Energiepolitik:Wie grün sind Kernkraftwerke?

Energiepolitik: Das französische Kernkraftwerk Cattenom nahe der deutschen Grenze: Frankreich hat darauf gedrungen, dass Investitionen in Atommeiler als grün gelten sollen - mit Erfolg.

Das französische Kernkraftwerk Cattenom nahe der deutschen Grenze: Frankreich hat darauf gedrungen, dass Investitionen in Atommeiler als grün gelten sollen - mit Erfolg.

(Foto: Christophe Karaba/DPA)

Die EU-Kommission will festlegen, wann Unternehmen klimafreundlich sind. Umstritten ist, was für Atom- und Gasmeiler gelten soll. Der Disput wird sich nach einer brisanten Entscheidung der Mitgliedstaaten bald zuspitzen.

Von Björn Finke, Brüssel

Grün ist in - aber was ist grün? Diese Frage will die EU-Kommission mit einer sogenannten Taxonomie beantworten, einem umfassenden Kriterienkatalog, der bestimmt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten umwelt- und klimafreundlich sind. Dieser weltweit erste Katalog seiner Art soll zum Beispiel verhindern, dass sich in Öko-Fonds Aktien von Firmen finden, die nur scheinbar ökologisch wirtschaften. Hochumstritten ist jedoch in Brüssel, ob auch Atom- und Gaskraftwerke als klimafreundlich gelten sollen. Dieser Disput könnte sich Ende November zuspitzen, nachdem die EU-Regierungen jetzt eine wichtige Entscheidung verschoben haben.

So listete die Kommission schon im April in einem sogenannten delegierten Rechtsakt auf, unter welchen Bedingungen bedeutende Branchen und Produkte als klimafreundlich gelten, die für 80 Prozent des Ausstoßes an Treibhausgasen stehen. Die heikle Frage nach den Atom- und Gasmeilern klammerte die Behörde aber aus; damit wird sich ein gesonderter Rechtsakt beschäftigen, der in den kommenden Wochen präsentiert wird.

Die EU-Regierungen müssen entscheiden, ob sie das im April vorgelegte Gesetz akzeptieren oder nicht. Selbst Änderungen vornehmen dürfen sie bei dieser Art von Gesetz nicht. Diesen Beschluss verschoben die Vertreter der Mitgliedstaaten allerdings auf die zweite Novemberhälfte. Damit kamen sie dem Wunsch Frankreichs nach. Die atomfreundliche Regierung in Paris befürchtet, dass der gesonderte Rechtsakt zu Kern- und Gaskraftwerken nicht in ihrem Sinne ausfallen könnte. Dank der Verschiebung können die Regierungen nun über beide Rechtsakte gleichzeitig abstimmen - Frankreich könnte also zur Not versuchen, das eigentlich unstrittige Gesetz von April zu blockieren, wenn das Atom-Gesetz eine Enttäuschung sein sollte. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold kritisiert den Vorstoß Frankreichs als "unverständlich". Er weist darauf hin, dass Frankreich ein eigenes nationales Siegel für Öko-Geldanlagen namens Greenfin habe, das Investitionen in Betreiber von Kern- und Gaskraftwerken bereits ausschließe.

Wie der Rechtsakt zur Bewertung von Kern- und Gaskraftwerken aussehen wird, hat Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness in einem SZ-Interview angedeutet. "Es gab Kritik, dass unser Ansatz zu binär sei: Entweder bist Du grün oder nicht", sagte die Irin da. "Deshalb möchten wir eine weitere Kategorie entwickeln: eine Übergangskategorie für Aktivitäten, die nicht grün sind, jedoch den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft ermöglichen."

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