Da sitzen sie nun, die Bayern-Stars Thomas Müller, Xabi Alonso und Thiago und lassen sich auf einer Bühne im Bauch der Allianz-Arena von einer Journalisten-Darstellerin zu ihren Handygewohnheiten befragen. Denn gerade haben sie die neuen Smartphones ihres Sponsors Gigaset in Empfang genommen. Thomas Müller sagt, dass vor allem David Alaba und Jérôme Boateng für das Knipsen von Selfies in der Mannschaftskabine verantwortlich seien.
Nach gut einer halben Stunde ist das Geplänkel auf der Bühne endlich vorbei und die Spieler geben Einzelinterviews. Angereist sind auch etliche Journalisten aus China. Eine Reporterin trägt das Trikot des Abwehrspielers Holger Badstuber. Ein anderer lässt sich später noch Autogramme geben. Ein Sponsorentermin wie jeder andere auch? "Nein das ist nicht mehr normal", sagt Mike Schürig, Sprecher der IG Metall in Nordrhein-Westfalen. "So viel Chuzpe wie die Gigaset-Führung hat lange kein Unternehmen in Deutschland mehr an den Tag gelegt."
Was ihn ärgert: Nur zwei Tage bevor im Stadion in München freundliche Worte gewechselt werden, hatte Gigaset eine Hiobsbotschaft verschickt. Von 1250 Mitarbeitern sollen 550 das Unternehmen verlassen. Nach derzeitigen Vorstellungen der Unternehmensführung sollen 440 Mitarbeitern gekündigt werden, 300 davon alleine in Deutschland. Abfindungen sind nicht eingeplant. Noch Anfang des Jahres hatte sich Gigaset-Vorstandschef Charles Fränkl selbstbewusst gezeigt: "Ich finde, wir sind gerade die best story in town", sagte er im SZ-Interview. Doch wie passt das noch alles zusammen?
Das Lieblingsprojekt von Gigaset heißt Smart Home
"Wir haben den Abbauplan zum frühestmöglichen Zeitpunkt kommuniziert, da bisher Beschäftigungssicherungsvereinbarungen galten, die kein früheres Handeln ermöglicht haben", rechtfertigt Fränkl sein Handeln. 2012, als Gigaset, die frühere Siemens-Festnetzsparte, schon einmal am Abgrund stand, hatten die Arbeitnehmer auf Geld verzichtet. Dieser Vertrag ist nun ausgelaufen.
Dass das klassische Festnetzgeschäft stagniert, ist seit Jahren klar. Fränkl ließ deshalb Beiboote zu Wasser. Sein Lieblingsprojekt nennt sich Smart Home. Das gesamte Haus wird dabei über eine Gigaset-Anlage gesteuert. Man kann die Heizung regeln, die Alarmanlage scharf schalten oder die Rollläden herunterlassen. 2012 verkündete Fränkl vor Analysten, dass er bis 2015 jährlich 30 bis 50 Millionen Euro mit Smart-Home-Produkten umzusetzen werde. Doch wie sieht es damit aus? Fränkl sagt nur: "Unser Smart-Home-Geschäft ist on track." Sein Sprecher ergänzt: Umsatzzahlen einzelner Einheiten kommuniziere Gigaset generell nicht.
Die Wahrheit ist bitter: Der Umsatz liegt im einstelligen Millionenbereich. Ein Retter musste also her. Und das ist der chinesische Multimillionär Pan Sutong. Seit zwei Jahren ist er der größte Anteilseigner der Gigaset AG. Ohne sein Geld wäre das Unternehmen 2013 insolvent gewesen. Doch was hat Pan, der sein Geld gerne in Rennpferde und exklusive Bordeaux-Lagen steckt, mit der abgehalfterten Siemens-Festnetzsparte vor? Offenbar nicht mehr viel. Pan scheint es vor allem um den Markennamen und ein ganz neues Geschäft, nämlich um Smartphones zu gehen. Smartphones, die allesamt in China hergestellt werden.
Gesteuert wird dieses Geschäft nicht etwa von München aus, wo die Gigaset AG ihren Sitz hat, sondern von einer Briefkastenfirma in Singapur, der Gigaset Mobile Pte. Ltd. "Hat das Smartphone-Geschäft Erfolg, profitiert vor allem der Investor aus China", kritisiert IG-Metaller Schürg. Der Grund ist die Konstruktion. Für die Gigaset AG ist es eine reine Finanzbeteiligung. Das Sagen hat Investor Pan, seine Firma hält über 85 Prozent der Anteile . Ohne Probleme könnte er bei einem Erfolg des Smartphone-Geschäfts seine Beteiligung weiter erhöhen und somit etwaige Gewinne für die Gigaset AG verwässern. Geld von der Singapurer Beteiligung erhält die Gigaset AG derzeit lediglich, indem sie Rechnungen schreibt, etwa für Marketingausgaben.
Auch die Rechte am Firmennamen hat die Gigaset AG inzwischen versetzt - an eine Tochterfirma des chinesischen Investors. 29 Millionen Euro sollten eigentlich dafür bis Ende September überwiesen werden, bislang ist noch nichts bezahlt, bilanziert ist der Verkauf hingegen schon. Wer im Moment die Rechte hält, ist unklar. Unstrittig ist jedoch, dass dieser Markenname enorm wichtig für Pans Vorhaben ist, Gigaset in China als ein Handy aus Deutschland zu positionieren.
Fünf Millionen Euro zahlt Gigaset jährlich an den FC Bayern München
Als europäische Antwort auf Apple und Samsung. Damit das auch in China verstanden wird, sponsort der Gigaset-Briefkasten aus Singapur für zwei Millionen Pfund im Jahr das Pferderennen Royal Ascot: Adel, Promis und aufwendige Hüte - ziemlich genauso stellt sich die chinesische Mittelschicht Luxus und Noblesse in Europa vor.
Fünf Millionen Euro zahlt Gigaset Mobile jährlich an den FC Bayern München. "Wir haben uns bewusst für den FC Bayern München als Partner entschieden. Der Verein ist weltweit und so auch in China bekannt und gerade in Europa und China wollen wir die neuen Gigaset-Smartphones als Handys 'designed in Germany, made in China' positionieren", erklärt Fränkl.
Den Mitarbeitern in Deutschland hilft das nur noch wenig.