Technik:Künstlich intelligent

Immer mehr Unternehmen und Wissenschaftler beschäftigen sich mit künstlicher Intelligenz. Doch wozu das alles letztlich führen wird, weiß noch niemand. Die ethische Debatte darüber wird in diesem Jahr geführt werden.

Von Hakan Tanriverdi

Es ist ein Bild, dass ein Dreijähriger gemalt haben könnte. Drei schemenhafte Umrisse in grün, orange und lila. Vermutlich sind es Menschen, denkt man sich, aber der grüne Umriss, ganz links, sieht doch sehr deformiert unmenschlich aus. Dieses Bild veröffentlichte Facebook im November unter der Überschrift: "Mithilfe von A.I. Innovation beschleunigen und neue Erfahrungen ermöglichen."

A.I. steht für Artificial Intelligence, also künstliche Intelligenz (KI). Die schemenhaften Umrisse zeigen, wie eine Maschine die Welt sieht. Der grüne Umriss ganz links ist ein Polizist. Dass er deformiert wirkt, liegt an Rucksack und Schutzhelm. Die Botschaft von Facebook ist: Seht her, unsere Maschine sieht so gut, dass sie selbst Polizisten erkennt, die sich rüsten, als ob sie in den Krieg ziehen.

Es ist nicht irgendein Bild, das Facebook von einer Maschine hat nachzeichnen lassen. Es hat eine Geschichte: Nachdem zwei Afroamerikaner im Sommer 2016 von Polizisten in den Vereinigten Staaten erschossen und die Aufnahmen davon - wiederum auf Facebook - in Echtzeit gesendet wurden, protestierten Zehntausende gegen Polizeigewalt. Das Foto entstand auf einer dieser Demonstrationen. Facebook hat sich also entschieden, mit der Maschinen-Analyse eines Fotos anzugeben, das weltweit in Nachrichtensendungen gezeigt wurde - als Beispiel für ein einschüchternd militaristisch auftretende Polizei. Um es auf die Spitze zu treiben, wurde noch darauf hingewiesen, dass die Maschine sogar erkennen konnte, welche der Personen aktiv sei und welche still stehe.

So gut sei die Maschine. 2017 wird das Jahr, in dem wir uns entscheiden werden, wie wir mit KI umgehen wollen. Die großen Internetfirmen aus dem Silicon Valley, und auch jene in China, pumpen Milliarden in diese Forschung - schon seit Jahren. Doch erst jetzt scheinen sie zu bemerken, dass diese Forschung nicht nur unter ökonomischen Aspekten zu betrachten ist. Eine Maschine, die auch Polizisten in Kampfmontur erkennt, kann vielfältig eingesetzt werden. Facebook kann seinen knapp 1,8 Milliarden Nutzern bessere Dienste liefern. Polizeibehörden dürften andere Entscheidungen treffen: Mit so einer mächtigen Maschine ließen sich Protestierende gut überwachen.

Wozu das alles letztlich führen wird, weiß noch niemand

Es stimmt, dass anhand von KI Fortschritte ermöglicht werden, die Menschen Arbeit abnehmen und gleichzeitig Leben retten. Es sind Beispiele, die heute noch im Konjunktiv genannt werden müssen. Die Entscheidung, sich gesellschaftlich auf autonomes Fahren umzustellen, auch hier spielt das Sehen der Maschine eine zentrale Rolle, könnte zu weniger Unfalltoten führen. Die Entscheidung, künstliche Intelligenz in Krankenhäusern einzusetzen, könnte dazu führen, dass Patienten besser behandelt werden. Erste Forschungsergebnisse zeigen: Eine Maschine konnte 25 Millionen wissenschaftliche Berichte binnen in einer Woche lesen. Sie kam zu vielversprechenden Schlüssen, die einem Ärzteteam nicht in den Sinn kamen, wie der US-Sender CBS News  berichtete.

Doch es handelt sich um Grundlagenforschung, wie das Facebook-Beispiel zeigt. Wozu das alles letztlich führen wird, weiß noch niemand. Die ethische Debatte darüber wird erst dieses Jahr wirklich geführt werden. Die Technik hilft sowohl dem kleinen Staubsauger-Roboter, der für seinen Putzfimmel die Wohnung scannt, als auch Kriegsgerät, das Menschen erkennt. Gerade bei KI sind Algorithmen derart komplex, dass Menschen sie nicht verstehen können. Forscher warnen schon heute, dass Entscheidungen, die Maschinen treffen, deshalb nicht unabhängig überprüft werden können. Wie trainiert man einen Roboter, der absichtlich eine Vase kaputt macht, weil die Algorithmen errechnet haben, dass die Wohnung dadurch schneller gereinigt werden kann? Diese Frage stellen Forscher, die bei Google arbeiten.

Wer sich entscheiden will, braucht Kriterien, an denen er diese Entscheidung ausrichtet. Noch sind diese nicht vorhanden.

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