Telekom-Chef Höttges:"Es kann nicht sein, dass Google & Co besser gestellt werden"

CeBIT 2008

Die Angst vor Google ist gerade ziemlich groß in Deutschland - auch bei der Telekom und ihrem Chef, Tim Höttges.

(Foto: dpa)

Die Telekom steckt viel Geld in den Ausbau der Netze - während US-Konzerne wie Google die Gewinne abschöpfen. Telekom-Chef Höttges nutzt seinen ersten Auftritt vor den Aktionären, um klare Regeln von der Politik zu fordern.

Von Varinia Bernau, Köln

Keine Frage, Tim Höttges ist gut vorbereitet: Im vergangenen Jahr war der der Chef der Telekom im Silicon Valley, dort also, wo das Herz der Technologiebranche schlägt. Vieles hat ihn begeistert: Etwa, dass die Menschen dort Dinge ausprobieren, auch mal scheitern. Dass die Leute dort beim Lunch an einem Tisch sitzen und einfach loslegen mit gemeinsamen Projekten.

Aber es gab auch Dinge, die den 51-Jährigen stutzig gemacht haben: Die Arroganz bei manch einem großen Internetkonzerns etwa. Darüber kann Höttges sich richtig in Rage reden. Und so nutzt er nun auch seinen ersten Auftritt vor den Aktionären in Köln, um gegen die Schmarotzer im Silicon Valley zu wettern - und den hiesigen Politikern die Leviten zu lesen.

"Es kann nicht sein, dass Google und Co. besser gestellt werden als diejenigen, die hier investieren und Jobs schaffen", schimpft Höttges - und erntet dafür großen Applaus von den Aktionären. Die Angst vor Google ist gerade ziemlich groß in Deutschland. Erst recht wohl unter jenen, die sich nicht nur vor dem gierigen Datenkraken fürchten müssen, sondern auch vor einem mächtigen Konzern, der ihnen die Möglichkeit raubt, Gewinne zu machen.

Hintergrund für Höttges Verdruss: Seit Jahren steigt die Menge der Daten, die durch das Netz geschleust werden. Vor allem, weil die Menschen nicht mehr nur Webseiten anklicken, sondern auch Filme schauen, mit Freunden chatten. Und zwar auch von unterwegs. Während die Telekom viel Geld in den Ausbau der Netze stecken muss, um diese Datenflut zu bewältigen, schöpfen die amerikanischen Internetunternehmen die Gewinne ab. Denn die Konzerne aus dem Silicon Valley verdienen ihr Geld nicht mit stetig sinkenden Gebühren für den Internetanschluss, sondern vor allem mit Anzeigen, die sie im Internet platzieren.

"Ich fordere die Politik auf, hier zu handeln"

Ein Vergleich macht das Dilemma deutlich, vor dem nicht nur Höttges , sondern seine gesamte Branche steht: "Google und Facebook zusammen sind an der Börse heute deutlich mehr wert als die gesamte europäische Telekommunikationsindustrie", ruft Höttges in den Saal.

Woran das liegt? Nach Ansicht von Höttges vor allem an unfairen Spielregeln: Google dringe beispielsweise mit Hangout, einem Dienst für Videotelefonie, ins Kerngeschäft der Telekom. Ähnlich wie Microsoft mit Skype und Facebook mit Whatsapp. "Damit verschaffen sie sich Zugang zu Kundendaten wie Bewegungsprofilen und Adressen. Anschließend werden diese Daten im einträglichen Werbegeschäft vermarktet", umreißt Höttges die Gefahr - und legt fast schon beleidigt nach: "Uns würde man das niemals durchgehen lassen." Er frage sich, warum Google & Co. anders reguliert werden als die etablierten Telekommunikationsanbieter.

Höttges lässt keinen Zweifel daran, dass er diese Regulierung nicht mehr für zeitgemäß hält. "Ich fordere die Politik auf, hier zu handeln." Die Behörden in Brüssel beispielsweise solle den Fokus nicht allein auf günstige Preise für den Kunden legen, sondern die Unternehmen auch zu Investitionen in den Netzausbau ermutigen. Auch eine einheitliche Datenschutzgrundverordnung mit gleichen Bedingungen für Telekommunikations- wie Internetunternehmen hält er für dringend notwendig. Doch die ist auf europäischer Ebene gerade ins Stocken geraten - nicht zuletzt, weil sie von Deutschland blockiert wird.

Die Zeit drängt: Schon jetzt haben die Europäer nämlich bei der Entwicklung von Chips, Internetdiensten, Computern den Anschluss verloren. "Wenn wir jetzt noch die Infrastruktur verlieren, verlieren wir unsere digitale Souveränität", warnt Höttges.

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