Süddeutsche Zeitung

Terror:Bahn rüstet sich gegen Anschläge

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Die Sicherheit in Zügen und Bahnhöfen soll nach dem Amoklauf in München und den Terrorattacken steigen. Geplant sind: 500 zusätzliche Kräfte, Körperkameras, mehr Videoüberwachung.

Von Guido Bohsem, Berlin

Unter Experten gibt es den Begriff des subjektiven Sicherheitsgefühls. Es ist bedroht, wenn Menschen um ihre Sicherheit fürchten, obwohl dafür kein Anlass besteht, wenn die Angst in den Nacken kriecht, obwohl die Fakten Beruhigung suggerieren sollten. Nach dem Amoklauf in München und den Attentaten in Würzburg und Ansbach verspüren immer mehr Menschen diese subjektive Unsicherheit. Auch in Bahnhöfen und Zügen. Einfach, weil dort viele Menschen zusammenkommen und weil das in diesen Tagen der Gewalt nach Gefahr riecht.

Die Deutsche Bahn (DB) will auf diese Befindlichkeit reagieren und ihre Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärfen. Man plane mit bis zu 500 zusätzlichen Sicherheitsleuten, sagte DB-Chef Rüdiger Grube am Mittwoch in Berlin. Damit wären künftig insgesamt 4200 Kräfte im Einsatz, um für Ordnung zu sorgen. Die Sicherheitskräfte der DB haben keine polizeilichen Vollmachten und dürfen nur im Rahmen des Jedermannsrechts eingreifen. Deshalb arbeiten sie eng mit circa 5000 Bundespolizisten zusammen, die ebenfalls zum Schutz der Reisenden und des Zugpersonals eingesetzt werden.

Tatsächlich ereignen sich bei der Bahn weniger Delikte als oft angenommen. Nach Angaben eines Sprechers passiert in einer Stadt wie Berlin mit 3,5 Millionen Einwohnern am Tag doppelt so viel wie in den Zügen, Bussen und Bahnhöfen, die täglich von 7,4 Millionen Menschen frequentiert werden. 12 500 Körperverletzungen habe die Bundespolizei 2015 registriert. Das seien rund 1100 weniger gewesen als noch im Vorjahr. Viele Vorfälle passieren, wenn Fans zu Fußballspielen fahren oder im Rahmen großer Volksfeste. So ereignen sich während des Oktoberfests etwa 20 Prozent aller Straftaten, die im bayerischen Bahnverkehr pro Jahr registriert werden. Grundsätzlich gilt, dass es in Bahnhöfen zu mehr Vorfällen kommt als in Zügen - und im Nahverkehr zu mehr als im Fernverkehr.

"Es ist intensives Bemühen der DB, dass Bahnhöfe und Züge weiterhin zu den sichersten Orten im öffentlichen Raum zählen", sagte Bahn-Chef Grube. Sein Konzern investiere dafür jedes Jahr rund 160 Millionen Euro in Sicherheitsvorkehrungen. Als Beispiel führte Grube die Kameraüberwachung an. "Wir bauen die Videotechnik kontinuierlich aus." Insgesamt seien derzeit in den Regionalzügen und S-Bahnen 27 000 Kameras installiert, in den 700 Bahnhöfen überwachten rund 5000 der Geräte das Geschehen. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen zur Abwehr möglicher Terrorschläge einen Ausbau der Videoüberwachung beschlossen und 85 Millionen Euro dafür eingeplant.

"Doch selbst ein noch so ausgeklügeltes Sicherheitskonzept wird derartige Gewalttaten nie restlos ausschließen können", sagte Grube mit Blick auf den Amoklauf von München und die Anschläge der vergangenen Tage. Zur Vermeidung von Gewalt testet das Unternehmen gerade sogenannte Bodycams. Das sind zumeist an der Schulter getragene Kameras für Sicherheitskräfte. Häufig sind diese Aufnahmegeräte mit einem Monitor ausgestattet, auf dem ein potenzieller Angreifer erkennen kann, dass seine Taten aufgezeichnet werden.

Nach Grubes Worten sollen die Geräte spätestens Anfang des kommenden Jahres flächendeckend bei allen Sicherheitskräften eingesetzt werden. Die Hoffnung dahinter: Wer sich von einer Kamera beobachtet fühlt, benimmt sich besser. Und wenn sich jemand danebenbenimmt, belegen Bilder, wie es dazu kam. Allerdings sind auch diese Geräte aufgrund der hohen technischen Anforderungen mit einem Preis von bis zu 1000 Euro das Stück nicht gerade billig.

Wie viele Sicherheitsleute genau in den Regionalzügen mitführen, hänge nicht von der Bahn ab. Die Zahl richte sich danach, wie viele von den Ländern oder anderen Auftraggebern bei der Ausschreibung für den Regionalverkehr bestellt würden. Das Unternehmen dränge hierbei immer wieder darauf, mehr für die Sicherheit zu tun. Aus Sicherheitsgründen will die Bahn nicht genau angeben, wie viele Sicherheitsleute und Bundesbeamte in den jeweiligen Zügen eingesetzt sind. Grube sagte allerdings, dass etwa ein Drittel der derzeit insgesamt 8700 Kräfte in den Zügen zum Einsatz komme und zwei Drittel auf den Bahnhöfen. Allerdings sind die meisten Mitarbeiter an beiden Orten im Einsatz. So beginnen sie mit ihrer Streife zum Beispiel auf einem Bahnhof, steigen in einen Zug und an einem der nächsten Bahnhöfe wieder aus. Zur Sicherheit sind in Zügen, die aus dem Ausland kommen, zudem verstärkt Bundespolizisten im Einsatz.

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SZ vom 28.07.2016
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