Elon Musk:Genie und Wahnsinn

Elon Musk: Ab und zu ließ sich Tesla-Chef Elon Musk auf der Baustelle in Grünheide blicken.

Ab und zu ließ sich Tesla-Chef Elon Musk auf der Baustelle in Grünheide blicken.

(Foto: MICHELE TANTUSSI/REUTERS)

An diesem Dienstag wird im brandenburgischen Grünheide das neue Werk des Autobauers Tesla eröffnet. Geschaffen hat es ein Mann, der Pioniergeist und Hybris wie kein Zweiter in sich vereint.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Wenn man es positiv wendet, dann kann man nur bewundernd zur Kenntnis nehmen, dass dieser Elon Musk wohl tatsächlich vor nichts und niemandem Angst hat. "Ich fordere hiermit Wladimir Putin zu einem Kampf Mann gegen Mann heraus", schrieb der Chef des Autobauers Tesla und des Raumfahrtkonzerns Space-X vor ein paar Tagen im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Wer das Duell gewinne, so der US-Milliardär sinngemäß weiter, dürfe darüber bestimmen, wie es mit der Ukraine weitergehe.

Elon Musk regelt mit seinen Fäusten, was der Westen mit Sanktionen, Waffenlieferungen und politischen Drohungen nicht hinbekommt: Man kann einen solchen Vorschlag als mutig bezeichnen - oder als den Gipfel des Zynismus in einer an zynischen Momenten wahrlich nicht armen Vita. Nicht einmal ein Krieg, nicht einmal das Leid von Millionen Menschen, so würde diese Lesart lauten, können den reichsten Mann des Planeten davon abhalten, sich in den Vordergrund zu drängen und die traurige Weltlage für einen PR-Stunt in eigener Sache zu missbrauchen.

Genie und Wahnsinn, Pioniergeist und Hybris - es gibt weltweit wohl keinen anderen Unternehmer, der alle diese gegensätzlichen Eigenschaften so sehr in sich vereint wie der Sohn eines südafrikanischen Maschinenbauingenieurs und eines kanadischstämmigen Models. Seine schillernde Persönlichkeit macht Musk schon seit Jahren immer wieder zum Gegenstand aller möglichen Kontroversen, sie war aber auch der Grundstein für die Errichtung eines Firmenimperiums, das die Welt tatsächlich verändert hat: Space-X-Raketen befördern Menschen zur Internationalen Raumstation ISS und übernehmen damit einen Job, zu dem die Nasa, die bedeutendste Weltraumbehörde der Welt, nicht mehr in der Lage ist. Der Satellitendienst Starlink versorgt entlegene oder zerbombte Weltregionen wie die Ukraine mit Internetanschlüssen. Tesla baut Autos, die für viele Käufer nicht nur Statussymbol sind, sondern die der Pkw-Branche den größten Umbruch seit Erfindung der Fließbandproduktion beschert haben.

Zu besichtigen ist der Fortschritt im brandenburgischen Grünheide, ein paar Kilometer südöstlich der Berliner Stadtgrenze, wo Musk an diesem Dienstag die neueste "Giga-Factory" des Autobauers eröffnet. Das Werk steht exemplarisch für die Art und Weise, wie der Tesla-Chef Fakten schafft und die Politik dauernd vor sich hertreibt. Wo anderswo jahrelang über Investitionen debattiert wird, ließ er binnen zwei Jahren eine Fabrik für sechs Milliarden Euro in den märkischen Sand bauen, obwohl er bis vor ein paar Tagen nicht einmal über eine endgültige Baugenehmigung verfügte und Umweltverbände wegen möglicher Auswirkungen auf die Wasserversorgung reihenweise vor Gericht gingen. Musk reagierte auf die Klagen, wie er beinahe immer auf Kritik reagiert - mit Schnoddrigkeit und Spott: Brandenburg sei mitnichten eine Region, der es an Wasser mangele, erklärte er, "sonst würden hier ja kaum Bäume wachsen".

Musk hält wenig von staatlichen Regeln und demokratischen Prozessen

Obwohl viele Politiker mit dem exzentrischen Unternehmer immer wieder im Clinch liegen, obwohl Musk US-Präsident Joe Biden jüngst als "feuchte Sockenpuppe" und Kanadas Premier Justin Trudeau gar als "Hitler" bezeichnete, sind die Mächtigen doch oft nicht fern, wenn der Computer- und Technik-Nerd aus dem fernen Texas anreist: Mit Olaf Scholz und Robert Habeck wollten am Dienstag sowohl der Kanzler als auch der Vizekanzler an der Eröffnung des Werks in Grünheide teilnehmen.

Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Musk immer wieder zu verstehen gegeben hat, was er von Politik, von demokratischen Entscheidungsprozessen und staatlichen Regeln hält: gar nichts. Seit Jahren liegt er mit der US-Finanzmarktaufsicht überkreuz, weil er ein ums andere Mal die Börsen mit Tweets vor sich hertreibt, von denen niemand weiß, ob sie nun ernst gemeint sind oder nicht. Die Corona-Beschränkungen bezeichnete er als staatliche Gängelung, Kritik, er zahle trotz seines Vermögens von zeitweise rund 340 Milliarden Dollar kaum Steuern, konterte er, indem er seine Fans per Online-Votum darüber abstimmen ließ, ob er Tesla-Aktien im Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar verkaufen soll.

Musk steht damit in der Tradition libertärer US-Unternehmer, die alle staatlichen Vorschriften für eine Beschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit halten und der Meinung sind, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn allein innovative Firmengründer das Sagen hätten. Ein weiterer Vertreter dieser Gattung ist etwa der deutschstämmige Investor Peter Thiel, mit dem Musk einst den Bezahldienst Paypal gründete. Beide schufen damit die Basis für ihre heutigen Milliardenvermögen.

Mit den neuen Werken in Grünheide, im chinesischen Shanghai und vor den Toren der texanischen Hauptstadt Austin will der einstige Physik- und Ökonomie-Student jetzt den nächsten großen Schritt gehen und Tesla vom Nischen- zum Massenhersteller weiterentwickeln. Dass er seine Europa-Fabrik ausgerechnet in Deutschland ansiedelt, dem Land von Volkswagen, Mercedes, BMW und Audi, ist dabei kein Zufall. Es zeugt vielmehr von einem Maß an Selbstvertrauen, wie es vielleicht nur jemand entwickeln kann, der als Kind von seinen Mitschülern gemobbt und geschlagen wurde - und es dann allen gezeigt hat. Dass die Chefs der etablierten Hersteller in Wolfsburg, Stuttgart, München oder Ingolstadt nervös blinzeln, wenn sein Name fällt, dürfte Musk zwar gefallen, seinen Ehrgeiz aber nicht befriedigen. Er hat längst Ziele ins Auge genommen, die weit über Brandenburg und Shanghai hinausreichen. "Ich will auf dem Mars sterben", sagte der Raketenbauer einst, "nur nicht bei der Landung."

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