Süddeutsche Zeitung

Teslas Hochgeschwindigkeitsbau:Energieschub aus Amerika

Lesezeit: 4 min

Die Ansiedlung von Tesla ist das größte Projekt in Brandenburg seit der Wende. Seine Bedeutung weist über die Grenzen des Landes hinaus. Nun schreitet der Bau der Fabrik rasch voran. Dabei steht die Genehmigung dafür noch aus.

Von Jan Heidtmann

We are always thinking about how to go fast", das hatte Evan Horetsky kürzlich noch bei einem Besuch auf der Baustelle gesagt. Horetsky ist ein gelassener und sympathischer Mittdreißiger, seit Jahren in den Diensten von Tesla. Erst in der Fahrzeugproduktion, dann beim Fabrikbau in Reno und Shanghai, schließlich als Projektleiter für Teslas vierte Gigafactory. Horetsky hatte dafür sein Haus in den USA verkauft und war nach Berlin umgesiedelt. "Wir denken immer darüber nach, wie wir schnell sein können", war dabei sein Mantra. Bis es ihn selber erwischte.

Es war offenbar nur ein kleiner Fehler, den er gemacht hatte. Weil Tesla eine Rechnung nicht bezahlt hatte, wurde der Baustelle kurzzeitig das Wasser abgestellt. Es dauerte keine Woche und Horetsky durfte seine Papiere abholen. Wieder einmal hatte Tesla schnell reagiert. Aus jeder Woche, jedem Tag und jeder Stunde noch mehr Zeit "rauszupressen", die "theoretische Geschwindigkeit", wie Horetsky es nannte, in der Praxis zu schlagen, war nicht nur seine Devise. Es ist auch Teslas Angang beim Bau der neuen Autofabrik im brandenburgischen Grünheide.

Nicht einmal ein Jahr ist vergangen, seitdem Firmenchef Elon Musk bei der Verleihung des Goldenen Lenkrads in Berlin verkündete, dass seine Wahl auf Brandenburg gefallen sei. 500 000 Elektroautos sollen hier einmal gebaut werden, Produktionsbeginn spätestens Sommer 2021. Heute sind auf der Baustelle schon die Rohbauten einzelner Fertigungshallen zu sehen. Die Monate dazwischen erscheinen im Rückblick wie im Zeitraffer. Dabei musste der Autobauer jede Menge Hürden nehmen, jede einzelne hätte andere Projekte zum Stillstand gebracht. Nicht so bei Tesla.

Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Brandenburgs Landesregierung nie einen Zweifel daran gelassen hat, für wie wichtig sie die Ansiedlung hält. Das begann schon damit, dass es Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (beide SPD) über Monate gelungen war, die Verhandlungen mit den Amerikanern geheim zu halten, um sie nicht zu gefährden. Nachdem Musk das Projekt öffentlich gemacht hatte, gründete die Landesregierung sogleich die "Tesla-Taskforce". Als es anfangs wegen der Abholzung eines Kiefernwaldes vor allem darum ging, die Naturschutzverbände für das Projekt zu gewinnen, gab es bis zu sechs Telefonkonferenzen täglich mit der Taskforce.

Die letztgültige Baugenehmigung steht noch aus - ein Risiko für Tesla

Später, als der Bau so weit war, das Fundament der Fabrik zu legen und die ersten Gebäude zu errichten, wurde dies Tesla nur ausnahmsweise aber auch schnellstmöglich gestattet. Denn die letztgültige Baugenehmigung steht noch aus. Was Tesla bis dahin abholzt, umgräbt oder errichtet, geschieht auf eigenes Risiko. Sollte die Fabrik doch nicht genehmigt werden, müsste das Unternehmen das Gelände wieder in seinen Urzustand versetzen. Aber es waren nicht nur die angekündigten 12 000 neuen Arbeitsplätze, die die Regierenden anspornte. Ihnen ging es von Anfang an auch um die symbolische Bedeutung dieser Ansiedlung. "Die Teslafabrik ist ein Projekt, das auch ein Anker sein kann, an dem sich andere aufrichten können", sagte Wirtschaftsminister Steinbach. Nicht nur für Brandenburg, sondern auch für den Rest der Republik. Im Tesla-Kosmos würde Deutschland so gleichziehen mit Produktionsstandorten wie den USA oder China. Die Fabrik sei "ein Signal von Brandenburg hinaus in die Welt."

