Süddeutsche Zeitung

Tech-Treffen:Showtime für Start-ups

Auf der Cube Tech Fair in Berlin erhalten Digitalunternehmen die Gelegenheit, sich etablierten Konzernen zu präsentieren.

Von Ulrich Schäfer

Torsten Oelke hat vor acht Jahren ein Buch mit dem Titel "Stars des Internet" veröffentlicht, und es war, wie er sagt, "eine schöne Momentaufnahme der damaligen Zeit". Damals, und auch viele Jahre danach, konnten die etablierten Unternehmen mit den jungen Gründern nichts anfangen: "Die haben", sagt Oelke, "Start-ups als eine hübsche Tischdekoration angesehen, mit lustigen Leuten an bunten Schreibtischen. Die sind da gerne hingegangen, aber haben nachher gesagt: Für unseren Umsatz bringen die nichts."

Heute arbeitet Oelke von Berlin aus daran, dass sich dies ändert: Der Geschäftsführer von Cube hat sich zum Ziel gesetzt, etablierte Unternehmen und junge Gründer zusammenzubringen, Cube versteht sich als "Matchmaker", als ein Dienstleister, der Old und New Economy zusammenbringt, den Alten die Jungen zuführt, den Konzernen die Gründer, damit daraus gemeinsame Geschäfte entstehen. Seine Büros hat Cube in bester Berliner Lage, Französische Straße, nur ein paar Schritte vom Gendarmenmarkt entfernt.

Die Großen sollen von den innovativen Kleinen profitieren

Seit eineinhalb Jahren macht Oelke das jetzt, er ist dazu viel gereist, ins Silicon Valley, nach Israel, nach Brasilien, nach Asien. Überall haben er und seine Kollegen vsich Start-ups angeschaut, anschließend eine Datenbank aufgebaut, gefüllt mit den innovativsten Jungunternehmen, sortiert nach Branchen, nach Produkten. "Wir wollen ein Ökosystem schaffen, von dem die etablierten Unternehmen hierzulande ebenso wie die Start-ups profitieren", sagt Oelke.

Einige dieser etablierten deutschen Unternehmen stehen hinter Cube: Der Autohersteller Volkswagen und der Pharma- und Chemiekonzern Bayer haben Cube gegründet, gemeinsam mit der Messe Berlin. Mittlerweile suchen aber auch viele andere deutsche Konzerne die Nähe der 30-Mann-Firma. Oelke erwartet die Vertreter von rund 20 Dax-Konzernen, wenn in Berlin von diesem Mittwoch an erstmals die Cube Tech Fair stattfindet: eine dreitägige Messe mit über 6000 Teilnehmern, die einzig dem Ziel dient, junge und etablierte Unternehmen zusammenzubringen.

Die Messe ist ein zentraler Teil des Ökosystems, das Cube schaffen will. Auf der Cube Tech Fair, sagt Oelke, "wollen wir die Start-ups nicht, wie auf anderen Industriemessen, in irgendeine Halle am Rand abschieben, sondern sie stehen im Mittelpunkt." Mehr als 300 junge High-Tech-Firmen hat Cube nach Berlin geladen, sie kommen aus Asien und Europa, Nord- und Südamerika, aber auch aus Ländern wie Pakistan. Ein Kriterium müssen dabei alle Gründer erfüllen: Sie bedienen mit ihren Produkten nicht den Konsumenten, sondern andere Unternehmen, vor allem aus der Industrie. B2B nennt sich diese Art von Geschäft im Englisch der Wirtschaft: Business to Business. Das ist nicht so greifbar wie eine neue App, die sich jeder auf das Smartphone laden kann, nicht so aufregend wie Internet-Plattformen für jedermann à la Airbnb oder Facebook.

Aber genau hier, im Zusammenspiel von etablierten Industrieunternehmen und jungen Gründern, die ihnen helfen, ihr Geschäft zu verbessern, sehen die Macher das größte Potenzial für die deutsche Wirtschaft. "Manche Leute sagen: Wir müssen in Deutschland das nächste Facebook bauen, aber darum geht es nicht. Unser System hierzulande ist gar nicht so organisiert, dass das möglich ist", sagt Oelke. Stattdessen gehe es darum, dass junge und etablierte Unternehmen gemeinsam jenen Bereich erschließen, der hierzulande gern als Industrie 4.0 beschrieben wird, in Wahrheit aber weit mehr umfasst: nämlich die komplette Vernetzung von Häusern, Fabriken, Verkehrssystemen und Städten. "Deutschland", glaubt Oelke, "hat heute zum ersten Mal die Chance, aus der Digitalisierung wirklich etwas zu machen."

Der Geschäftsführer von Cube weiß durchaus, wovon er spricht: Er arbeitet seit mehr als 15 Jahren in der Digitalwirtschaft, hat Inkubatoren und Akzeleratoren mit aufgebaut, wie Gründerzentren heutzutage heißen. Er berät zudem seit Jahren etablierte Unternehmen bei der Digitalisierung. Nun baut er Cube auf: das Netzwerk, die Messe, dazu kleinere Veranstaltungen, nicht bloß in Deutschland, sondern auch in jenen Regionen der Welt.

Das Silicon Valley in Kalifornien gehört dabei gar nicht mal zu den bevorzugten Gegenden, denn dort konzentrieren sich die meisten Start-ups auf das Geschäft mit den Konsumenten - und nicht auf B2B. Stattdessen schauen Oelke und seine Kollegen eher nach München, wo Start-ups wie Konux oder Toposens zuhause sind; Konux stattet Schienen mit smarten Sensoren aus, Toposens entwickelt Sensoren, die mittels Ultraschall funktionieren.

Oder sie schauen nach Barcelona, wo Zero 2 Infinity zuhause ist, eine Firma, die riesige Ballons auf 30 Kilometer Höhe aufsteigen lassen will, um von dort Raketen in den Weltraum starten zu lassen. Oder sie blicken nach Brasilien, wo zum Beispiel das Start-up Medical Harbor individuelle angepasste Prothesen mit dem 3D-Drucker produziert.

All diese Unternehmen werden sich diese Woche im City-Cube präsentieren, wie die Messehalle unweit des Berliner Funkturms heißt. Sie messen sich zudem in einem Start-up-Wettbewerb, bei dem für den Gewinner ein Preisgeld von einer Million Euro wartet. Daneben ist ein Bühnenprogramm vorgesehen, an dessen Anfang die amerikanische Schauspielerin Robin Wright auftritt, bekannt als First Lady Claire Underwood aus der Fernsehserie "House of Cards", und an dessen Ende der Apple-Mitgründer Steve Wozniak auf der Bühne erscheinen wird.

Oelkes Ziele sind nicht gerade bescheiden. Er hofft, dass das ein oder andere Start-up, das sich in den nächsten Tagen in Berlin präsentiert, "in 25 Jahren vielleicht genauso groß ist wie Panasonic heute - und dann von sich sagen kann: Der entscheidende Punkt in unserer Entwicklung, der alles weitere in Gang gebracht hat, war die Cube Tech Fair in Berlin."

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Quelle:
SZ vom 08.05.2017
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