Tech-Investor Peter Thiel:"Ich bin stolz, schwul zu sein. Ich bin stolz, Republikaner zu sein"

Der Paypal-Gründer und Facebook-Aufsichtsrat Peter Thiel spricht über seine Homosexualität - als erster Parteitagsredner in der Geschichte der Republikaner.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Der Milliardär Peter Thiel gilt als hyperintelligenter Exzentriker, der nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die meisten Menschen scheut. Und doch kommt dem Tech-Investor an diesem Abend in Cleveland eine exponierte Rolle zu: Als erster Redner in der Geschichte der republikanischen Parteitage spricht er über seine Homosexualität.

"Jeder Amerikaner hat eine Identität. Ich bin stolz, schwul zu sein. Ich bin stolz, Republikaner zu sein", ruft der Trump-Unterstützer aufgeregt, "vor allem aber bin ich stolz, Amerikaner zu sein." Und die Republikaner klatschen und jubeln.

Der Auftritt des 48-Jährigen ist aber nicht nur deshalb spannend, weil viele Republikaner die gleichgeschlechtliche Ehe trotz oder auch gerade wegen ihrer Legalisierung als Provokation wahrnehmen. Thiel, der in Frankfurt geboren wurde und in den USA aufwuchs, ist eine der einflussreichsten Figuren des Silicon Valley - jenem Geschäft und inzwischen auch Kultur prägenden Landstrich an der Westküste, dessen Bewohner in der Regel die Demokraten bevorzugen. Solange sie dem Geschäft nicht im Weg stehen zumindest.

Thiel dagegen hat mit den Demokraten nichts am Hut: In den Sechzigern, ruft er, sei nicht nur das Silicon Valley eine Hightech-Gegend gewesen - nein, die Vereinigten Staaten insgesamt seien Hochtechnologie gewesen, inklusive der Regierung. "Heute ist die Regierung kaputt. Unsere Atomwaffen-Basen laufen mit Disketten, unsere neuen Kampfflugzeuge können nicht einmal im Regen fliegen." Statt den Mars zu erobern, sei man im Nahen Osten einmarschiert.

Thiel unterstützt Trump, doch er lässt sich den Libertären zurechnen, einer durchaus präsenten politischen Minderheit im Valley. Bei den Republikanern vertraten im Vorwahlkampf Rand Paul und teilweise Ted Cruz die Strömung, die mehr Freiheit für Markt und Lebensführung (vom Sexualpartner bis zum Marihuana-Konsum) und sehr viel weniger Staat möchte. Allerdings schickt die Libertäre Partei mit New Mexicos Ex-Gouverneur Gary Johnson auch einen eigenen Kandidaten ins Rennen, dem wegen der Trump-Abneigung bis zu zehn Prozent zugetraut werden.

Sehr eigene Ansichten

Sein frühes Meisterstück lieferte Thiel, als er Paypal finanzierte, führte und dann an Ebay verkaufte. Später investierte er zeitig in Facebook, Spotify und Airbnb. Sein Buch "Zero To One" ist eines der besten Werke über Start-up-Strategie, sofern man die Monopolisierung eines Marktes als Ziel vor Augen hat.

Die Ansichten des Stanford-Absolventen sind jedoch umstritten: So rät er talentierten Gründern zum Uni-Abbruch, unterstützt die Unsterblichkeitsforschung und unabhängige Kolonien auf künstlichen Inseln im Meer. Auch gab er sich schon besorgt, dass Demokratie dem Kapitalismus schaden könnte. Letzteres bemüßigte einige Tech-Theoretiker zu Spekulationen, dass Thiel in Trump den perfekten Zerstörer staatlicher Fundamente und Strukturen sähe. Das Werkzeug also, um die von ihm propagierte "Flucht aus der Politik in jeglicher Form" zu verwirklichen.

Was das Valley Thiel übel nimmt

Nicht, dass Thiel beim Zerstören nicht selber Hand anlegen würde. So sorgte er jüngst für eine Kontroverse, als er eine millionenschwere Klage des Ex-Wrestlers Hulk Hogan gegen das Klatschportal Gawker finanzierte und den Besitzer der Firma damit zum Verkauf zwang. Gawker hatte Thiel vor vielen Jahren geoutet. Trump hat angekündigt, solche Klagen zu vereinfachen.

Diese medienfeindliche Machtdemonstration wird Thiel im Valley offenbar nicht so übel genommen wie seine Unterstützung des Republikaners.

Der Rassismus des Kandidaten der Republikaner kommt ebensowenig an wie seine Haltung in der Internet-Politik: Trump hatte zum Boykott gegen Apple aufgerufen, weil die Firma das iPhone des Attentäters von San Bernardino nicht entschlüsseln wollte. Amazon-Chef Jeff Bezos wirft er vor, die Washington Post gekauft zu haben, um sein Unternehmen vor Kartellamt und Steuern zu schützen. Das Internet wolle er angesichts islamistischer Propaganda im Zweifel "zumachen", erklärte Trump vor einigen Monaten. Helfen solle ihm dabei Windows-Vater Bill Gates.

Wo sich Thiel mit den Republikanern trifft

Vor allem aber hat der 70-Jährige mehrmals gedroht, die Visa-Programme für ausländische Programmierer zu beschränken, dies allerdings je nach Tageslaune wieder relativiert. Erst vor wenigen Tagen hatten fast 140 Tech-Vertreter einen Brief veröffentlicht, in dem sie Trump als "Disaster für die Innovation" bezeichnen.

"Wenn Donald Trump sagt, dass er Amerika wieder großartig machen wird, meinte er nicht die Vergangenheit", sagt dagegen Thiel in seiner Rede. "Er tritt an, um uns in eine leuchtende Zukunft zu führen." Darum zu kämpfen sei wichtiger als "falsche Kulturkämpfe" wie die Debatte darüber, wo Transgender-Personen aufs Klo gehen dürfen.

Der Super-Investor mag zu exzentrisch sein, um stellvertretend für eine neue politische Richtung zu stehen, die gerade im Silicon Valley ensteht. Andererseits ist in der Tech-Industrie das Vertrauen in den deregulierten Kapitalismus und die Darwin'sche Auslese guter Geschäftsideen so groß wie sonst fast nirgendwo mehr.

Darauf könnten Republikaner theoretisch tatsächlich aufbauen, wären ihre Werte nicht immer noch näher an den 1950ern als an der Gegenwart.

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