Tech-Konzerne:Wir sind's nur

Missbrauchen Apple, Amazon, Alphabet und Facebook ihre Macht? Die Chefs der Konzerne müssen vor dem Kongress aussagen und bleiben viele Antworten schuldig.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Tech-Konzerne: In der Anhörung im Kongress per Video geben sich die Chefs der Tech-Konzerne als Musterschüler. Im Bild Tim Cook (Apple).

In der Anhörung im Kongress per Video geben sich die Chefs der Tech-Konzerne als Musterschüler. Im Bild Tim Cook (Apple).

(Foto: Graeme Jennings/AFP)

Die Anhörung, in der es um "Online-Plattformen und Marktmacht" ging, musste auf einer Online-Plattform stattfinden. Die Chefs der Tech-Konzerne Apple (Tim Cook), Amazon (Jeff Bezos), der Google-Mutter Alphabet (Sundar Pichai) und Facebook (Mark Zuckerberg) mussten vor dem US-Kongress aussagen, doch sie waren nicht im Saal "2141 RHOB" im Kapitol in Washington, in dem der Unterausschuss des Repräsentantenhauses für Kartellrecht tagte. Wegen der Corona-Pandemie hoben sie die Hand zum Eid vor ihren Webcams, sie waren dem Kongress über den Dienstleister Webex zugeschaltet, der wie so viele Programme auf dem Cloud-Service AWS von Amazon beheimatet ist.

Das gab ein schmuckloseres Bild ab als andere Anhörungen vor dem Kongress. 1994 standen die Chefs der sieben größten US-Tabakkonzerne in einer Reihe und behaupteten, Rauchen mache nicht süchtig. Vier Jahre später wurde Microsoft-Chef Bill Gates bei der Anhörung über die Dominanz seines Konzerns mehr und mehr in die Enge gedrängt. Bezos zeigte sich vor einem braunen Regal, Pichai und Cook waren aus spärlich eingerichteten Büros zugeschaltet, Zuckerberg wirkte, als säße er in einer weißen Gefängniszelle. Die Botschaft der vier war pathetischer als das Setting: Wir sind amerikanische Musterschüler, keine Gefahr für die Freiheit. Jeder sprach für sich, der gemeinsame Tenor war aber: Die USA sind das großartigste Land der Welt. Weil sie Unternehmen wie ihre ermöglichen, die wertvollsten der Welt. Weil Erfolg nicht bestraft wird. Weil es weniger staatliche Kontrolle gibt als in China, weniger strenge Regularien als in Europa.

Tech-Konzerne: Amazon-Chef Jeff Bezos.

Amazon-Chef Jeff Bezos.

(Foto: Graeme Jennings/AFP)

Patriotismus war die erste Verteidigungsstrategie gegen die Vorwürfe, dass diese vier Konzerne mit einem Börsenwert von insgesamt knapp fünf Billionen Dollar ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, um Wettbewerb einzudämmen, und immer mehr Macht auf sich zu konzentrieren. Es ist die Gretchenfrage der digitalen Revolution: Wie groß ist zu groß?

Eine endgültige Antwort auf diese Frage gab es nicht, obwohl der Ausschuss in 13 Monaten 1,3 Millionen Dokumente gesichtet und mehrere Hundert Stunden Gesprächen mit Zeugen geführt hat. Tatsächlich unterschied sich die Anhörung wohltuend von jener Zuckerbergs im Senat 2018, als es um mögliche Manipulationen des Wahlkampfs ging. Damals hatten sich Senatoren lächerlich gemacht, weil sie den Eindruck erweckten, sie wüssten nicht, wie man eine Computermaus bedient.

Nun soll das US-Justizministerium bereits eine Klage gegen Alphabet vorbereiten, Staatsanwälte in mehreren US-Bundesstaaten ermitteln gegen Apple und Amazon, die Handelsbehörde FTC gegen Facebook. Das Problem der Gegner der Konzerne: In ihrer Heimat wird das Wettbewerbsrecht so ausgelegt, dass nicht der Nachteil für Mitbewerber zählt, sondern vor allem der Schaden an den Konsumenten - und die nutzen die Ökosysteme der "Big Four" nach wie vor in Massen.

Zuckerberg zeichnete Facebook als uramerikanische Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen habe aggressiv wachsen müssen, etwa mit dem Kauf des Messagingdienstes Whatsapp. Alphabet tat Ähnliches mit dem Zukauf der Video-Plattform Youtube, Amazon mit dem Kauf des Lebensmittelhändlers Whole Foods. Es galt, der Konkurrenz zu trotzen, sagte Zuckerberg. Jener Konkurrenz, deren Chefs mit ihm auf dem Videoschirm zugeschaltet waren, denn hier versucht jeder, in Bereichen des anderen zu wildern. Es gehe aber nicht nur um die USA. "Wer die wertvollsten Firmen der Welt betrachtet, dürfte feststellen, dass auf der Liste viele Konzerne aus China zu finden sind", sagte Zuckerberg.

