Telekom-Prozess:Der empörte Herr Sommer

Was wusste der frühere Telekomchef wann über den Zeitplan zur Übernahme des US-Konzerns Voicestream im Jahr 2000? Eines wird beim Auftritt vor Gericht deutlich: In der Zeugenrolle fühlt sich Ron Sommer nicht wohl.

Markus Zydra, Frankfurt

Ja, er ist es. Mit schwerem Schritt betritt Ron Sommer den braungetäfelten Saalbau Bornheim, in dem das Oberlandesgericht Frankfurt tagt. Rund 200 Besucher sehen den Einmarsch des Zeugen. Der Telekomprozess geht in die nächste Runde.

Telekom-Prozess: Ungewohnte Perspektive: Der ehemalige Telekomchef Ron Sommer sagt vor Gericht aus.

Ungewohnte Perspektive: Der ehemalige Telekomchef Ron Sommer sagt vor Gericht aus.

(Foto: Foto: AP)

Was wusste der frühere Telekomchef über den Zeitplan zur Übernahme des US-Konzerns Voicestream im Jahr 2000? Die Frage ist wichtig, denn sie entscheidet darüber, ob der Börsenprospekt zur dritten Aktienplatzierung des Bonner Konzerns falsch war. 17.000 Anleger in 2700 anhängigen Prozessen hoffen auf Schadensersatz.

Pünktlich um 10 Uhr begrüßt der Vorsitzende Richter Christian Dittrich den prominenten Zeugen: "Wir kommen zur Vernehmung." Dann der Blick auf den Zeugen schräg gegenüber am zweiten Podiumstisch. "Herr Sommer", sagt Dittrich, "Ihren Vornamen kenne ich", räuspert sich der Richter. Sommer lächelt kurz - nicht herzlich, aber höflich. "Geboren im Juli 1949. Beruf: Aufsichtsrat", sagt Sommer kurz. Dann belehrt ihn Dittrich, dass er vereidigt werden könne und er die Wahrheit sagen müsse. "Jetzt zur Sache", sagt Dittrich weiter. Sommer nickt, und man merkt, die Situation beschäftigt ihn. Er ist es gewohnt, den Vorsitz zu führen, Fragen zu stellen und zu beurteilen. Jetzt muss er all das über sich ergehen lassen.

"Vorher war der Deal nicht durch"

Im Mai 2000 wurde der umstrittene Börsenprospekt veröffentlicht. Im Juni war der dritte Börsengang der T-Aktie, am 23. Juli wurde die Voicestream-Übernahme bekanntgegeben. Soweit so gut. Doch war das Geschäft schon vorher unter Dach und Fach? Dann hätte es in den Prospekt gehört, meinen die Kläger. "Am 23. Juli war der Deal durch, vorher nicht", sagt Sommer. Unruhe auf den Bänken der beigeladenen Anwälte. "Da wurde schon der Kaufvertrag unterschrieben, sie müssen es schon lange vorher gewusst haben", ruft einer. Der Richter sagt, dass Zwischenrufe nicht sinnstiftend seien. Es kam die Chance für Sommer, Führung zu beweisen und die Situation zu glätten. "Ich fasse noch mal zusammen, damit kein Durcheinander entsteht", sagt Sommer mit ruhiger, aber leicht belegter Stimme. "Das wäre gut", sekundiert der Richter. Und Sommer referiert erneut, wie die Zeiten damals waren. Mit unzähligen Unternehmen seien stetig und ständig Gespräche geführt worden, es sei üblich gewesen, unzählige unverbindliche Kaufangebote auszusprechen, um "viele Geschäfte warmzuhalten", wie Sommer sagt.

Er sitzt aufrecht, manchmal die Hände auf den Oberschenkeln aufgestützt. Seine Körperhaltung signalisiert, dass hier einer sitzt, der nichts falsch gemacht hat. Immer wieder changiert er zwischen konkreten Aussagen und der Selbsteinschätzung, dass er kein lebender Kalender sei. Er ist empört, weil der Klägeranwalt Andreas Tilp fragt, ob Sommer Zuwendungen von Voicestream erhalten habe. Tilp spielt auf den Siemens-Bestechungsskandal an. Jetzt sind auch die Anwälte von Sommer empört. "Tilp führt hier eine Glaubwürdigkeitsüberprüfung von Herrn Dr. Sommer durch", sagt Dittrich. "Ich habe keine Zuwendungen erhalten und ich halte die Frage, gelinde gesagt, für eine Frechheit", antwortet Sommer.

Sommer spürt die Beobachtung von allen Seiten. Er ist das Rampenlicht gewöhnt. Seine Körperhaltung wird übertragen auf einen großen Bildschirm. Sommer hört nicht gern zu, schon gar nicht solchen Fragen wie die von der Klägerseite. Also hält er sich ständig auf Trab. Brille auf, Brille runter, Hände falten, Hände übereinanderschlagen, die rechte Hand mal in die Sakkotasche - dann wieder raus. Und immer wieder die Rechtfertigung - Sommer wurde nach seinem Abgang scharf kritisiert.

Er habe zu hohe Preise für seine Übernahmegeschäfte bezahlt, zum Schaden der Aktionäre. Dieser Vorwurf nagt besonders stark an ihm. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, versuchte er klarzumachen, dass alles richtig war so wie es war. "Der wahre Wert einer Übernahme wie der von Voicestream zeigt sich erst Jahre später, nicht in den ersten Monaten", sagt er. "T-Mobile USA steht jetzt für die Hälfte des Telekomertrags", sagt Sommer.

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