Telekom-Skandal:Wiefelspütz will "Saustall Telekom" ausmisten

Harte Worte aus der Politik: Der SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz fordert mehr Datenschutz-Kontrolle in der Wirtschaft, CDU-Mann Kampeter vermutet, der Telekom-Skandal hätte "größere Ausmaße als die Spiegel-Affäre" - und die Fahnder entdeckten erste Beweise.

"Der Saustall Telekom muss ausgemistet werden", sagte Dieter Wiefelspütz dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion forderte Maßnahmen zur Kontrolle des Datenschutzes in der Wirtschaft.

Telekom-Skandal: "Als würde ein Nahrungsmittelhersteller Gift in Nahrungsmittel geben" - die Telekom-Affäre erzürnt die Politik.

"Als würde ein Nahrungsmittelhersteller Gift in Nahrungsmittel geben" - die Telekom-Affäre erzürnt die Politik.

(Foto: Foto: dpa)

Die Vertraulichkeit der Daten sei die Grundlage eines Telekommunikationsunternehmens. "Was die gemacht haben, ist in etwa so, als würde ein Nahrungsmittelhersteller Gift in Nahrungsmittel geben. Das ist ein unglaublicher Vorgang", zitierte die Zeitung den Sozialdemokraten.

"Mindestmaß an Anstand"

In Teilen der Wirtschaft fehle es "an einem Mindestmaß an Anstand und an Achtung vor Recht und Gesetz", meinte Wiefelspütz. Deshalb müsse die Politik jetzt den privaten Datenschutz in der Wirtschaft massiv thematisieren. Hier müsse es Aufsicht und Kontrolle geben. "Man kann den Datenschutz der Wirtschaft offenbar nicht allein der Wirtschaft überlassen", zitierte die Zeitung den Politiker.

Auch die Regierung will den Datenschutz verbessern. Die Sprecherin des Bundesjustizministeriums, Eva Schmierer, sagte am Freitag, nach dem Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen müsse geprüft werden, wie der Datenschutz verbessert werden könne. Ein Weg wären Selbstverpflichtungen der Unternehmen, ein anderer Gesetzesänderungen.

Selbstverpflichtung für Telekommunikationsbranche

Man müsse nach den Ermittlungen "auf einer soliden Tatsachengrundlage entscheiden, ob es rechtliche Änderungen braucht", sagte Schmierer. Sie fügte aber hinzu: "Nicht immer ist es so, dass Rechtsänderungen helfen, dass Recht nicht gebrochen wird."

Das Innenministerium will mit der Telekommunikationsbranche am Montag über Selbstverpflichtungen reden. Ministeriumssprecherin Gabriele Hermani sagte, die Spitzelaffäre mache Minister Wolfgang Schäuble Sorgen. Deshalb sei das Gesprächsangebot an die Branche ergangen.

An dem Treffen am Montagmittag unter Leitung von Staatssekretär Hans Bernhard Beus nehmen unter anderen der Verband Bitkom, der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), die Unternehmen Telekom, Debitel und Telefónica sowie der Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach teil.

"Wir verfolgen mit diesem Gesprächsangebot das Ziel, die Unternehmen zu Selbstverpflichtungen zu motivieren", sagte Hermani. Die Unternehmen sollten einen Ehren- und Verhaltenscodex entwickeln, der sich speziell dem Datenschutz widmet.

CDU-Politiker Steffen Kampeter prophezeite, dass die Telekom-Bespitzelungsaffäre das Land stärker erschüttern werde als die Spiegel-Affäre Anfang der 1960er Jahre. "Ich glaube, die Telekom-Krise ist bei weitem größer", sagte der Haushaltsexperte im RBB-Inforadio. Nun müsse neben der rückhaltlosen Aufklärung vor allem das Vertrauen in die Datensicherheit der Telekommunikations-Unternehmen wieder hergestellt werden.

Damit bekommt die Affäre endgültig eine politische Dimension. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bereits ein Treffen mit den Chefs von Telekommunikations-Anbietern angesetzt, um über wirksamen Datenschutz zu beraten. Zuletzt hatte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, politische Konsequenzen gefordert. "Was bei der Deutschen Telekom passiert ist, kann sich ohne wirksame Kontrollen auch bei allen anderen Telekommunikationsanbietern ereignen", sagte Konken.

Keine Ermittlungen gegen Obermann

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft offenbar erste Beweise gegen die Telekom in der Hand. Bei einer Untersuchung in der Bonner Zentrale des Unternehmens wurde einem Sprecher zufolge umfangreiches Material sichergestellt.

Die Ermittlungen richteten sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge unter anderem gegen den ehemaligen Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und den einstigen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel. Auch die Tätigkeit des früheren Telekom-Sicherheitschefs Harald Steininger werde überprüft. Ebenso sei ein Mitarbeiter der Mobilfunktochter T-Mobile betroffen. Der Bonner Staatsanwalt Fred Apostel betonte, dass weder gegen Telekom-Chef Rene Obermann noch ein anderes Mitglied des heutigen Konzernvorstands ermittelt werde.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen neben Telefonverbindungen auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein. Zudem sollen mit einer speziellen Software Bewegungsprofile einzelner Personen erstellt worden sein.

Demnach wurde über Mobilfunkdaten abgeglichen, wo sich diese aufhielten. So wollte die Telekom eine undichte Stelle in der Unternehmenskommunikation aufdecken. Staatsanwalt Apostel bestätigte, derartige Hinweise von einer Berliner Sicherheitsfirma bekommen zu haben, die erste Durchsuchung habe dafür jedoch noch keine Anhaltspunkte gegeben.

Firmengründer war Stasi-Mann

Währenddessen sind weitere pikante Details aus der Bespitzelung bekannt geworden. So sollen zwei Angestellte der von der Telekom mit der Journalisten-Überwachung beauftragten Wirtschaftsdetektei ehemalige Stasi-Mitarbeiter sein. Die Männer durchsuchten im Jahr 2000 als Techniker getarnt das Büro des Reporters Tasso Enzweiler. Der Chefreporter der Financial Times Deutschland hatte zuvor mehrmals exklusiv über den Konzern berichtet.

Geschäftsführer und Firmengründer der Detektei sollen früher bei der Spionageabwehr der DDR-Staatssicherheit beschäftigt gewesen sein, berichtet die Financial Times Deutschland. Gearbeitet haben sie als hauptamtliche Mitarbeiter für die Hauptabteilung II des Ministeriums für Staatssicherheit. Einer der beiden Detektive bestätigte seine Stasi-Vergangenheit.

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