Tengelmann:Wie Edeka Kaiser's Tengelmann doch noch schlucken will

Kaiser's Tengelmann

Der Schriftzug Kaiser's beziehungsweise Tengelmann wird bald verschwinden. Dann gehören die Läden zu Edeka oder Rewe.

(Foto: Mauersberger/Imago)
  • Edeka will den Konkurrenten Kaiser's Tengelmann nach wie vor übernehmen, trotz eines vorläufigen Verbots.
  • Dazu will Edeka möglichst schnell einen Tarifvertrag aushandeln, der die 16 000 Jobs beim kleineren Rivalen rettet.
  • Die kommenden Wochen werden entscheidend, weil mehrere Fristen und Gerichtsentscheidungen anstehen. Wie groß die Erfolgsaussichten für Edeka sind, ist allerdings unklar.

Von M. Bauchmüller, M. Kläsgen, K. Riedel und K. Ott

Gewerkschaftsmann Hubert Thiermeyer stutzte, als er am Donnerstag in München die Vorschläge der Supermarktkette Edeka für einen neuen Tarifvertrag in die Hände bekam. Für einen Tarifvertrag, der 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann sichern soll. Edeka will den Konkurrenten Tengelmann nach wie vor übernehmen, trotz des vorläufigen Verbots durch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf; und arbeitet deshalb weiter an diesem Zusammenschluss. Der ist allenfalls dann möglich, wenn die 16 000 Stellen erhalten bleiben. So will es Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Also muss ein Tarifvertrag von Edeka mit der Gewerkschaft Verdi her, der die Arbeitsplätze rettet. Ein Vertrag, der vielleicht auch das OLG Düsseldorf überzeugt. Irgendwie.

Die Gewerkschaft Verdi will das Ihre dazu beitragen. "Verdi setzt alles daran, sich bis Ende des Monats mit Edeka zu einigen", sagt Thiermeyer, Landesleiter Handel der Gewerkschaft in Bayern. Aber es werde keinen Tarifvertrag "um jeden Preis" geben. Die Vorschläge von Edeka blieben hinter den Vereinbarungen zurück, die man nach zehn zähen Verhandlungsrunden eigentlich getroffen habe.

Edeka äußert sich nicht zum Stand der Gespräche mit den Gewerkschaften. Aber klar ist: Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler will nicht klein beigeben. Der Verhandlungspoker ist in vollem Gange.

Bisher hat Edeka nicht gerade auf die Gewerkschaften gesetzt

Klar ist aber auch: Edeka muss handeln, nachdem das OLG Düsseldorf die Übernahme der inzwischen nur noch 430 Supermärkte von Kaiser's Tengelmann durch Edeka vorläufig gestoppt hatte. Diese Woche legte das Gericht noch einmal nach. Der Tenor: Bei der Sondererlaubnis von Minister Gabriel für das Zusammengehen der beiden Supermarktketten habe es eklatante Verfahrensfehler gegeben.

Jetzt will Edeka retten, was zu retten ist. 430 Märkte sind nicht viel, wenn man schon 3300 hat. Nur: Die meisten von Kaiser's Tengelmann liegen in München und Berlin, zwei attraktiven Standorten. Die will man sich nicht entgehen lassen. Nach dem Schock durch den OLG-Entscheid will Edeka jetzt Fakten schaffen. Die kommende Woche ist dabei von entscheidender Bedeutung. Es stehen Tarifverhandlungen mit Verdi nicht nur in Bayern, sondern auch in NRW und in Berlin an, überall dort, wo Kaiser's Tengelmann vertreten ist.

In Berlin könnte es als Erstes zu einer Einigung kommen, am Dienstag und Mittwoch soll in NRW abschließend verhandelt werden. In Bayern könnte am 28. Juli ein Tarifvertrag unterzeichnet werden. So könnte es im Idealfall für Edeka laufen, aber was heißt schon Idealfall? Edeka sah sein Erfolgsmodell immer auf dem "selbständigen Kaufmann" beruhen, der möglichst ungestört von Gewerkschaftseinfluss oder Betriebsräten agieren konnte. Jetzt ist Edeka auf Verdi angewiesen. Beide sitzen plötzlich in einem Boot.

Die Zeit ist sehr knapp

Edeka muss bis spätestens Mitte August bei der Justiz Beschwerde dagegen erheben, dass das OLG Düsseldorf seinen vorläufigen Beschluss für nicht anfechtbar erklärt hat. Die Frist läuft also bald ab. Und damit auch die Zeit für Tarifabschlüsse der Handelskette mit Verdi, die belegen sollen: Edeka meint es Ernst mit Kaiser's Tengelmann. Mit der Rettung der Arbeitsplätze dort. Ohne Tarifverträge braucht es Edeka erst gar nicht zu versuchen, den Beschluss des OLG Düsseldorf auszuhebeln.

