Geldanlage:Millionenvergleich für verärgerte Telekom-Anleger

Frankfurter Börse zum Start der Telekom-Aktie

Mit rosa leuchtenden Würfeln war der Vorplatz der Frankfurter Börse am 18. November 1996 geschmückt. Dort wurde die Telekom-Aktie erstmals an der Börse gehandelt.

(Foto: Katja Lenz/dpa)

17 000 Privatanleger klagen gegen den Telefonkonzern. Nun macht das Oberlandesgericht Frankfurt den Weg frei für eine gütliche Lösung. Und die fällt überraschend üppig aus.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

An einem Juni-Tag kurz nach der Jahrtausendwende glaubt Christa Gruhler-Steier, die Zukunft in den Händen zu halten. 60 Aktien der Telekom hatte die ehemalige Pharmareferentin gerade gekauft, 7000 Mark investierte die Angestellte damals in die Titel. "Ich wollte die Abfindung meiner Firma sicher anlegen", sagt Gruhler-Steier heute. Wenn die Pensionärin nun verkaufen würde, brächten ihr die Aktien bloß noch rund 1000 Euro ein.

Aus der Aktie Telekom ist für Gruhler-Steier eine Akte Telekom geworden, ordnerweise hat sie rund 20 Jahre Anlegerverfahren zu Hause aufgereiht. Nun allerdings dürfte es Hoffnung für viele Betroffene wie die Pensionärin aus Seeheim-Jugenheim geben: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat den Weg für einen Vergleich zwischen Telekom und den klagenden Privatanlegern freigemacht.

Bis Mitte 2022 sollen die rund 17 000 verärgerten Investoren ein Vergleichsangebot vom Magenta-Riesen bekommen. Wer zum dritten Börsengang der Telekom zum Beispiel rund 50 Aktien kaufte und bis heute gehalten hat, könnte dann rund 3600 Euro bekommen. "Der Senat legt allen dringend nahe, diesen Vergleich abzuschließen", sagte der Vorsitzende Richter Bernhard Seyderhelm bei einem Gerichtstermin am Dienstag.

Auch Christa Gruhler-Steier wird nun die Details des Vergleichs prüfen, als einzige Privatanlegerin war sie einst demonstrativ mit zu den Gerichtsterminen in Karlsruhe und Frankfurt gekommen. "Das war denen ganz schön unangenehm", sagt Gruhler-Steier. "Denen", sagt sie. Und meint die Banken, den Staat - und die Telekom.

Wer als Anleger vom Vergleichsangebot des Telefonie-Konzerns profitieren will, muss drei Bedingungen erfüllen. Erstens: Anleger müssen die T-Aktien zwischen dem 27. Mai 2000 und dem 19. Dezember 2000 gekauft haben. Zweitens: Die Ansprüche dürfen noch nicht verjährt sein, die Anleger müssen also rechtzeitig auf ihre Unbill aufmerksam gemacht haben. Und drittens: Wer die Aktien seitdem immer im Depot behalten hat, kommt genauso infrage wie Anleger, die ihre T-Aktien längst versilbert haben.

Wie komplex die Details des Kompromisses sind, zeigt ein Fall, der ganz ähnlich liegen dürfte wie der von Anlegerin Gruhler-Steier: Wer beim dritten Börsengang 50 Aktien zeichnete, hätte damals rund 3175 Euro hingelegt - zuzüglich Zeichnungskosten bei der Bank. Von dieser Summe würden die Vergleichsparteien nun alle inzwischen aufgelaufenen Dividenden von mehr als 600 Euro und den groben aktuellen Wert der Aktien heute abziehen, sofern die Anleger die Papiere immer noch halten.

Telekom-Prozess in Frankfurt

Die Aktionärin Christa Gruhler-Steier hat das Verfahren genau verfolgt. Jetzt darf sie hoffen.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Am Ende würde ein solcher Anleger rund 1600 Euro Kaufkosten erstattet bekommen und noch einmal Prozesszinsen von knapp 2000 Euro obendrauf. Unter dem Strich stünde in diesem Fall also ein Vergleichsangebot von rund 3600 Euro. "Es ist gut, dass die Kleinanleger entschädigt werden, die gegen den Giganten vorgegangen sind", sagte Anlegeranwalt Peter Gundermann von der Kanzlei Tilp. Und auch Privatanlegerin Christa Gruhler-Steier will nun über ein mögliches Vergleichsangebot "gut nachdenken".

Rund 65 Euro hat die Aktie 2000 gekostet, heute ist sie noch 16,80 Euro wert

Der Vergleich könnte der vorläufige Endpunkt eines inzwischen mehr als 20 Jahre andauernden Verfahrensmarathons sein: Beim dritten Börsengang der Telekom im Juni 2000 hatten viele Privatanleger die Aktien zu rund 65 Euro zugeteilt bekommen. Zum Vergleich: Heute sind die Aktien nur rund 16,80 Euro wert, auch wenn in den vergangenen Jahren recht verlässlich Dividenden geflossen sind. Rund 17 000 Anleger hatten nach ihren enttäuschenden Erfahrungen mit der vermeintlichen "Volksaktie" Klage eingereicht - und sich auf einen jahrelangen Verhandlungsmarathon eingelassen.

Schon 2014 hatte der Bundesgerichtshof einen schwerwiegenden Fehler im Prospekt der Telekom beim dritten Börsengang festgestellt: Dort hatte es geheißen, man habe Anteile am US-Mobilfunkbetreiber Sprint verkauft. In Wirklichkeit hatte die Telekom die Anteile lediglich auf eine konzerneigene US-Beteiligungsgesellschaft übertragen. Das Problem aus Sicht der Anleger: Nun hätte vor dem Oberlandesgericht vermutlich ein Gutachten beweisen müssen, ob dieser Fehler im Prospekt Auswirkungen auf den Börsenkurs hatte.

Da erschien beiden Seiten wohl der Vergleich einfacher, von dem Anlegerin Christa Gruhler-Steier noch kaum etwas erfahren hat. Sie wartet nun, dass Anlegeranwälte alle Mandanten einzeln anschreiben. Wer sich jedoch nicht auf den Deal mit Telekom einlässt, müsste sich einen neuen Musterkläger suchen und möglicherweise auch künftige Gerichtskosten zahlen. "Und irgendwann", sagt Telekom-Aktionärin Gruhler-Steier, "will man die Sache ja auch mal abschließen."

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