Süddeutsche Zeitung

Telekom-Prozess:Die zwei Leben des Ron S.

Vom Sonnenkönig zum Schattenmann: Der ehemalige Telekomchef Ron Sommer steht nicht mehr in der ersten Reihe der Managerelite - doch er ist mächtig wie nie zuvor.

Tobias Dorfer

Ron Sommer war immer schneller als die anderen. Mit 21 Jahren promovierte er an der Universität Wien in Mathematik - und benötigte dafür sogar eine ministerielle Sondergenehmigung. Auch danach bewegte sich Sommer vorzugsweise auf der Überholspur.

Seine Karriere kannte nur einen Weg: nach oben. Über die New Yorker Computerfirma Q1 ging es nach Deutschland zu Nixdorf. Mit 27 war er bereits Niederlassungschef der Pariser Zentrale. Später war er Deutschlandchef von Sony und machte den Elektronikkonzern in Deutschland mal eben zur Nummer eins. Er ging für Sony nach Amerika und kehrte als Europapräsident zurück.

Im Geschäftsjahr 1993/94 häufte die deutsche Sony-Tochter einen Verlust von fast 14 Millionen Mark an - und Sommer stieg um. Im Mai 1995 heuerte er als Vorstandschef bei der Deutschen Telekom an.

Wahrscheinlich hätte der ehemalige Fernmeldedienst keinen geeigneteren Chef finden können. Sommer hatte so ziemlich alles, was die Telekom nicht hatte: eine internationale Biographie, Ausstrahlung, Eloquenz.

Und genau das brauchte die Bundesregierung. Schließlich wollte sie ihren drögen Staatskonzern entstauben, aufpolieren und dann an die Börse bringen. Eine Erfolgsgeschichte made in Germany.

Die Telekom und mit ihr ganz Deutschland wollte ein wenig so sein wie Ron Sommer: international, braungebrannt, sexy. Ron Sommer wurde Mister Deutschland.

Kampf gegen den Grauschleier

Bis dahin regierten in Deutschland die Büroklammern. Topmanager hatten die gesetzte Aura einer Mercedes-S-Klasse. Erfolgreich zwar, aber immer auch ein wenig bieder - mit Grauschleier eben. Diesen Grauschleier bekämpfte der stets akkurat gekleidete Sommer mit den ihm eigenen Methoden. Marketing hieß das Zauberwort. Denn langsam setzte auch in Deutschland das Denken ein, dass die größten Geschäftserfolge nichts zählen, wenn man sie nicht richtig verkauft.

So startete Ron Sommer eine gigantische Werbekampagne für die T-Aktie. Geschätzte 900 Millionen Mark kostete es insgesamt, die Papiere von den Tatort-Kommissaren Manfred Krug und Charles Brauer anpreisen zu lassen. Und der Börseneintritt in New York wurde standesgemäß im Guggenheim-Museum gefeiert. Auf der Bühne sang Liza Minelli "If I can make it there, I'll make it everywhere."

Bonn war Ron Sommer nicht genug, er wollte mit der Telekom hinaus in die weite Welt - und fiel dabei mehrere Male unsanft auf die Nase. Eine Kooperation mit der France Télécom scheiterte, genauso wie die Übernahme der Telecom Italia. Sommer musste kleinere Brötchen backen. Er kaufte sich in den österreichischen Markt ein und übernahm die viertgrößte britische Mobilfunkfirma One-2-One.

Zu wenig für einen wie Sommer. Er träumte von den ganz großen Deals. Von einer Übernahme der spanischen Telefonica und von dem Eintritt in den US-Markt. "Es gibt derzeit kaum ein Unternehmen, das für uns außer Reichweite ist", sagte Sommer damals.

Lesen Sie im zweiten Teil, welche Rolle die Politik bei Ron Sommers Abgang spielte.