Und dann ist da noch Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, dem der Geduldsfaden reißen könnte. Haub hat in dem Verfahren immer wieder, mehr oder weniger dezent, mit der Zerschlagung seiner Supermarktkette gedroht. Zuletzt tat er es öffentlich bei der außerordentlichen Hauptversammlung seines Unternehmens Mitte Juli. Einen Tag, nachdem das OLG Düsseldorf eingeschritten war. Haub dringt darauf, dass sich Edeka und die Gewerkschaften bis Ende dieses Monats endlich einigen. Ursprünglich hatten sie vor, alles ganz rasch bis Ende Mai durchzudeklinieren. Jetzt sind bald zwei weitere Monate ergebnislos verstrichen. Die Sommerferien in mehreren Bundesländern könnten die zähen Verhandlungen weiter verzögern.

Dem Vernehmen nach will das OLG Düsseldorf aber schon Anfang September zur Hauptverhandlung bitten, bei der endgültig über Edeka und Kaiser's Tengelmann entschieden werden soll. Das ist, neben der jetzt entstehenden Beschwerde gegen den vorläufigen Übernahmestopp, die nächste Chance. Die nächste Gelegenheit, doch noch zu fusionieren. Aber ohne Tarifverträge brauchen die Edeka-Anwälte erst gar nicht zur Hauptverhandlung zu kommen. Bei dem ohnehin nicht sehr aussichtsreichen Versuch, das Blatt zu wenden, dürfte die Supermarktkette vor allem auf die Gewerkschaften angewiesen sein, nicht nur wegen der dringend notwendigen Tarifverträge.

Dass Rewe hilft, scheint nicht sehr wahrscheinlich

Wenn vor Gericht gar nichts mehr ginge, könnten die Gewerkschaften den Edeka-Konkurrenten Rewe auffordern, die beim OLG Düsseldorf eingelegte Beschwerde zurückzuziehen. Das wäre ein letzter Strohhalm. Aber das hieße, Rewe müsste für Edeka am Ende den Weg freimachen; der Arbeitsplätze wegen. Derzeit sieht es nicht so aus, als ob sich Rewe darauf einließe.

Der in Köln ansässige Konzern bekämpft die Fusion zwischen Edeka und Kaiser's Tengelmann nach Kräften. Gleichzeitig präsentiert sich Rewe als alternativer Käufer. Darüber, wie verbindlich das Kaufangebot ist, gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen. Außerdem müsste wohl das ganze Verfahren mitsamt Kartellamt und Monopolkommission neu aufgerollt werden. Aus Verhandlungskreisen heißt es, anfangs seien die Gewerkschaften für eine Fusion von Kaiser's Tengelmann mit Rewe gewesen. Begründet worden sei das damit, dass Rewe nicht die Einzelhändler-Struktur von Edeka, sondern ähnliche Betriebsrats- und Gewerkschaftsstrukturen wie Tengelmann habe. Das hätte dann möglicherweise besser zusammen gepasst. Allerdings habe das Kartellamt diesen Weg frühzeitig versperrt, und zwar mit dem Hinweis, dass eine Fusion mit Rewe so wenig genehmigt würde, wie die mit Edeka.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel soll daraufhin Gespräche mit den Gewerkschaften geführt haben, um auszuloten, inwieweit sich solch eine Fusion mit Auflagen zum Erhalt von Arbeitsplätzen rechtlich regeln ließe. Bei einem Treffen mit Verdi und der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) habe sich herausgestellt, dass die NGG ohnehin kaum mehr Hoffnung für die besonders gefährdeten Fleischwerke von Tengelmann habe. Das sagt einer, der damals mit am Tisch saß. Er fügt hinzu, erst durch die Auflagen sei es überhaupt möglich gewesen, die Fleischwerke zu retten. Jetzt sind die Gewerkschaften plötzlich in einer Position der Stärke. "Man muss das OLG Düsseldorf zur Kenntnis nehmen", sagt Thiermeyer, "aber es gibt ja auch noch den Bundesgerichtshof", die nächsthöhere und dann höchste Instanz. Thiermeyer glaubt, das OLG verschließe sich der Realität im Lande draußen. Es gehe hier schließlich um die Sicherung von 16 000 Arbeitsplätzen.

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