. Dabei werden die Arbeiter durch demokratisch gewählte Vertreter beteiligt, was selbst Kritiker des Ansatzes loben. Ein Audit allein werde wenig verändern, begründet Overath diese Beteiligung, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen müssten eingebunden werden.

Kritik am Ansatz des fairen Handels kommt von der Kampagne für saubere Kleidung, einem Zusammenschluss vor allem von NGOs, die teils ebenfalls den fairen Handel mittragen. Der Textilstandard sei das "falsche Instrument für diese Industrie", weil sich der Standard nur auf ein einzelnes Produkt und eine ausgewählte Lieferkette beziehe und nicht auf die gesamte Geschäftstätigkeit". Die große Angst: Einzelne faire Vorzeige-Produkte könnten als Alibi für eine 99-prozentige schmutzige Produktpalette genutzt werden.

Dieser Vorwurf trifft jedoch nicht die drei Pionierfirmen, denn sie sind an einer komplett fairen Produktion interessiert. Große Unternehmen zeigen dem fairen Handel bislang ohnehin die kalte Schulter, manche haben aber durchaus Interesse: Der neue Standard sei "eine Option, wenn er in der textilen Kette einen Verbesserungsprozess in Gang setzen kann", sagt etwa Tchibo-Manager Achim Lohrie. Dafür müsse aber der Ansatz "zugunsten einer stärkeren Betonung der Entwicklungsbegleitung der Produzenten in der textilen Kette aufgebrochen werden". Lob und Einschränkung kommt auch aus der Politik. "Der Ansatz des fairen Handels ist wichtig. Das Textilbündnis ist allerdings noch breiter angelegt und soll die gesamte Branche zu Verbesserungen bewegen", sagt Bernhard Felmberg, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dessen Hausherr Gerd Müller (CSU) das Textilbündnis initiiert hat.

Dessen Aktivitäten gehen dem fairen Handel aber viel zu langsam. Er sieht seinen Ansatz durchaus "als Blaupause" für das Bündnis, bei dem er ebenfalls mit am Tisch sitzt. Glaubt man den drei Unternehmen, die jetzt beim fairen Standard mitmachen, dann wird sich die faire Produktion nur geringfügig oder sogar gar nicht auf den Preis für ihre Waren auswirken. Für eine faire Bezahlung entlang der Lieferkette rechnet Henning Siedentopp von dem Lüneburger Label Melawear mit einem Anstieg der Kosten gerade einmal im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

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