Telekom:Goodbye, New York

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Nach Infineon, BASF und Allianz verlässt nun auch die Telekom die US-Börse. Die Firmen scheuen die hohen Kosten - und die strengen Aufseher von der SEC.

Caspar Dohmen

1996 gab es für Anleger in Deutschland ein Aufregerthema: den Börsengang der Telekom. Von Beginn an ließ sich der Konzern an der New Yorker Börse notieren - ein Novum für ein deutsches Unternehmen.

Mit ihrem Rückzug folgt die Telekom einer Reihe deutscher Unternehmen. Zuvor hatten die im Dax gelisteten Konzerne BASF, Bayer, Eon, Infineon und Allianz sowie - aus der zweiten Reihe - Epcos, Pfeiffer, Vaccuum und SGL Carbon der US-Börse den Rücken gekehrt. (Foto: Foto: dpa)

Damals dirigierte noch Ron Sommer den Konzern und er hatte viel vor: Er wollte die Telekom zum weltweit größten Telekommunikationsanbieter formen und für die Expansion auch Gelder bei den Anlegern in den USA einsammeln; damals suchten die milliardenschweren Pensionsfonds nach sicheren Anlagemöglichkeiten.

Aufwendiges Genehmigungsverfahren

Mit seinem Schritt war Sommer nicht alleine. Ende der neunziger Jahre versprachen sich viele deutsche Konzernlenker von einer Notierung in den USA einen Schub für den Börsenkurs ihres Unternehmens. Dabei scheuten sie weder Kosten noch Mühen. So mussten sie die gesamte Rechnungslegung auf amerikanische Standards ändern und ein aufwendiges und langwieriges Genehmigungsverfahren durchlaufen.

Es kam fast einem Ritterschlag gleich, wenn die New Yorker Börse endlich einer Notierung zustimmte. Entsprechend euphorisch wurde gefeiert: Deutsche Vorstandschefs läuteten zur Feier der Erstnotierung ihres Konzerns die traditionelle Glocke an der New Yorker Börse; zum Teil wurde das gesamte Gebäude an der Wall Street in die jeweilige Firmenfarbe gehüllt. Für die deutschen Anleger hatte der Börsengang in den USA ebenfalls Vorteile: Wegen der hohen Anforderungen der US-Börsenaufsicht SEC musste die Unternehmen mehr Informationen offenlegen.

Doch mittlerweile haben sich die Zeiten geändert und die Euphorie über den Nutzen einer Börsennotierung in den USA ist bei den meisten Unternehmen längst Ernüchterung gewichen, auch bei der Telekom. Sie zieht sich nun von der New Yorker Börse zurück: Der letzte Handelstag werde voraussichtlich am 21.Juni 2010 sein, teilte die Telekom mit.

Allerdings will die Telekom weiter sogenannte American Depositary Shares (ADS) ausgeben. Dabei handelt es sich um Zertifikate, deren Käufer einen Anspruch auf eine bestimmte Aktienzahl eines ausländischen Unternehmens besitzen. Solche ADS werden von US-Depotbanken ausgegeben.

Erwartungen nicht erfüllt

Mit ihrem Rückzug folgt die Telekom einer Reihe deutscher Unternehmen. Zuvor hatten die im deutschen Börsenbarometer Dax gelisteten Konzerne BASF, Bayer, Eon, Infineon und Allianz sowie - aus der zweiten Reihe - Epcos, Pfeiffer, Vaccuum und SGL Carbon der US-Börse den Rücken gekehrt.

Die Erklärungen glichen sich: Die hochgesteckten Erwartungen waren enttäuscht worden. Dazu kam der gestiegene Aufwand für eine Börsennotierung in den USA. Nach den Skandalen um Pleitefirmen wie Worldcom oder Enron hatte die amerikanische Regierung die Regeln für gelistete Konzerne noch einmal deutlich verschärft. Für die Unternehmen ist damit der Aufwand deutlich gestiegen. So sparte die Telekom nach eigenen Angaben durch den Rückzug einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag.

Wichtiger dürfte nach Ansicht von Experten allerdings die Furcht vor juristischen Risiken in den USA sein; diese sei gestiegen. Jüngst mussten Siemens und Daimler hohe Millionenbeträge an den amerikanischen Staat zahlen, nachdem zuvor Fälle von Schmiergeldzahlungen bekanntgeworden waren, welche die SEC untersucht hatte. Und mit der Betrugsklage gegen die angesehene US-Investmentbank Goldman Sachs stellt die SEC erneut ihre Macht unter Beweis.

Notierung für wichtige Aufträge

Die Mehrfachnotierung an mehreren Börsen sei für viele Firmen sinnlos, erläutert die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). Für eine Notierung gäbe es nur zwei Gründe: Von einer Firma würden wie im Falle des Softwareunternehmens SAP relativ viele Aktien in den USA gehandelt oder eine Firma sei an Aufträgen interessiert, für die eine US-Notierung notwendig oder hilfreich sei, beispielsweise um an Aufträge des Verteidigungsministeriums zu gelangen. Beides kann man im Falle der Telekom wohl verneinen. Zuletzt wurden laut Telekom täglich durchschnittlich 29 Millionen T-Aktien an Börsen gehandelt, davon mit 20 Millionen der Löwenanteil an der Frankfurter Börse, nur 1,3 Millionen in New York.

Lange gab es jedoch hohe Hürden für einen Rückzug von der US-Börse, faktisch war es sogar für die Firmen unmöglich. Erst Anfang 2007 erleichterte die Börsenaufsicht nach internationalem Druck ausländischen Firmen, die Notierung in den USA einzustellen. Möglich ist dies heute, wenn weniger als fünf Prozent des Handelsvolumens einer Aktie in New York stattfindet. Seitdem haben viele Firmen ihren Rückzug angetreten.

Glaubt man der Telekom, dann lässt der jetzige Schritt keine Rückschlüsse auf einen Börsengang der amerikanischen Tochter T-Mobile zu. "Beides hat nichts miteinander zu tun", sagte ein Telekomsprecher. Über einen solchen Börsengang war in der Vergangenheit immer wieder spekuliert worden. Auf ihrem wichtigsten Auslandsmarkt musste die Telekom zuletzt einen Rückschlag hinnehmen. Erstmals sank die Kundenzahl.

© SZ vom 22.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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