Tether:Kryptische Währung

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Der Bitcoin-Konkurrent Tether, den viele als Tauschwährung nutzten, galt als besonders vertrauenswürdig, weil er eins zu eins mit dem US-Dollar gedeckt sein soll. Dass das wirklich stimmt, wird inzwischen zunehmend bezweifelt.

Von Christian Gschwendtner, München

In der Bitcoin-Welt liegen die Nerven gerade blank. Sehen kann man das an vermeintlichen Kleinigkeiten. Zum Beispiel an einem gesperrten Twitter-Konto. Getroffen hat es dieses Mal den Nutzer Bitfinex'ed. Am Dienstag setzte er noch Tweets ab, Stunden später war sein Konto nicht mehr verfügbar. Sein Verdacht: "Sie wollen uns zum Schweigen bringen."

Sie - das ist in diesem Fall nicht der Kurznachrichtendienst Twitter, der das Konto dichtgemacht hat. Sondern die weltgrößte Tauschbörse für Kryptowährungen mit einem ganz ähnlichen Namen: Bitfinex. Vor ihr warnt der Twitternutzer seit Monaten. Er gehört zu den größten Kritikern der Tauschbörse. Er stellt Analysen ins Internet, die belegen sollen, dass hinter Bitfinex der bisher größte Betrug in der Kryptowelt steckt. Eine Einschätzung, mit der er inzwischen nicht mehr alleine ist.

Im Mittelpunkt steht eine bisher fast unbekannte Kryptowährung mit dem Namen "Tether". Sie wird von den Betreibern der Tauschbörse Bitfinex herausgegeben. Das Besondere an Tether ist, dass die Münzen 1 zu 1 an den Dollar gekoppelt sind. Für jede virtuelle Münze muss also irgendwo auch eine Dollarnote auf einem Bankkonto liegen. Das ist der Grund, warum Tether besonders beliebt bei Spekulanten ist. Sie zocken gerne mit anderen Kryptowährungen und wechseln die Gewinne dann in das angeblich sichere Tether. So lassen sich auch Steuern sparen, die beim Umtausch in Dollar oder Euro fällig geworden wären. "Stable Coins" heißen die Tether-Münzen in der Szene. Eine stabile Währung - ohne Schwankungen, ohne Risiko. Zumindest in der Theorie.

Gerade verdichten sich nämlich die Hinweise, dass Tether womöglich gar nicht so sicher ist. Die Betreiber haben noch immer nicht nachgewiesen, dass sie die entsprechenden Dollarreserven auch tatsächlich besitzen. Es müssten 2,28 Milliarden Dollar sein. So viele Tether-Münzen sind inzwischen im Umlauf. Eigentlich sollte die amerikanische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Friedmann LLP für Klarheit sorgen. Tether hat sie beauftragt, die Bücher und Bilanzen zu prüfen. Nur um sich kurz vor Veröffentlichung des finalen Reports Anfang Februar wieder von Friedmann zu trennen. Das Ende der Geschäftsbeziehung flog auf, als das grüne Tether-Logo von der Website der Wirtschaftsprüfer verschwand. Aufmerksamen Krypto-Anlegern ist das nicht entgangen. Tether räumte die Trennung daraufhin gegenüber der Website Coindesk ein.

Auch US-Behörden sind inzwischen misstrauisch geworden. Die Finanzaufsicht CFTC soll bereits Anfang Dezember Vorladungen an die Verantwortlichen von Tether verschickt haben. Die brachten allein im Januar neue Tether-Münzen im Wert von 850 Millionen Dollar auf den Markt. Viel Stoff für Spekulationen.

Im Raum steht noch ein anderer Vorwurf: Einige Analysten mutmaßen, dass das Team hinter Tether und Bitfinex womöglich den Bitcoinpreis künstlich nach oben getrieben hat. Immer dann, wenn der Bitcoin schwächelte, seien neue Tether auf den Markt gebracht worden, heißt es. Mit genau diesen Tether habe man dann Bitcoins gekauft und so die Nachfrage künstlich angekurbelt. Ein Krypto-Fondsmanager sagte der New York Times: "Das könnte bedeuten, dass die Rally im Januar und Dezember nicht echt gewesen ist."

Stimmt die Theorie, wäre der wundersame Bitcoin-Kursanstieg auf 20 000 Dollar nichts anderes als ein riesengroßer Betrug. Tether selbst will sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Offenbar haben sich aber zwei Gründer der Firma bei einem Insider-Treffen in Mexico vor einer Woche den kritischen Fragen der Krypto-Gemeinschaft gestellt. So berichtet es der Krypto-Unternehmer und Buchautor Aaron Koenig. Die beiden Tether-Leute hätten demnach klar gemacht, dass an den Gerüchten nichts dran sei. "Sie vermuten, dass dahinter Leute stecken, die der gesamten Kryptoszene schaden wollen", sagt Koenig. Sollten Anleger trotzdem das Vertrauen in Tether verlieren, droht ein virtueller Bank-Run. Anleger könnten ihr gesamtes Geld abziehen. Spätestens dann wird sich zeigen, wie es wirklich um die Dollarbestände bestellt ist.

Oliver Flaskämper, Gründer und Geschäftsführer der einzigen deutschen Bitcoin-Börse, kann sich nur schwer vorstellen, dass Tether keinen einzigen Dollar hinterlegt hat. Ein gewisses Risiko sei aber nicht von der Hand zu weisen. Andere sehen die Lage deutlich bedrohlicher. Krypto-Unternehmer Julian Hosp hält Tether für ein "systemisches Risiko", das theoretisch die ganz Krypto-Welt in die Knie zwingen könnte. Eine Einschätzung, die vermutlich auch der gesperrte Twitter-Nutzer Bitfinex'ed teilt. Sein Konto wurde nach wenigen Stunden wieder freigeschaltet. Es soll sich um ein Versehen gehandelt haben. Bitfinex'ed ist wieder aktiv - und warnt weiter.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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