Telekom: PR in der Krise:Tut-tut-tuuut

240.000 genervte Mitarbeiter, ein notgedrungen schweigsamer Chef und Hotlines in Erklärungsnot: Die Deutsche Telekom in der PR-Krise. Die Spitzel-Affäre geht ans Eingemachte.

Tobias Dorfer

Viel reden, wenig sagen - das scheint in diesen Tagen die Kommunikationstaktik der Deutschen Telekom zu sein. Die Spitzelaffäre bewegt den Bonner Konzern und seine Mitarbeiter; vor allem jedoch die Pressestelle des Unternehmens.

Telekom: PR in der Krise: Hat die Telekom auch ihre ganz normalen Kunden überwacht? Die Hotline konnte die Frage nicht beantworten.

Hat die Telekom auch ihre ganz normalen Kunden überwacht? Die Hotline konnte die Frage nicht beantworten.

(Foto: Foto: dpa)

Betroffen vom großen T-Tohuwabohu sind auch große Fernsehsender wie das ZDF. Dort ist die Telekom-Berichterstattung mittlerweile zur Chefsache geworden. Chefredakteur Nikolaus Brender wollte ursprünglich in der Reihe "Was nun...?" dem Telekom-Vorstandsoberen René Obermann auf den Zahn fühlen. Nachdem Brender zunächst von einer "generellen Zusage" berichtete, kam am Montagnachmittag die Absage - "mit Verweis auf laufende Verfahren", so ein ZDF-Sprecher auf Anfrage. Das Handelsblatt berichtete sogar, Telekom-Pressechef Philipp Schindera wolle derzeit keinen Unternehmens-Vorstand in eine TV-Talkshow schicken.

Gegensteuern, aber wie?

Das dementiert ein Telekom-Sprecher gegenüber sueddeutsche.de: "Es gibt keinen Maulkorb." Zwar habe die Pressestelle den Obermann-Auftritt abgesagt, doch solle es einen späteren Gesprächstermin geben. Momentan habe die Telekom sehr viele Interviewanfragen auf dem Tisch liegen, sagt der Sprecher. "Alles ist derzeit in Abstimmung."

Abzustimmen ist derzeit viel in der Bonner Zentrale in der Friedrich-Ebert-Allee. Die Affäre rund um die Abhöraktionen "Clipper"und "Rheingold" gefährden das Image und die Geschäfte. Es muss gegengesteuert werden - nur wie?

Die Telekom-Strategen sind vorsichtig. Sie setzen zunächst einmal auf eine bunte bewährte Mischung - mit Hotlines, eigenen Botschaften im Internet und der Unterrichtung der Mitarbeiter in speziellen Versammlungen. Doch die nächsten unangenehmen Enthüllungen drohen - das hängt mit dem vielen Material zusammen, das die Staatsanwaltschaft bei einer Razzia konfiszierte.

Kein Anschluss unter dieser Nummer

In den Call-Centern laufen unterdessen die Drähte heiß, und so manchem Mitarbeiter wird das zu viel. So hatte die für die Telekom arbeitende Frau E. nach sechs Minuten und 24 Sekunden genug - und legte nach bohrenden Fragen eines Kunden einfach den Hörer auf die Gabel. Tut-tut-tuuut. Kein Anschluss unter dieser Nummer.

Vorangegangen war ein Gespräch über die Spitzel-Vorwürfe gegen die Deutsche Telekom. Dabei wurden Fragen gestellt, die derzeit viele beschäftigen: Wurden Privatgespräche der Kunden belauscht? Können auch Verbindungsdaten von Gesprächen aufgenommen werden, die in die Netze anderer Telekomanbieter gehen? Welche Rolle spielt Konzernchef Obermann? Die Fragen waren unterschiedlich, die Antwort war immer gleich: Kann ich Ihnen nicht beantworten!

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Telekom-Belegschaft auf einer Mitarbeiterversammlung mit den Spitzel-Vorwürfen umging.

Tut-tut-tuuut

Irgendwann im Verlauf des Gesprächs besorgte sich Frau E. ein Schreiben mit der offiziellen Sprachregelung der Telekom und las vor: "Die Bonner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, die Staatsanwaltschaft hat zudem erklärt, dass sie nicht gegen aktive Vorstände der Telekom ermittelt. Der Telekom ist an einer lückenlosen Aufklärung gelegen. Sie tut alles, um die Arbeit der Staatsanwaltschaft zu unterstützen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns mit Blick auf die Ermittlungen nicht weiter zu diesem Thema äußern können."

Mehr konnte die entnervte Hotline-Mitarbeiterin nicht mitteilen. Sie habe von der Affäre sowieso nur durchs Fernsehen erfahren, sonst habe sie keinerlei Informationen bekommen. Das war am Montag.

Regelmäßige Teammeetings

Einen Tag später erzählt Telekom-Sprecher Husam Azrak seine Sicht über die eigene Krisenkommunikation. Azrak spricht viel von Transparenz. Dass man die Vorfälle offen kommunizieren würde - intern wie extern. Er redet von den "sehr gut geschulten Kolleginnen und Kollegen" und davon, dass die Belegschaft auf "mögliche Nachfragen" gut vorbereitet seien.

"Regelmäßige Teammeetings" seien in den Call-Centern an der Tagesordnung, sagt Azrak. Das Intranet sei voll mit Informationen, es gäbe Arbeitsmaterialien und eine Chronologie der Ereignisse. Man müsse allerdings dafür Verständnis haben, dass der Konzern nur Fakten kommunizieren könnte - und sich an Spekulationen nicht beteilige.

Sieht die "transparente Aufklärung" so aus wie im Fall der Call-Center-Frau E.? Ein anderer Telekom-Sprecher sagt, das Servicepersonal hätte doch eher "Routine in der Produktberatung" - könne also rasch etwas über VDSL-Anschlüsse erzählen, nicht aber über die Spitzel-Affäre.

Hilflose Mitarbeiter

In jedem Fall scheinen auch die Angestellten des Magenta-Konzerns angesichts der vielen Vorwürfe ziemlich hilflos zu sein. Bei einer Telekom-Mitarbeiterversammlung am Dienstag brach es aus einem Mitarbeiter heraus: "Was sollen wir den Kunden sagen, wenn sie uns auf die Stasi-Methoden ansprechen?" Da helfen dann auch offizielle Sprachregelungen nichts.

In einer ersten Reaktion hatten sich sowohl Obermann als auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner schon zu Beginn der Affäre vor Journalisten geäußert. Seitdem ist es vor allem die Konzernkommunikation, die eifrig Statements herausgibt - vom Top-Managent der Telekom ist nicht mehr viel zu hören. Wie lange noch? Die Öffentlichkeit wartet weiter auf ein großes Interview.

Eine bestimmte TV-Talkshow dürfte zumindest für Obermann ausscheiden - "Maybrit Illner" im ZDF. Die Journalistin ist bekanntlich seine Lebensgefährtin.

Was nun, Herr Obermann?

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