Der Größenwahn regierte. Nicht nur bei der Telekom, sondern in der gesamten Branche. Internetklitschen ohne vernünftiges Geschäftsmodell wurden für Milliardenbeträge an die Börse gebracht. Es war die Zeit der großen Deals, Vodafone schluckte Mannesmann D2 und die Börse gierte nach immer weiteren Erfolgsgeschichten. Ron Sommer wollte mit seinem rosa Riesen mitspielen in diesem Konzert der Großen. Und die T-Aktie drängte in schwindelerregende Höhen. Plötzlich blähte sich der Kurs auf 104,87 Euro.

Alles war möglich. Deutschland hatte einen Kanzler der Brioni trug und einen Marketingexperten an der Spitze des wichtigsten deutschen Unternehmens. Nur der große Deal fehlte.

Der rosa Riese wird zum Krisenfall

Am Ende war es der US-Mobilfunker Voicestream, der seinen Platz in Ron Sommers Magentareich fand. 39,4 Milliarden Euro gab die Telekom für den Eintritt in den US-Markt aus - und erntete sofort Kritik. Die Wirtschaftsprüfer von BDO Deutsche Warentreuhand schätzten den Wert von Voicestream auf lediglich 9,8 Milliarden Euro. Und die Kläger beim Telekom-Prozess gehen sogar noch weiter: Voicestream sei damals ein wertloses Unternehmen gewesen.

Ron Sommer wollte von solchen Botschaften nichts wissen. Er sah die Möglichkeiten, die langfristigen Chancen und ein Kundenpotenzial von 220 Millionen. Vor allem jedoch sah Sommer in dem Deal die Möglichkeit, den ehemaligen Staatskonzern endgültig von seinem Behördenimage zu befreien.

Am Ende scheiterte er, weil die Internetblase platzte, die T-Aktie in den Keller rauschte und weil sein Unternehmen einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatte. Die Telekom war zum Krisenfall geworden. T-Saster, höhnten die Medien und Kanzler Gerhard Schröder (SPD) fürchtete den Aufstand der Aktionäre und seine Abwahl. Am 6. Juli 2002 trat Ron Sommer zurück - als Frühpensionär mit 51 Jahren. Gut zwei Monate später, im September 2002, wurde Schröder als Bundeskanzler bestätigt.

Sommer heute: So mächtig wie nie

Ron Sommer hat nie nachgetreten. Er hielt Vorträge, schwieg aber zum Fall Telekom. Interviews mit dem einstigen Superstar der deutschen Manager wurden rar - Ron Sommer bastelte an seinem zweiten Leben.

Es wurde ein Leben ohne Liza Minelli und Manfred Krug. Inzwischen berät und beaufsichtigt Ron Sommer viele Weltkonzerne - darunter Motorola, den Chemiekonzern Celanese oder die Münchner Rück. Sommer arbeitet für den russischen Mischkonzern Sistema und die indische Unternehmensgruppe Tata.

Als die Beteiligungsfirma Blackstone bei der Telekom einstieg, saß Sommer im Beratergremium. Heute hält Blackstone 4,5 Prozent der Telekom-Anteile und ist damit zweitgrößter Aktionär des Konzerns. Der ehemalige Telekomchef zieht im Hintergrund die Strippen, seine Worte finden noch immer Gehör. Sommer mag die Sonne gegen den Schatten eingetauscht haben - doch wahrscheinlich war er nie so mächtig wie heute.

Auf die Entwicklung der Telekom kann der ehemalige Telekomboss mit Gelassenheit schauen. Seine Strategie von damals ist heute Realität. Mehr als die Hälfte des Umsatzes macht das Unternehmen inzwischen im Ausland. Voicestream heißt inzwischen T-Mobile USA, zählt 30 Millionen Kunden und wächst schnell. Inzwischen ist die amerikanische Mobilfunktochter eine der wichtigsten Stützen des Bonner Konzerns. Branchenkenner sagen inzwischen sogar, dass der Voicestream-Deal ein Glücksfall für die Telekom war.

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