Wie sehr Steinbach damit recht hat, zeigte sich wenig später, als der Fabrikbau in Grünheide kurzzeitig stockte. Ein kleiner Umweltverband hatte mittels Eilantrag im Februar einen Rodungsstopp erwirkt, die Richter am Oberverwaltungsgericht in Brandenburg hatten das Wort. Als sie die Anträge nach ein paar Tagen bangen Wartens abwiesen, war die Erleichterung quer durch die Republik zu spüren. "Ein wichtiges Signal für den Investitionsstandort Deutschland", hieß es beim Bundesverband der Industrie.

Fast gleichlautend reagierte Bundeswirtschaftminister Peter Altmaier (CDU): Das Urteil sei "ein wichtiges Signal". Und selbst die Grünen schienen sich über die Niederlage des Umweltverbandes zu freuen. "Eine Kiefernholzplantage zum Kampffeld zu machen, ist absurd. Das hat mit Naturschutz nichts zu tun", sagte Oliver Krischer, immerhin stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Fairerweise muss gesagt werden, dass Tesla alle Umweltauflagen eingehalten hat. Angefangen mit der Umsiedlung von Ameisen und Fledermäusen bis hin zum geplanten Wasserverbrauch, den die Fabrik erheblich heruntergefahren hat. Und doch wirkte es manchmal so, als hätte Elon Musk die Deutschen und ihre Behörden mit seinem Tempo schlicht überrumpelt. Ein Eindruck, der Anfang September durch eine Stippvisite Musks in Berlin und Brandenburg verstärkt wurde. Über Twitter hatte er einen Tag zuvor seinen Besuch in Deutschland angekündigt, Details seines Terminkalenders blieben jedoch geheim. Als er schließlich mit seinem Privatjet auf dem Flughafen Schönefeld landete, begann das Rätselraten: Wen wird Musk wann besuchen? Viele hofften auf ein Treffen mit Musk, das Verwirrspiel reichte bis in die obersten Etagen von Bundesministerien. Welcher andere Unternehmer könnte sich ein solches Gebaren erlauben?

Vier Tage waren für die Anhörung angesetzt worden. Am Ende wurden fast zwei Wochen daraus

Im Herbst wurde die Geschwindigkeit, mit der Tesla in Grünheide voranschreitet, dann doch zum Problem. Bei Projekten dieser Dimension müssen die Einwendungen der Bürger angehört werden. Ursprünglich sollte dies im April geschehen, wegen Corona musste der Termin auf Anfang Oktober verschoben werden. Derweil waren die Arbeiten an der Fabrik kräftig vorangeschritten. Es fiel schwer zu glauben, dass Tesla tatsächlich all das wieder würde zurücknehmen können, sollte die Baugenehmigung schließlich doch nicht erteilt werden.

Vier Tage waren für die Anhörung in der Stadthalle von Erkner bei Berlin angesetzt worden. Am Ende wurden fast zwei Wochen daraus - die Autofabrik hatte die Bürger mobilisiert. Kommen normalerweise 15 Prozent derjenigen, die angemeldet sind, zu solchen Anhörungen, war es bei Tesla fast ein Drittel. Die Debatten waren so turbulent, dass der erste Moderator nach vier Tagen aufgab. Gut 400 Einwendungen muss das Landesamt für Umwelt nun abarbeiten, bis über die Baugenehmigung abschließend entschieden wird.

Tesla wird die Fabrik in dieser Zeit weiter ausbauen, auch ohne Evan Horetsky. Getreu dem Motto "We are always thinking about how to go fast"

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SZ vom 30.10.2020
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