Tech-Konzerne: Google-Chef Sundar Pichai.

Google-Chef Sundar Pichai.

(Foto: Graeme Jennings/AFP)

Nicht das erste Mal, dass er sich passend zum politischen Zeitgeist in den USA zum Bollwerk gegen chinesische Expansion stilisiert. Ohne Tiktok beim Namen zu nennen, spricht er über die Plattform aus China, die im Westen unter Jugendlichen beliebt ist. Die USA und andere Staaten werfen ihr vor, Daten über Nutzer für Chinas Regierung zu sammeln und anfällig für deren Zensur und Propaganda zu sein. Tiktok-Chef Kevin A. Mayer veröffentlichte am Mittwoch auch ein Statement. Er war nicht zur Anhörung eingeladen. Mayer schrieb: "Wir werden angegriffen, aber wir sind nicht der Feind." Ein Tiktok-Verbot, mit dem die US-Regierung droht, würde den Wettbewerb und auch amerikanische Kreativität einschränken: "Wir haben keine Agenda. Die Kunden können vom Wachstum gesunder, erfolgreicher Plattformen wie Tiktok nur profitieren."

Wer welche Agenda hat, war zumindest im Kongress eindeutig. Die Befragung von Cook, Bezos, Pichai und Zuckerberg diente weniger der Wahrheitsfindung. Vielmehr sollte sie wohl Video-Schnipsel produzieren, die einzelne Politiker zur Selbstvermarktung nutzen können. Wie in einem schlechten Tischtennis-Match schmetterte ein Abgeordneter nach dem anderen den Managern einen Vorwurf entgegen: Umgang mit Drittfirmen auf den Plattformen, Zensur von Beiträgen Donald Trumps, Wahlmanipulation durch andere Staaten. Die Chefs spielten den Ball aber nicht zurück, sondern wichen mit allgemeinen Floskeln aus: Wettbewerb fördern, Gesetze einhalten, die Welt verbessern. Sie tauschten für jeden ersichtlich den Ball und spielten ihn zurück, ohne in Gefahr zu geraten, ihren Eid zu brechen. Die Fragesteller warteten meist gar nicht auf den Return, sondern unterbrachen Antworten nach spätestens 20 Sekunden, um den nächsten Vorwurf abzufeuern. So ging es fünfeinhalb Stunden.

Facebook CEO Mark Zuckerberg testifies before the House Judiciary Subcommittee on Antitrust, Commercial and Administrative Law on Capitol Hill in Washington

Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

(Foto: Reuters)

An Bezos etwa ging die Frage, ob es stimme, dass Mitarbeiter des Unternehmens den Erfolg der Produkte von Dritthändlern analysieren, damit Amazon diese dann selbst produzieren kann. Apple wurde gefragt: Sind die Geschäftsbedingungen des App Stores fair? Die Konzernchefs konnten einen ausweichenden Satz einleiten, bevor ihnen ein Abgeordneter wieder das Wort abschnitt. "Ja oder nein?", fragte die Demokratin Pramila Jayapal. "Ich kann auf diese Frage nicht mit Ja oder Nein antworten", sagte Bezos. Ähnlich lief es bei den Fragen, ob Facebook mit dem Löschen von Videos in die Meinungsfreiheit eingreife und ob der Google-Suchalgorithmus eher dem Nutzer oder eher dem Konzern diene?

Neue Erkenntnisse förderten lediglich die internen Dokumente ans Licht, die der Ausschuss von den Konzernen angefordert hatte. Abgeordnete lasen aus internen Mails zwischen Zuckerberg und Mitarbeitern vor. In einer ging es um den Kauf des damaligen Konkurrenten Instagram, um "die Neutralisierung eines möglichen Mitbewerbers". Zuckerberg gab in der Anhörung auch zu, dass er Whatsapp als Wettbewerber gesehen habe - bis er den Chat-Dienst 2014 kaufte. Das klingt stark nach einem Unternehmen, das mögliche Konkurrenten mit einem Berg von Kapital einfach wegkauft und so auf dem Weg zum Monopol ist. Einmal schrieb Zuckerberg: "Wir können wahrscheinlich immer jedes konkurrenzfähige Start-up kaufen, aber es dürfte ein bisschen dauern, bis wir Google übernehmen können." Ein Witz? Oder ein Hinweis auf die Dimension, in der Zuckerberg denkt?

Nach allem, was in den vergangenen Monaten passiert ist, gilt in der Politik wie in der Tech-Branche: Man muss stets die eigenen Nutzer befriedigen, um erfolgreich zu sein. Also in diesem Fall mögliche Wähler, die diese Anhörung sehen und in ihrer Meinung über "Big Tech" und ihre jeweilige Partei bestätigt werden wollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: