Süddeutsche Zeitung

Telekom-Spitzelaffäre:Die "sehr geehrten" Herren

Die Deutsche Telekom fordert von Ex-Chef Kai-Uwe Ricke und Ex-Aufsichtsrat Klaus Zumwinkel Schadenersatz von jeweils 994.050,53 Euro - vorerst.

H. Leyendecker

Auch im Managerleben gelten die Regeln des Knigge. Bosheiten erzielen meist die größte Wirkung, wenn sie höflich überbracht werden. Das werden sich wohl auch die Anwälte der Kanzlei Loschelder Rechtsanwälte gedacht haben, die wochenlang im Auftrag des Aufsichtsrats der Deutschen Telekom etwaige Schadenersatzansprüche gegen den früheren Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke, 47, und den ehemaligen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel, 65, prüften.

Formvollendet zeigen sie in Schreiben an die beiden "sehr geehrten" ehemaligen Top-Manager an, dass das Unternehmen jetzt "Schadenersatzansprüche wegen Verletzung" der Pflichten geltend machen wolle. Jeweils 994.050,53 Euro, zu zahlen auf ein Konto des Unternehmens bei der Commerzbank in Bonn. Im Fall Ricke hatte der Aufsichtsrat die Kanzlei mandatiert, im Fall Zumwinkel ist es der Vorstand gewesen.

Keine Entlastung von den Aktionären

Die Aufarbeitung des Bespitzelungsskandals bei der Telekom geht auf unterschiedlichen Ebenen voran. Es läuft nicht gut für Ricke und für Zumwinkel. Die Konzernführung um René Obermann wird den Aktionären auf der Hauptversammlung am 30. April empfehlen, Zumwinkel vorläufig die Entlastung zu verweigern.

Die Staatsanwaltschaft Bonn wird, wie berichtet, voraussichtlich im Sommer das Ermittlungsverfahren gegen acht Beschuldigte - darunter die beiden ehemaligen Top-Manager - abschließen. Es handelt sich um einen der größeren Datenskandale der jüngeren Zeit.

Rund 60 Aufsichtsräte, Gewerkschafter, Journalisten und sogar Telekom-Vorstände wurden ausgespäht. Derzeit ist fest davon auszugehen, dass der frühere Leiter der Konzernsicherheitsabteilung KSR3, Klaus Trzeschan, und ein Berliner Datendetektiv angeklagt werden. Die Ermittler halten es neuerdings für möglich, dass auch Ricke und Zumwinkel vor Gericht müssen. Davon war lange Zeit nicht auszugehen.

"Unzulässige Ermittlungsmethoden"

Sowohl bei den strafrechtlichen Überprüfungen als auch bei den Schadenersatzforderungen des Konzerns steht die sogenannte Operation "Rheingold" im Mittelpunkt. Die Zeitschrift Capital hatte im Januar 2005 Interna aus dem Telekom-Aufsichtsrat veröffentlicht, und Trzeschan soll von Zumwinkel und Ricke den Auftrag bekommen haben, das Leck zu finden. Trzeschan, dem 13 Mitarbeiter unterstanden, soll sich Tausende Verbindungsdaten der Telekom besorgt und an eine Berliner Sicherheitsfirma weitergeleitet haben.

Die sollte herausfinden, ob Capital-Redakteur Reinhard Kowalewsky mit einem Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmerseite geredet hatte. Ricke will den Auftrag an Trzeschan allgemein formuliert haben, Zumwinkel hat sich dazu nicht geäußert, aber wissen lassen, er habe sich nichts vorzuwerfen.

"Unabhängig davon", ob Ricke oder Zumwinkel den Sicherheitsbeamten Trzeschan zu "unzulässigen Ermittlungsmaßnahmen" veranlasst haben, so die Kanzlei Loschelder, hätten sie "gegen die Kompetenzordnung des Vorstands" verstoßen.

Für die Konzernsicherheit war ausschließlich der damalige Personalvorstand Heinz Klinkhammer zuständig, und der sei nicht informiert worden. Zumwinkel soll Trzeschan sogar zur strengsten Verschwiegenheit gegenüber seinen unmittelbaren Vorgesetzten und Klinkhammer verpflichtet haben.

Die Anwälte wollen wissen, "auf welcher Rechtsgrundlage" eigentlich Zumwinkel berechtigt gewesen sei, "direkte Anweisungen an Mitarbeiter der Gesellschaft zu erteilen". Hierbei handele es sich um eine "Geschäftsführungsmaßnahme, für die weder ein Aufsichtsrat noch der Vorsitzende des Aufsichtsrats zuständig ist", sondern "allein der Vorstand". Sie werfen Ricke vor, er habe durch eine Verschwiegenheitsverpflichtung Klinkhammer gehindert, seine Kontrolle auszuüben. Nur so sei Trzeschan "in die Lage versetzt" worden, "unzulässige Ermittlungsmethoden anzuwenden".

Kein "abschließender Betrag"

Nicht ganz so fein wie der Anfang der Briefe an Ricke und Zumwinkel ist in beiden Schreiben folgender Zusatz: "Sollte der geltend gemachte Betrag ...nicht oder nicht vollständig geleistet sein", werde sich das Unternehmen "gezwungen sehen, den Ersatzanspruch der Telekom AG gerichtlich durchzusetzen". Ob es bei der Forderung in Höhe von knapp einer Million Euro an die beiden ehemaligen Top-Manager bleiben wird, oder ob die Forderung größer wird, ist ungewiss.

In den Schreiben weisen die Telekom-Anwälte vorsorglich darauf hin, dass es sich "bei dem geltend gemachten Schaden noch nicht um einen abschließenden Betrag handelt". Zwar habe die Telekom den "durch die Bespitzelung betroffenen und mitbeeinträchtigten Personen aus dem Aufsichtsrat" sowie den Betriebsratsmitgliedern und weiteren Konzernangehörigen eine Kostenübernahme der Anwaltskosten zugesagt.

Diese müssten möglicherweise Ricke und Zumwinkel übernehmen. Die Kanzlei erwartet, "dass eine Mehrzahl der betroffenen Personen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen unsere Mandantin wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machen wird".

Sehr höflich ist wieder der Schluss der Briefe. "Sofern" die "sehr geehrten" Herren der "Auffassung sein sollten", die "Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt zu haben", stehe es ihnen "selbstverständlich frei, dies entsprechend der Beweislastregel" des einschlägigen Paragrafen 93 des Aktiengesetzes darzulegen.

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SZ vom 23.04.2005/hgn
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