Corona-Frage:Nur anrufen, nicht vorbeikommen

Projekt Conserve the Sound

Das Telefon mit Wählscheibe dürfte ausgedient haben, aber das Festnetz wird weiterhin gebraucht.

(Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa)

Eine Frage, eine Antwort: Erlebt das Festnetz-Telefon in der Corona-Krise eine Renaissance?

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Als im März das Coronavirus ausbrach und viele Menschen ihre Arbeit nach Hause verlegten, da klingelte es plötzlich wieder häufiger: das Festnetz-Telefon. Bis zu 76 Prozent mehr quasselten Kunden der Deutschen Telekom im Frühjahr über ihren Hausanschluss. Auch Vodafone zählte in der Spitze 80 Prozent mehr Festnetz-Minuten als im Vorjahreszeitraum.

Corona-Fragen

Ist das Festnetz also der Gewinner dieser Krise, die nun abermals verlangt, dass sich Menschen nicht mehr treffen, sondern zuhause bleiben? Am Vorstell-Tischchen mit dem Telefonapparat, oder mit dem tragbaren Gerät auf der Couch?

Zuletzt sah es nicht mehr danach aus: Die Zahl der Festnetz-Minuten ist nach den Lockerungen im Frühjahr "sukzessive auf das Vorkrisenniveau" zurückgegangen, sagt ein Telekom-Sprecher. Auch Vodafone teilt mit, dass alle Kunden zusammen im September 2020 nahezu genauso viel über das Festnetz telefonierten wie im Vorjahresmonat.

Der Corona-Boom am Telefon scheint also einstweilen vorbei - gleichwohl ist es für das Festnetz fast schon ein Erfolg, wenn die Zahl der Minuten zumindest nicht sinkt. Denn Handytelefonate, Whatsapp-Chats und Sprachnachrichten machen dem stationären Gerät Konkurrenz; erste Haushalte kommen ganz ohne heimischen Fernsprecher aus. Die Zahl aller Festnetz-Minuten ist in Deutschland von 2015 auf 2019 um ein Drittel zurückgegangen, wie die Bundesnetzagentur berichtet.

All das ändert aber nichts daran, dass das Festnetz an sich in dieser Krise an Bedeutung gewinnt. Denn meistens nutzen Menschen ihr WLAN oder LAN, wenn sie sich zuhause in Videokonferenzen einwählen, Freunde per Skype anrufen, Filme in Mediatheken schauen, im Internet spielen oder bei Amazon einkaufen. All das hat während der Pandemie Hochkonjunktur. Daher beobachtet die Telekom, dass der Datenverkehr im Festnetz in diesem Jahr weiter zunimmt. Auch Vodafone teilt mit, dass die Mengen dort um etwa 15 Prozent stärker steigen als in Vorjahren.

Den Telekommunikationskonzernen bringt das zwar nicht automatisch mehr Geld ein: Die meisten Kunden zahlen ja nicht mehr pro Minute oder Gigabyte, sondern einen Festbetrag im Monat. Zudem bedauern die Unternehmen, dass seit Monaten kaum noch Reisende aus Asien oder Amerika nach Deutschland kommen; sie nehmen deshalb weniger Roaming-Gebühren im Mobilfunk ein. Nichtsdestotrotz kommt die Branche deutlich besser durch die Corona-Krise als konjunkturabhängige Industriezweige: Der Bedarf an Telekommunikation steigt nun mal, wenn man kaum noch jemanden treffen darf.

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