Taxi-Konkurrenz:Darum muss Uber gestoppt werden

Lesezeit: 3 Min.

Die "Uber"-App - hier in London im Einsatz - ärgert die Taxifahrer. (Foto: Bloomberg)

Uber, der Taxi-Dienst für Privatwagen, klingt progressiv. Aber was, wenn ausschließlich der Markt über die Preise bei Regen und Schnee bestimmt? Das ist das Letzte, was kranken und alten Menschen zu wünschen wäre.

Ein Kommentar von Michael Kuntz

Das Fahrzeug muss über mindestens zwei Achsen und vier Räder verfügen. Es muss auf der rechten Längsseite mindestens zwei Türen haben. Die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr regelt mit deutscher Gründlichkeit, wie ein Taxi auszusehen hat. Das bürokratische Werk stammt aus dem Jahr 1982 und erkennbar aus einer Zeit, als niemand ahnen konnte, wie einmal ein Internet die Welt verändern würde. Und derzeit mit der kalifornischen Firma Uber ein Vermittler von Fahrdiensten antritt, der alle Regelwerke für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen kurzerhand zu Makulatur erklärt.

So ein Mitfahrdienst in Privatwagen klingt ja zunächst einmal sehr progressiv in einer Zeit der Share Economy, wo einer wachsenden Zahl von Menschen der zeitweilige Besitz von Dingen ausreichend erscheint. Und ihnen das Eigentum daran nicht mehr so wichtig ist wie früheren Generationen. Dem Harvard-Ökonomen Martin Weizman zufolge erhöht sich bekanntlich der Wohlstand für alle insgesamt, wenn Gegenstände geteilt werden. Warum soll das nicht auch für Personenautos gelten? Die meisten parken länger, als sie fahren, sie kosten und rosten. Ein kleines Taschengeld für den Fahrer, das passt schon, vor allem wenn der Trip bis zu einem Drittel weniger kostet als die Fahrt in einem regulären Taxi. Das seit den Neunzigerjahren des vorletzten Jahrhunderts bestehende Droschkengewerbe mit Konzessionen, Taxametern und Personenbeförderungsscheinen - es sieht in dieser Konfrontation mit dem Mitfahr-Service ziemlich alt aus.

Konkurrenten: Uber und das Taxigewerbe. (Foto: dpa)

Der Mitfahrdienst ist alles andere als ein Existenzgründer

Dabei gibt es gute Gründe, den Taxifahrern etwas Wertschätzung entgegenzubringen, auch wenn sie sich häufig nicht so aufführen, wie ein Fahrgast es sich wünscht. Taxen sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs, sie sichern ebenso eine kommunale Infrastruktur wie Bahnen und Omnibusse. Taxen garantieren in der Stadt und auf dem Land eine Mobilität für Menschen ohne eigenes Auto. Die Mehrzahl der Fahrten findet aus privaten Gründen statt, zeigt die Statistik. Das ist so, weil Kranke zum Arzt wollen, weil alte Menschen nicht mehr so beweglich sind und sich mit ihren Einkäufen heimfahren lassen. Nicht alles wird von Krankenkassen erstattet. Die Tarife der Taxen mögen hoch erscheinen, sie bieten aber eine Sicherheit über die zu erwartenden Kosten.

Ein nachfragegesteuertes System wie das von Uber mit höheren Preisen bei Regen und Schnee, bei Messen und sicherlich auch zum Oktoberfest oder in der Silvesternacht ist das Letzte, was den sozial schwachen Menschen zu wünschen wäre. Personenbeförderung gerät zu einer Art Glücksspiel - und Uber gewinnt immer. So gesehen erscheint sogar die Vergabe von Konzessionen auf einmal wieder wirtschaftlich sinnvoll, um eine Grundversorgung mit Taxen auch in Zeiten mit geringer Nachfrage zu garantieren.

Nicht nur das Preismodell ist bei Uber problematisch. Das Unternehmen geriert sich als Start-up, ist aber schon fünf Jahre alt und damit längst ein Teil des Establishments. Das gilt erst recht, wenn man weiß, dass sich Uber mit Anlegergeld der Investmentbank Goldman Sachs in bereits 70 Städten ausbreitet. Goldman ist nicht allein: Einer der Investoren in Uber ist ausgerechnet der Internetkonzern Google. Wie ein Krake breitet sich die Suchmaschinenfirma auf allen möglichen Geschäftsfeldern aus, greift gerade nach der Spiele-Plattform Twitch.

Mitfahrgelegenheiten per App organisieren, mit Google Maps im Hintergrund, das passt gut. Wer Uber toll findet, der fährt bei Google mit. Jedenfalls indirekt ist das so. Für Google ist Uber wohl mehr als ein Investment. Es könnte für den Netzgiganten ein Feldversuch sein, wie weit sich ein klar ungesetzliches Geschäftsmodell durch anarchistisches Handeln etablieren lässt. Denn Uber setzt sich explizit über bestehende Regeln hinweg, die Verordnung zur Personenbeförderung in Deutschland ist nur eine davon. Man wolle weitermachen wie bisher und sich durch alle Instanzen klagen. Die Berliner Taxifahrer haben trotz erster Erfolge vor Gericht gegen Uber resigniert angesichts der finanziellen Kraft des angeblichen Start-ups mit den starken Hintermännern. Den Abwehrkampf gegen den wohlkalkulierten Angriff auf die bestehende Rechtsordnung wird das kommunal zersplitterte Taxigewerbe kaum allein gewinnen können.

Behörden und Politiker werden entscheiden müssen, ob sie sich von Google und Uber oktroyieren lassen wollen, wie der öffentliche Nahverkehr zu organisieren ist. Im Blick behalten sollten sie dabei nicht das Wohl von Uber, sondern das Wohl der Allgemeinheit.

© SZ vom 28.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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